Frage an Norbert Lins von Orsolya S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Nach langem Hadern hat die Europäische Volkspartei (EVP) sich am 20. März 2019 dazu durchgerungen, die Mitgliedschaft von Viktor Orbáns Fidesz zu suspendieren.
Laut ihrer Satzung ist das Ziel der EVP, “für eine freie und pluralistische Demokratie und für die Achtung der Menschenrechte, der Grundfreiheiten und des Rechtsstaates zu wirken” sowie “den Einigungs- und föderalen Integrationsprozess in Europa als konstituierenden Bestandteil der Europäischen Union zu fördern”.
Viktor Orbán ist ein bekennender Gegner der pluralistischen Demokratie, der im EP-Wahlkampf seine Angriffe auf die EU sowie auf den EVP-Kommissionspräsidenten unverhüllt fortsetzt. Die Verstöße der Fidesz-Regierung in Ungarn gegen Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte sind durch zahlreiche Berichte und Stellungnahmen von internationalen Organisationen wie der Venedig-Kommission des Europarates, der OSZE sowie von Repräsentanten der Vereinten Nationen gründlich dokumentiert. Die EU-Kommission hat wiederholt seine Bedenken gegen die Mißachtung der europäischen Grundwerte durch die Orbán-Regierung kundgetan. Das Europäische Parlament hat diese Verstöße im Tavares-Bericht von 2013 sowie im Sargentini-Bericht von 2018 minutiös aufgelistet.
Wozu braucht die Europäische Volkspartei noch einen “Rat der Weisen”, um die Inkompatibilität der Politik von Viktor Orbán mit den Grundüberzeugungen und den politischen Zielen der EVP festzustellen? Wozu, außer einer Verzögerung der wirklichen Entscheidung über die EP-Wahl hinaus soll der Bericht von Schüssel, Pöttering und van Rompuy gut sein? Würden Sie und die CDU/CSU Ihre politische Glaubwürdigkeit weiterhin auf Spiel setzen wollen, um Ihre schützende Hand über das antidemokratische und antieuropäische Treiben von Viktor Orbán zu halten? Kurzum: Können Sie es sich vorstellen, im neuen Europäischen Parlament in der gleichen Fraktion mit den Fidesz-Abgeordneten zu sitzen?
Sehr geehrte Frau S.,
ich danke Ihnen für Ihre Mail zur Mitgliedschaft der ungarischen Fidesz-Partei in der Europäischen Volkspartei.
Die politische Versammlung der EVP hat am 20. März 2019 mit 190 zu 3 Stimmen die Suspendierung der Mitgliedschaft von Fidesz beschlossen. Damit verliert die Partei das Recht, an Parteisitzungen und Abstimmungen teilzunehmen, Redezeit zugesprochen zu bekommen oder Kandidaten aufzustellen - bleibt aber formell Mitglied der EVP. Eine Kommission wird nun feststellen, inwieweit die Partei nun die Forderungen von unserem Spitzenkandidaten Manfred Weber vom 05. März erfüllen wird. Diese umfassen:
1. Die Plakatkampagne gegen EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker und George Soros muss unverzüglich aufhören
2. In Zukunft darf es keine derartigen anti-EU Kampagnen mehr geben
3. Der juristische Status der Central European University in Budapest muss unverzüglich geklärt werden
Die parteiinterne Kommission wird weiterhin untersuchen, ob Fidesz zentrale Werte der EVP wie Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit fundamentale demokratische Grundrechte sowie alle Prinzipien, die wir in der Erklärung von Helsinki (vgl. https://www.epp.eu/papers/protecting-eu-values-and-safeguarding-democracy/) im vergangenen November niedergeschrieben haben, einhält. Auf der Grundlage des Abschlussberichts dieser unabhängigen Gruppe wird über Gespräche zur möglichen Wiederaufnahme der Partei entschieden werden. Unter folgendem Link können Sie zudem die Pressemitteilung der EVP-Fraktion zur Suspendierung der Fidesz-Partei einsehen: https://www.epp.eu/press-releases/fidesz-membership-suspended-after-epp-political-assembly/.
Wie Sie, halte auch ich es für hochproblematisch, was in Ungarn in den vergangenen Jahren im Bereich der Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit und einer Reihe anderer Bereiche passiert ist. Mit der erwähnten Plakatkampagne war dann sicherlich noch eine weitere Grenze überschritten. Die EVP hat versucht eine Brücke zu bauen und Gesprächskanäle offen zu halten. Viktor Orban hat allerdings mit seinem Verhalten in den vergangenen Tagen und dem Treffen mit dem italienischen Lega-Chef ein klares Zeichen gesetzt, dass er die EVP verlassen wird. Ich schließe mich den Worten des EVP-Spitzenkandidaten Manfred Weber an: "Ungarn hat sich unter Ministerpräsident Viktor Orban in die falsche Richtung entwickelt".
Ich hoffe ich konnte Ihnen weiterhelfen.
Freundliche Grüße aus Brüssel,
Norbert LINS