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Norbert Barthle
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Frage von Dittmar S. •

Frage an Norbert Barthle von Dittmar S. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Barthle,
CDU-Abgeordnete in Baden-Württemberg wollen, dass der Staat gegen die Stromkonzerne vorgeht, in dem die kostenlosen Klimazertifikate (auch genannt: Luftverschmutzungszertifikate bzw. CO2-Zertifikate bzw. Treibhausgasemissionsberechtigungen) mit Schenkungssteuer belegt werden. Bisher hat der Staat den Konzernen kostenlose diese Zertifikate überlassen. Die Folge war, dass die Stromkonzerne Milliardengewinne zu Lasten der privaten Stromverbraucher und der industriellen Stromkunden gemacht haben, in dem sie die Gratiszertifikate in die Strompreise eingerechnet haben.
Vergleiche hierzu auch http://www.zdf.de/ZDFde/inhalt/3/0,1872,3977219_4088064_TB,00.html

Dem Wähler und Verbraucher ist es schwer zu vermitteln, wie die Stromkonzerne vom Staat kostenlose Zertifikate erhalten und Milliardengewinne ausweisen und z. B. Kaufangebote für die Übernahme von ausländischen Energieversorgungsunternehmen in beliebiger Höhe abgeben können und auf der anderen Seite beliebig ihre Preise erhöhen können.

Meine Fragen an Sie lauten:

1.) Werden auch Sie bzw. Ihre Partei sich dafür einsetzen, dass die Stromkonzerne die Klimazertifikate nicht mehr zu Lasten der Stromverbraucher (insb. der privaten Stromkunden) mittels überhöhter Strompreise einsetzen?

2.) Was werden Sie bzw. Ihre Partei unternehmen, damit die Zertifikate in der zweiten Phase des Klimaschutzprogramms im Falle einer kostenlosen Überlassung mit Schenkungssteuer belegt werden?

3.) Werden Sie bzw. Ihre Partei sich für die von Herrn Kommissionspräsident Barroso geplante Entmachtung der Energieversorgungsunternehmen einsetzen bzw. was werden Sie und Ihre Partei allgemein unternehmen, damit die Stromkonzerne nicht weiterhin die Strompreise beliebig erhöhen können?

Mit freundlichen Grüßen

Dittmar Schock

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Antwort von
CDU

Sehr geehrter Herr Schock,

vielen Dank für Ihre Frage über abgeordnetenwatch.de. Die Antwort hat etwas länger gedauert, da die Debatte der Einschränkung der sogenannten „windfall profits“, die aus der kostenlosen Zuteilung an die Energieversorger entstanden sind, innerhalb der Unionsfraktion in vollem Gange ist. Vorab möchte ich Ihnen aber erläutern, dass selbst bei einer kostenlosen Zuteilung eine Einpreisung der Zertifikate ein berechtigter Vorgang ist.

Stromerzeugung aus fossilen Energieträgern führt zur Emission von Treibhausgasen, insbesondere CO2. Eine Beschränkung der Emissionsmöglichkeiten durch Zertifikate führt daher zu veränderten Stromerzeugungskosten für kohlenstoffhaltige Energieträger entsprechend ihrem Kohlenstoffanteil. Stromerzeuger, die über solche Kraftwerke verfügen, werden das Produkt dieser Kraftwerke nur dann am Markt anbieten können, wenn der Marktpreis über die Brennstoffkosten hinaus auch den Wert der CO2-Zertifikate, die auf diese Produktion entfallen, abdeckt. Dieser Wert ergibt sich aus dem Marktpreis der Zertifikate. Auch wenn die Unternehmen diese Zertifikate in der ersten Zuteilung kostenlos erhalten haben, müssen sie anschließende den Marktpreis der Zertifikate in die Preise ihrer Produkte einrechnen. Dafür gibt es zwei Gründe:

1.Da jederzeit die Möglichkeit besteht, Zertifikate zu verkaufen, ist es folgerichtig, auch selbst eingesetzte Zertifikate mit dem Marktpreis zu bewerten,

2. nur bei einem solchen Verhalten kann die Wirksamkeit des Instrumentes sichergestellt werden. Würden die Unternehmen die kostenlos erhaltenen Zertifikate nicht mit ihrem Marktwert bewerten und in ihre Preise einbeziehen, wäre das Emissionshandelssystem folgenlos und damit überflüssig. Der Sinn der Einführung dieses Systems besteht in der Internalisierung der Umweltkosten in die Produktpreise.

Daraus ergibt sich ein verändertes Kostengefüge mit entsprechender Auswirkung auf das Preisgefüge am Strommarkt bzw. dem Markt anderer Industrien, die am Zertifikatemarkt teilnehmen.

Im Grundsatz ist also gegen die Einpreisung des CO2-Zertifikatewertes nichts einzuwenden, er ist sogar politisch Ziel des Emissionshandels. Schließlich erhält die „Verschmutzung“ durch einen Energieerzeugung einen Preis.

Nun handelt es sich bei Strommarkt aber um einen unvollkommenen Wettbewerbsmarkt. Daher hat das Bundeskartellamt Ende letzen Jahres in einem Verfahren gegen RWE vorab entschieden, dass nur eine Überwälzung des Zertifikatewertes von bis zu 25 Prozent gerechtfertig ist. Alles darüber hinaus ist ein Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung. Ein endgültiger Beschluss in diesem Fall steht noch aus.

