Frage an Norbert Barthle von Alfons S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Barthle,
die Europäische Zentralbank (EZB) kauft laufend Staatsanleihen auf dem Sekundärmarkt. Welche Rechtsgrundlage gibt es hierfür, wie ist die Haftung Deutschlands bei Verlusten aus diesen Ankäufen und welchen Einfluss hat der Deutsche Bundestag auf diese Verluste? In der Broschüre "Die Ausschüsse des Deutschen Bundestages" steht: "Denn kein Cent fließt, den das Parlament nicht vorher gebilligt hat. Das viel zitierte ´Königsrecht´ hat sich das Parlament hart erkämpft. Der Haushaltsausschuss kontrolliert Punkt für Punkt, wohin das Geld des Steuerzahlers fließen soll." Wie ist das Haushaltsrecht des Parlaments mit der Haftung für Verluste der EZB vereinbar?
Nach Pressemeldungen vom 21.12.2011 hat die EZB den Banken der Eurozone grenzenlos Geld zur Verfügung gestellt. Als Sicherheit nimmt sie Staatsanleihen, die auf dem Markt unverkäuflich sind. Wenn hier Verluste auftreten, haftet dann auch Deutschland, ohne dass der Bundestag ein Wort mitzureden hat? Ist das mit dem Grundgesetz vereinbar?
Freundliche Grüße
Alfons Schwarzenböck
Sehr geehrter Herr Schwarzenböck,
vielen Dank für Ihre Frage.
Gemäß Art. 123 AEUV ist der unmittelbare Erwerb von Schuldtiteln durch die Europäische Zentralbank oder die nationalen Zentralbanken verboten, nicht aber der Kauf von Anleihen auf dem Sekundärmarkt. Aus guten Gründen ist die EZB mit dem Maastricht-Vertrag als absolut unabhängige Zentralbank installiert worden. Nach Artikel 130 AEUV darf weder die EZB noch eine nationale Zentralbank noch ein Mitglied ihrer Beschlussorgane Weisungen von Organen, Einrichtungen oder sonstigen Stellen der Union, Regierungen der Mitgliedstaaten oder anderen Stellen einholen oder entgegennehmen. Weder der Deutsche Bundestag noch andere nationale Parlamente bzw. Regierungen haben also einen Einfluss auf geldpolitische Entscheidungen der EZB. Wer eine unabhängige Zentralbank will, die stabile Preise sicherstellt, muss das in Kauf nehmen. Ich bin fest davon überzeugt, dass diese Konstruktion überaus sinnvoll ist und sich gerade auch in der aktuellen Staatsschuldenkrise absolut bewährt.
Falls die EZB einen Verlust erwirtschaftet, kann der Fehlbetrag gemäß Art. 33 der Satzung des ESZB aus dem allgemeinen Reservefonds der EZB und erforderlichenfalls aus den monetären Einkünften des betreffenden Geschäftsjahres im Verhältnis und bis in Höhe der Beträge gezahlt werden, die nach Artikel 32.5 der Satzung (gemäß Kapitalanteil) an die nationalen Zentralbanken verteilt werden. In letzter Konsequenz ist eine Belastung des Bundeshaushalts etwa über eine geringere Gewinnabführung der Bundesbank an den Bundeshaushalt nicht ausgeschlossen. Ich möchte aber noch einmal betonen, dass wir uns aus guten Gründen und wohlüberlegt für eine unabhängige EZB entschieden haben. Das heißt eben auch, dass wir ihre Entscheidungen und auch etwaige Konsequenzen akzeptieren müssen. Ihre Formulierung legt den Eindruck nahe, dass Sie mit massiven Verlusten für die EZB rechnen. Diese Einschätzung würde ich nicht teilen. Ich glaube, die Eurozone ist auf dem richtigen Weg, in diesem Jahr wieder in ruhigeres Fahrwasser zu gelangen. Ich gehe davon aus, dass die EZB mittelfristig einen Gewinn mit ihrem Anleihekaufprogramm machen kann.
Mit freundlichen Grüßen nach Aschau
Ihr Norbert Barthle