Frage an Norbert Königshofen von Andreas L. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Hr. Königshofen,
kürzlich haben sie für eine Verlängerung des ISAF Einsatzes der Bundeswehr gestimmt, dies habe ich mit bedauern festgestellt.
Dieser Einsatz wird meines Wissens weiterhin aufgrund der Anschläge vom 11.Sep 2001 legitimiert, aufgrund dessen auch die US Militärs ihren Angriffskrieg starteten. Nun sind die offiziellen "Beweise" seitens der US Regierung, welche die Gebäudeeinstürze (WTC 1,2 und 7) erklären sollen mehr als abenteuerlich, um es mal so auszudrücken. (Weitere Informationen zu diesem Thema liefere ich gerne, wenn gewünscht, das würde aber jetzt den Rahmen sprengen) Von den anderen beiden Einschlägen einmal abgesehen. Auch die Begründungen, wie gleich 4 Maschinen die beste Luftraumsicherung der Welt umgehen konnten sind stark anzuzweifeln. Dies zu sagen wird aber im Normalfall als Verschwörungstheorie abgetan.
Vor allem, wieso wird nicht offiziell nach Usama Bin Laden in diesem Zusammenhang seitens des FBI gefahndet? (http://www.fbi.gov/wanted/topten/fugitives/laden.htm) Das ist m.E. doch der Kernpunkt, weswegen Afghanistan angegriffen wurde. Ähnlich dem Irak und den nie gefundenen Massenvernichtungswaffen.
Ist ihnen auch bekannt, dass in Afghanistan mit Geschossen und Bomben aus abgereichertem Uran gekämpft wurde? Sind ihnen die weitreichenden Folgen dieser Munition bekannt und deren Auswirkungen auf Mensch und Natur, also auch auf die deutschen Soldaten vor Ort? Falls nicht empfehle ich die WDR Doku - Der Arzt und die verstrahlten Kinder von Basra. Zu finden in den bekannten Videoportalen. Auch wenn es sich dort um den Irak handelt, das sind nur geografische Unterschiede.
Vorgestern wurden wieder 2 deutsche Soldaten getötet in diesem sinnlosen Krieg. Mit welcher Begründung stimmen sie also für eine Verlängerung des Mandats?
Viele Grüße
Andreas Luthe
Verlängerung des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr
Sehr geehrter Herr Luthe,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 23.10.2008, in dem Sie sich kritisch mit dem Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan auseinandersetzen. Ihre Beteiligung an der sicherheitspolitischen Diskussion begrüße ich ausdrücklich und bedanke mich für Ihren Beitrag.
Da ich mit Ihrer Bewertung der Situation jedoch nicht in allen Punkten übereinstimme, möchte ich die Gelegenheit nutzen, meinen Standpunkt darzulegen sowie einige Detailinformationen zu liefern.
Vor dem Eingreifen der internationalen Gemeinschaft bestand in Afghanistan eine durch die Taliban errichtete Schreckensherrschaft, in der fundamentalste Menschenrechte missachtet wurden. Darüber hinaus war Afghanistan ein Rückzugsraum und Trainingsgebiet für Extremisten, die mit Ihrer Gewalt alle liberalen Gesellschaften bedrohten. Aufgrund der weitreichenden Verquickung zwischen der Taliban-Regierung und Al-Qaida wurde den USA in der Folge der Anschläge vom 11. September 2001 vom UN-Sicherheitsrat das Recht auf Selbstverteidigung zuerkannt. Der folgende Einsatz amerikanisch geführter Streitkräfte in Afghanistan hatte den Sturz der Taliban zur Folge.
Seither engagieren sich verschiedene Nationen im Land in dem Bestreben, den Terrorismus zurückzudrängen und rechtsstaatliche Strukturen zu etablieren. Dieses ist im unmittelbaren Interesse der deutschen Sicherheitspolitik, da auch die Bundesrepublik vom internationalen Terrorismus bedroht ist, wie aktuelle Beispiele immer wieder zeigen. Das übergreifende Ziel des Einsatzes ist es, die afghanischen Behörden in die Lage zu versetzen, selbst für Sicherheit und Stabilität in ihrem Land zu sorgen.
