Frage an Norbert Lins von Walter B. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Herr Lins,
gerade hat die Regierungspartei Fidesz unter Viktor Orban mit überwältigender Mehrheit die ungarischen Parlamentswahlen gewonnen. Orban demontiert seit Jahren die Unabhängigkeit der Justiz und der Medien und drangsaliert die Opposition. Im Wahlkampf hat er - wie schon einige Male zuvor - fremdenfeindliche, antisemitische und antieuropäische Töne angeschlagen. Als seine politischen Leitbilder hat er Russland, die Türkei und China genannt. Dennoch ist Fidesz gemeinsam mit der CDU Mitglied der EVP-Fraktion im Europaparlament.
Meine Fragen:
- Wie stehen Sie als Europaabgeordneter zur Fraktionsgemeinschaft mit Fidesz? Steht die Partei für christdemokratische Werte? Werden Sie sich dafür einsetzen die Fraktionsgemeinschaft aufzuheben?
- Wie soll die EU Ihrer Meinung nach mit Mitgliedsstaaten umgehen, die den demokratischen Rechtsstaat im Inneren gefährden, sich den Gegnern der EU andienen, europäische Werte mit Füßen treten und dafür das Votum ihrer Bevölkerung bekommen?
Über Antworten würde ich mich freuen.
Sehr geehrter Herr B.,
haben Sie recht herzlichen Dank für Ihre Anfrage und bitte entschuldigen Sie die verspätete Rückmeldung.
Mit den Fidesz-Kollegen hier im Europäischen Parlament konnten wir die letzten Jahre bei diversen Themen erfolgreich zusammenarbeiten. Zudem konnten wir sie in gemeinsamen Gesprächen oft davon überzeugen, ihre Positionen zu überdenken und abzuändern. Natürlich gibt es aber auch innerhalb der EVP klare Grenzen, nach links wie nach rechts.
Orbans Auftritt und Rede vor dem Europäischen Parlament in Straßburg vor zwei Wochen hat seine Kritiker nicht verstummen lassen und auch seine Parteikollegen eher irritiert als versöhnt. Aus diesem Grund haben die Mehrheit der CDU-Abgeordneten und ich am 12. September für das Artikel-7-Verfahren gestimmt. Dennoch sollten keine vorschnellen Schlüsse gezogen werden. Wichtig ist, dass das Verfahren objektiv betrieben und nicht parteipolitisch instrumentalisiert wird.
Der vorliegende Sargentini-Bericht ist ein rein politisierter und polemischer Bericht, der viele Dinge aufgreift, die mit der Frage der Rechtsstaatlichkeit nichts zu tun haben. Von Stil, Form und falschen Inhalten her hätten wir den Bericht eigentlich ablehnen müssen. Die Vorgehensweise der Berichterstatterin und etlicher Kollegen der anderen Fraktionen diskreditieren damit das vorgesehene Verfahren.
Sollte es zum Artikel-7-Verfahren kommen, muss dieses objektiv, ergebnisoffen und nicht parteipolitisch instrumentalisiert sein. Nur dann kann man zu einer aussagekräftigen Einschätzung kommen.
Zu Ihrer zweiten Frage:
Artikel 7 ist das richtige Instrument hierfür. Die EU kann sich nur an Recht und Gesetz halten. Würde sie nach eigenem Gutdünken und willkürlich agieren, würde das den EU-Skeptikern in den Ländern noch mehr Auftrieb verleihen und Rechtfertigung für ihre Argumente liefern.
Auch ich betrachte die Situation in manchen Ländern mit Sorge. Letztlich stellen die Skeptiker aber auch nur einen Teil der Gesellschaft dar. Es gibt dort auch viele EU-Befürworter. Deren Stellung müssen wir mit einer sachlichen und vernünftigen Herangehensweise stärken.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Lins