Daher folgende Antwort auf Ihre Frage 1 und 2:

In der CDU/CSU-Bundestagsfraktion diskutieren wir statt der Erhebung einer Schenkungssteuer die Gratiszuteilung der Zertifikate einzuschränken. Die EU-Richtlinie zum Emissionshandel erlaubt dies ausdrücklich bis zu einer Grenze von 10% der Gesamtzertifikate. Vorstellbar ist die Zuteilung zu einem Festpreis oder aber durch eine Versteigerung. Knackpunkte und Auswirkungen lassen wir momentan prüfen, denn schließlich würden dann aus den so genannten Opportunitätskosten aus der Gratiszuteilung reale Kosten aus dem Erwerb der Zertifikate werden. Sollten wir dieses Instrument umsetzen, werden wir die erwirtschafteten Mittel (je nach CO2-Preis 500 Mio. bis 1 Mrd. Euro) zur Entlastung der privaten und gewerblichen Stromverbraucher nutzen.

Im Grundsatz hätte eine Steuer eine ähnliche Wirkung, würde aber einen zusätzlichen Preisaufschlag beim Strom bedeuten, da schließlich die Unternehmen die Schenkungssteuer an die Endkunden weitergeben. Damit würde keine Nettoentlastung entstehen.

Zu Ihrer Frage 3:

Die EU-Kommission will ebenso wie die Bundesregierung die Liberalisierung auf den Energiemärkten vorantreiben. Mit der Novelle des Energiewirtschaftsgesetzes im Jahr 2005 sind wir in Deutschland hier ein gutes Stück vorwärts gekommen. Das Gesetz trägt deutlich die Handschrift der Union. Der Zugang für neue Anbieter wird durch Netzentgeltregulierung und Gewährleistung eines diskriminierungsfreien Marktzugangs erheblich erleichtert. So erhöht sich die Liquidität am Markt und wird in Zukunft zu sinkenden Strompreisen führen. Von den derzeit geplanten Kraftwerksneubauten sind rund 50% von neuen Anbietern, wie etwa Stadtwerken oder ausländischen Energieversorgern.

Von den bisher angekündigten Kraftwerksprojekten mit einer Leistung von 27.000 MW ist rund die Hälfte von neuen Anbietern. Damit diese auch zu Stande kommen und weitere folgen, muss der Wettbewerbsrahmen stimmen. Dabei darf die rechtliche Entflechtung nur die Ultima Ratio sein. Vorrang hat der Abbau von Markthindernissen. Dazu gehören:

Effektive Kontrolle der Energienetze fortsetzen. Trotz vorbildlicher Arbeit der Regulierungsbehörden in Bund und Ländern, ist bislang nur ein Bruchteil der Netzentgelte genehmigt. Kann das Tempo nicht erhöht werden, müssen wir die Bundesnetzagentur personell stärken. Darüber hinaus ist die Union für eine rasche Umsetzung der Anreizregulierung, um die Kosteneffizienz im Netz weiter zu erhöhen.

Einen diskriminierungsfreien Netzzugangs für neue Kraftwerksbetreiber gewährleisten. Das Bundeswirtschaftsministerium arbeitet mit Hochdruck an einer Anschlussverordnung, um technische und bürokratische Hürden zu beseitigen. Dies unterstützt die Unionsfraktion ausdrücklich und fordert eine rasche Umsetzung noch vor Jahreswechsel.

Grenzübergreifenden Stromhandel verstärken. Ein Ausbau der Kuppelstellen und deren marktgerechte Bewirtschaftung erhöhen die Marktliquidität. Hier unterstützt die Union die Bundesnetzagentur, den Ausbau voranzutreiben.

Das zweite Binnenmarktpaket Energie in allen EU-Mitgliedsländern vollständig umsetzen. Von diesem Ziel sind wir noch weit entfernt. Bevor in Brüssel über weitere Maßnahmen entschieden wird, muss die Kommission den Handlungsdruck auf die Nachzügler erhöhen. Die deutsche Ratspräsidentschaft in der ersten Hälfte 2007 gilt es zu nutzen, um europaweit eine vollständige Öffnung der Märkte für Strom und Gas zu erreichen.

Bis diese Ansätze greifen, spricht nichts dagegen, das Kartellrecht zu stärken, um Marktmissbrauch zu unterbinden. Den Vorstoß aus dem Bundeswirtschaftsministerium unterstützt die Union ausdrücklich.

Dauerhafte Preisregulierung lehne ich hingegen ab. Damit wird man dem Kunden nicht helfen. Im Gegenteil: Die Tarifkontrolle gewährt ein staatliches Gütesiegel, das die Preispolitik der etablierten Unternehmen stützt. Am Ende belohnt sie ineffizientes Verhalten und schwächt den Wettbewerb.

Ich hoffe, ich konnte Ihnen ausreichend unsere Position zu Ihren Fragen darlegen.

Mit freundlichen Grüßen nach Sulzbach

Ihr Norbert Barthle