Die International Security Assistance Force (ISAF) ist eine durch den UN-Sicherheitsrat mandatierte Mission unter Führung der NATO aufgrund der Ursprungsresolution 1386. Ziel der Mission ist die Unterstützung der afghanischen Regierung bei der Schaffung eines sicheren Umfeldes und leistungsfähiger Sicherheitsorgane für den Wiederaufbau Afghanistans. Die Bundeswehr ist durch einen Beschluss des Parlaments seit dem 22. Dezember 2001 (BT-Drucksache: 14/7930 und Verlängerungen) am ISAF-Einsatz in Afghanistan beteiligt. Teil der ISAF-Mission ist auch der Einsatz der Aufklärungstornados der Bundeswehr, deren Aufgaben Aufklärung, Überwachung und Auswertung aus der Luft umfassen. Aktuell wurde das ISAF-Mandat im deutschen Bundestag in seinem Umfang von 3500 auf 4500 Soldatinnen und Soldaten erhöht (BT-Drucksache 16/10473).
Eine Erweiterung des Mandats bedeutet nicht, dass dieser Rahmen zwangsläufig ausgeschöpft wird. Viel eher geht es darum, mehr personellen Spielraum zu erhalten, um in unvorhergesehenen Situationen flexibel reagieren zu können. In der Vergangenheit hatte sich das bisherige Mandat vielfach als zu knapp bemessen erwiesen. Grund hierfür sind auch die gestiegenen Aufgaben und Anforderungen in diesem Einsatz. Insbesondere vor dem Hintergrund der zweiten Präsidentschaftswahlen, die 2009 in Afghanistan stattfinden und zu deren Absicherung die Bundeswehr beiträgt, ist mehr Flexibilität wünschenswert. Dem Einsatz der deutschen Streitkräfte liegt das Prinzip der „Vernetzten Sicherheit“ zugrunde. Dieser Ansatz sieht eine multilateral angelegte, ressortübergreifende Zusammenarbeit vor. Sicherheitspolitik ist weder rein national definiert, noch beschränkt sie sich ausschließlich auf politische oder militärische Instrumente. Das Ziel ist es, nicht nur militärische, polizeiliche und nachrichtendienstliche, sondern auch gesellschaftliche, ökonomische und kulturelle Faktoren in einem multinationalen Konzept wirksam aufeinander abzustimmen. Der Erfolg der zivilen Wiederaufbaubemühungen ist dabei ein essentielles Interesse der Streitkräfte. Nur mit einer funktionierenden wirtschaftlichen und sozialen Infrastruktur kann sich eine selbsttragende stabile Sicherheitslage entwickeln.
Auf der anderen Seite ist dieser Aufbau momentan unmöglich ohne einen robusten militärischen Schutzschirm, unter dem sich die zivilgesellschaftlichen Prozesse entfalten können. Recht deutlich äußert sich diese Wechselwirkung darin, dass staatliche Hilfsorganisationen und NGOs nur in den Sphären relativer militärischer Sicherheit, wie etwa in Kabul oder im Norden Afghanistans, erfolgreich arbeiten. In den umkämpften Gebieten im Süden Afghanistans – wo zivile Organisationen Anschläge und Entführungen befürchten müssen – ist die humanitäre Hilfe fast gänzlich zum Erliegen gekommen. Da nur durch das gleichzeitige Stärken beider Säulen – zivilem Aufbau und militärischem Schutz – Fortschritte zu erreichen sind, wird versucht durch die vernetzte Sicherheit eine möglichst enge Abstimmung zu erreichen. Das neue Fähigkeitsprofil, das sich hieraus für die Bundeswehr ergibt, hat der Bundesminister der Verteidigung, Dr. Franz Josef Jung, unter den Oberbegriffen „Schützen, Helfen, Vermitteln, Kämpfen“ zusammengefasst.
