Frage an Norbert Barthle von Florian M. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Guten Tag Herr Barthle,
was würden Sie von einer Bestimmung halten, wonach Arbeitgeber von gewissen Regelungen entbunden werden können, so dass sie ihre Angestellten auch nach individuell festgelegten Kriterien einstellen, behandeln und kündigen dürfen?
So sollte es z.B. möglich sein, auch das Privatleben der Mitarbeiter nach diesen Kriterien zu bewerten und ggf. bei unerwünschtem Verhalten im Privatleben (z.B. homosexuelle Beziehung) eine Kündigung auszusprechen.
Ein Arbeitnehmer, der mit diesen Regelungen des jeweiligen Arbeitgebers nicht einverstanden ist, wäre ja nicht gezwungen, sich genau dort zu bewerben, sondern könnte sich einen Arbeitgeber suchen, mit dessen Kriterien er übereinstimmt.
Genau so argumentieren Sie ja im Fall der katholischen Kirche, die in vielen öffentlich finanzierten Einrichtungen als Arbeitgeber auftritt und ihre Mitarbeiter auch nach religiösen Kriterien einstellt, bewertet und kündigt. Also frage ich Sie, ob eine derartige Liberalisierung nicht für alle Arbeitgeber erstrebenswert wäre, und falls nicht, warum die Kirche in einem säkularen Land diese Vorzüge genießt und wielange noch?
Vielen Dank im Voraus für Ihre Antwort,
mit freundlichen Grüßen
Florian Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
vielen Dank für Ihre Frage.
Wir achten die verfassungsrechtliche Bestimmung, nach der die Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Angelegenheiten selbständig ordnen und verwalten können (nachzulesen in Art. 140 Grundgesetz i.V. Art. 137 Abs. 3 WRV).
Zur Wahrnehmung dieses kirchlichen Selbstbestimmungsrechtes gehört auch die Ausgestaltung ihrer Dienstverhältnisse, wie durch die Rechtsprechung wiederholt bestätigt wurde. An dieser bewährten staatskirchenrechtlichen Regelung halten wir fest. Dies ist im Übrigen auch Ausdruck unserer Wertschätzung gegenüber den vielfältigen Leistungen, welche die Kirchen gerade durch die von Ihnen angesprochenen Sozialeinrichtungen in kirchlicher Trägerschaft leisten und die allen Bürgerinnen und Bürgern unserer Gesellschaft unabhängig von ihrem Glauben zugutekommen. Die Kirchen leisten durch diese und zahlreiche andere Dienste einen erheblichen Beitrag für das Gemeinwohl, den der Staat kaum oder nur mit größten Anstrengungen selbst schultern könnte.
Es entspricht dem Prinzip der Subsidiarität unseres Sozialstaates, dass freie Träger gesellschaftliche und staatliche Aufgaben wahrnehmen und dass die Einrichtungen in kirchlicher Trägerschaft ebenso wie andere freie Träger auch Zuschüsse für Leistungen, die sie im oben angeführten Sinne für die Gesamtgesellschaft erbringen, erhalten.
Die von Ihnen gestellten Fragen fallen in den Bereich der von den Kirchen und Religionsgemeinschaften selbst auszugestaltenden Regelungen ihrer Arbeitsverhältnisse. Nach unserer Auffassung sollte es aus gutem Grund Sache der Kirchen selbst bleiben, die Einzelheiten dazu im Bereich der ihnen verfassungsrechtlich zugestandenen Selbstbestimmung zu regeln. Trotzdem bin ich gerne bereit, Ihnen einige weiterführende Überlegungen zu Ihren Fragen mitzuteilen:
Aus der verfassungsrechtlichen Autonomie (s.o.) der Kirchen folgt, dass sie in kirchlichen Einrichtungen ihr Arbeitsrecht so ausgestalten können, dass sie (innerhalb der Grundprinzipien unserer Rechtsordnung) ihrem christlichen Selbstverständnis gerecht werden können. Da nur die Religionsgemeinschaften selbst definieren können, was aus ihren Glaubensinhalten für ihre als Dienstgemeinschaft verstandenen Arbeitsverhältnisse folgt, kann sich der weltanschaulich neutrale Staat hier m. E. nicht einmischen.
Noch ein kleiner Hinweis: Aufgrund des Fachkräftemangels in Pflegeberufen, der in Deutschland derzeit herrscht, können Arbeitswillige frei und problemlos zwischen verschiedenen Arbeitgebern (kommunal, private, kirchliche) wählen. Im Übrigen werden kirchliche Krankenhäuser, Altenhilfeeinrichtungen oder ambulante Pflegeeinrichtungen kaum noch aus staatlichen Mitteln finanziert. Die Vergütungen der Kranken- und Pflegekassen oder der Rentenversicherung sind Leistungen für den betreffenden Versicherten, der sich in freier Wahl für eine kirchliche Einrichtung entschieden hat.
Das kirchliche Arbeitsrecht hat sich (für alle Seiten) bewährt und wird es nach unserem Dafürhalten auch weiterhin tun - wir freuen uns, dass beide großen christlichen Kirchen ihre Verantwortung gegenüber den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in jüngster Zeit unterstrichen und damit deutlich gemacht haben, dass sie Kritik, die am Dritten Weg geäußert wird, ernst nehmen. So haben die beiden großen christlichen Kirchen Zusagen gemacht, für eine konsequente Umsetzung des Dritten Weges in allen ihren Einrichtungen einzutreten und auf einzelne Fälle mit Sanktionierung oder gar Ausschluss von Einrichtungen zu reagieren, in denen seine Anwendung beispielsweise durch Ausgliederungen unterlaufen wurde. Wir sind überzeugt davon, dass das den Kirchen in eigener Verantwortung zum Wohle aller Beteiligten in der Dienstgemeinschaft gut gelingen wird und sehen daher von politischer Seite keine Notwendigkeit, an den bestehenden Regelungen etwas zu ändern. Dies schließt nicht aus, dass wir es begrüßen, wenn die Kirchen selbst sich zu Anpassungen und Änderungen innerhalb ihres selbständig geregelten Bereiches entschließen (wie es beispielsweise seitens der Deutschen Bischofskonferenz durch eine Überarbeitung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes des VDD im Juni 2011 geschehen ist oder seitens der EKD durch die Beschlüsse der Synode vom November 2011 oder durch die neu eingesetzte Arbeitsgruppe des Rates, die weitere Schritte zur Verbesserung ausarbeiten wird) - in diese Prozesse hat die Politik eines weltanschaulich neutralen Staates jedoch nicht einzugreifen.
Mit freundlichen Grüßen nach Oberschleißheim
Norbert Barthle