Frage an Norbert Königshofen von Sandra H. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrter Herr Königshofen,
wie ich soeben sehe, haben Sie am 18. Juni bei der Abstimmung bzgl. der Patientenverfügung gegen den sog. Stünker-Antrag gestimmt. Mich würden die Gründe für Ihr Abstimmungsverhalten interessieren. Vielen Dank im Voraus!
Mit freundlichen Grüßen
Sandra Hohmann
Sehr geehrte Frau Hohmann,
vielen Dank für Ihre Frage vom 02. August 2009, in der Sie auf das Gesetzgebungsverfahren zur Regelung der Patientenverfügung eingehen.
Am 18.06.2009 ist dieses Gesetzgebungsverfahren mit der 2./3. Lesung der hierzu im Bundestag eingebrachten Gruppenanträge und der Annahme des Entwurfs des Abgeordneten Stünker u.a. (Drs. 16/8442) abgeschlossen worden. Wie Sie bereits wissen, habe ich diesen Entwurf nicht unterstützt, sondern für den von 114 Kollegen eingebrachten Entwurf der Abgeordneten Bosbach (CDU/CSU), Röspel (SPD), Göring-Eckardt (Grüne) und Fricke (FDP) für ein Patientenverfügungsgesetz (Drs. 16/11360) gestimmt.
Der Entwurf sah eine Regelung der Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und der Patientenverfügung vor, wobei es zwei Typen von Patientenverfügung geben sollte:
Die einfache Patientenverfügung sollte nur Schriftform und die eigenhändige Unterschrift des Betroffenen erfordern. Der qualifizierten Patientenverfügung sollte eine umfassende ärztliche Aufklärung vorausgehen und alle 5 Jahre eine Bestätigung folgen.
Dieser Entwurf hat versucht, das Selbstbestimmungsrecht, das Patientenwohl und die Würde im Sterben in Fällen zu sichern, in denen jemand über die Vornahme einer Behandlung nicht mehr selbst entscheiden kann, und zugleich das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu sichern, um so beide Aspekte zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Leider hat dieser Entwurf im Bundestag keine Mehrheit gefunden.
Mit der Annahme des Stünker-Entwurfs werden nun Patientenverfügungen auch ohne vorherige ärztliche Beratung des Betroffenen für Arzt und Betreuer unbegrenzt verbindlich sein, selbst wenn eine medizinisch indizierte lebenserhaltende Behandlung abgebrochen werden muss und der Betroffene gar nicht unheilbar krank ist oder unwiederbringlich das Bewusstsein verloren hat. Damit wird es in Zukunft im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig sein, Formulierungen in einer (bestehenden oder neu verfassten) Patientenverfügung sehr genau zu überlegen und am besten mit einem Arzt und einem Juristen zu besprechen. Denn die unbegrenzt verbindliche Patientenverfügung kann zu einem scharfen, gegen das eigene Leben gerichteten Instrument werden, da sie Ärzten und Betreuern nicht mehr - auch nicht im besten Interesse des selber nicht äußerungsfähigen Patienten - ein Absehen von unbedachten, missverständlichen oder irrtümlichen Verfügungen erlaubt.
Dadurch wird die bisherige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Reichweitenbegrenzung bei der passiven Sterbehilfe bewusst konterkariert. Eine intensive Aufklärung und Beratung über die richtige Abfassung von Patientenverfügungen wird damit künftig zu einer wichtigen Aufgabe für Ärzte, Verbände und kirchliche Träger. Leider nimmt allerdings gerade der vom Bundestag nun angenommene Gesetzentwurf - anders als die konkurrierenden Entwürfe - die Beratung zur Patientenverfügung nicht in den Leistungskatalog der Gesetzlichen Krankenversicherung auf.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Königshofen