Bei allen Bemühungen wird natürlich auch das Prinzip des „Afghan Ownership“, also die Verantwortlichkeit der afghanischen Stellen betont. Die Ausbildung der afghanischen Militärund Sicherheitskräfte hat eine hohe Priorität. Als Folge tragen die afghanischen Sicherheitskräfte mittlerweile in großem Maßeselbst zur Herstellung der Sicherheit in ihrem Land bei und beteiligen sich an gemeinsamen Operationen, um diesen zunehmend ein„afghanisches Gesicht“ geben. Zudem setzt sich die Bundesregierung als Mitinitiator der Europäischen Polizeimission EUPOL dafür ein, dass der Aufbau der nationalen Polizei in Afghanistan weiter voranschreitet. Die dafür vorgesehenen Mittel hat die Bundesregierung von 12 Mio. Euro für 2007 auf 35,7 Mio. Euro für 2008 verdreifacht.
Die fortlaufenden Bemühungen der in Afghanistan engagierten Staaten haben bereits zu eindeutigen Erfolgen geführt. So wurden die Menschenrechte und die Rechtsstaatlichkeit durch die Verabschiedung der Verfassung und verschiedener Gesetze auf ein in Afghanistan bisher unbekanntes Niveau gehoben. In der Verfassung werden z.B. Frauen und Männer gleichgestellt, die wichtigsten internationalen Menschenrechtsabkommen haben Verfassungsrang und traditionelle Formen der Unterdrückung sind verboten worden. Darüber hinaus hat die afghanische Regierung im Jahr 2008 zunehmend Eigenverantwortung im Wiederaufbauprozess übernommen und eine auf fünf Jahre angelegte Nationale Entwicklungsstrategie (ANDS, Afghanistan National Development Strategy) vorgestellt.
Befördert wird die positive Entwicklung durch den voranschreitenden Aufbau von staatlichen Institutionen und Fachkräften. Hieraus resultieren beispielsweise Erfolge im Bildungssektor (fast 75% aller Jungen und 35% aller Mädchen gehen inzwischen zur Schule) und im Gesundheitsbereich (85% der Bevölkerung haben jetzt Zugang zu medizinischer Basisversorgung). Auch die Zahl nationaler Entwicklungsprogramme wie das National Solidarity Programme, welches bereits über 20.000 Projekte erfolgreich beendet hat und aktuell 18.000 weitere betreibt, ist weiter ansteigend. Darüber hinaus engagieren sich 21.000 gewählte Gemeinderäte speziell im Bereich Entwicklung.
Die Drogenproblematik betreffend, unterstützt die Bundesregierung die afghanische Regierung und die Partner der internationalen Gemeinschaft. Diese können seit der Londoner Konferenz 2006 auf eine detaillierte Drogenbekämpfungsstrategie zurückgreifen. Die Komplexität des Drogenproblems beeinflusst alle Bereiche des Wiederaufbaus. Die Bekämpfung erfordert ein langfristig angelegtes und umfassendes Vorgehen, welches nur erfolgreich sein kann, wenn wir wirtschaftliche Alternativen zum Drogenanbau schaffen.
Eine schnelle Lösung für diesen Missstand wird es nicht geben. Fortschritte werden jedoch dadurch sichtbar, dass die Summe der Anbauflächen für Mohn im Norden des Landes, in dem die Bundeswehr im Einsatz ist, insgesamt rückläufig ist. Ein Rückzug der Bundeswehr zum jetzigen Zeitpunkt würde lediglich dazu führen, alle Fortschritte, die bisher gemacht worden sind, in Frage zu stellen. Im Falle eines Endes des Engagements der internationalen Streitkräfte, würde das Land innerhalb kürzester Zeit wieder zu einer Ausbildungsstätte für Terroristen werden, von denen auch für die deutsche Bevölkerung eine direkte Bedrohung ausgehen würde. Ein Rückzug aus Afghanistan würde Deutschland nicht vor Terroranschlägen schützen, wie manche behaupten. Man würde sich bestenfalls das kurzfristige Wohlwollen von jenen Fanatikern erkaufen, die Errungenschaften wie Demokratie und Menschenrechte als dekadent und schwach verachten. Viel dramatischer wären jedoch die Auswirkungen in Afghanistan selbst. Durch einen Rückzug würde man alle Afghanen im Stich lassen, die sich keine Rückkehr in das Mittelalter und zu den Gewaltorgien der Taliban wünschen. Deutschlands Glaubwürdigkeit als ehrlicher Vertreterhumanitärer Grundwerte stünde zur Disposition, wenn wir uns im Angesicht solcher Perspektiven unserer Verantwortung entziehen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Königshofen