Frage an Norbert Barthle von Ottmar M. bezüglich Finanzen
Guten Tag Herr Barthle,
in einer Sendung des DLF erklärten Sie, dass Sie nicht von Ihren Kindern gefragt werden wollen, weshalb ihnen so ein Schuldenstaat hinterlassen worden sei.
Ihr Büro mühte sich zwar redlich, eine plausible Antwort auf die Frage zu geben, wie Sie denn dazu beitragen wollen, keinen Schuldenstaat zu hinterlassen. Leider gelang dies überhaupt nicht.
Herr Barthle, wie wollen Sie denn nun dazu beitragen, Ihren Kindern keinen Schuldenstaat zu hinterlassen?
Mit einem Sparpaket, dass bei genauerem Hinsehen keines ist, da die Besserverdienenden, wie es die „Süddeutsche“ berichtet hat, überrascht waren, dass sie nicht mehr zur Sanierung der Staatsfinanzen beitragen sollen, kann wohl schwerlich das erforderliche Volumen generiert werden, zumal zahlreiche Positionen völlig unklar sind. Dieses Sparpaket ist ja auch nicht das erste. Seit Jahren betrieben die letzten Regierungen „Sparpolitik“, ein „Sparpaket“ jagte das nächste! Diese „Sparpolitik“ hat aber lediglich dazu geführt, dass die Reichen reicher, die Armen ärmer und die Staatsschulden massiv gestiegen sind.
Nicht nur ich stelle mir die Frage, wie die Staatsschulden verringert werden sollen, wenn einerseits irgendwelche Sparpakete aufgelegt, Schuldenbremsen vereinbart und gleichzeitig Unsummen für überflüssige Projekte wie Stuttgart 21 ausgegeben werden. Was Stuttgart 21 den Bürger tatsächlich kosten wird, weiß bis heute niemand. Tatsache ist, dass die geplanten Kosten Jahr für Jahr massiv steigen und es wohl mehr als unrealistisch ist, dass der Kostenrahmen eingehalten wird.
Herr Barthle, Sie sitzen im Haushaltsausschuss des Bundestages, wie sieht Ihr Beitrag zum Abbau der Staatsschulden denn nun aus?
Hochachtungsvoll
O. Müller
Sehr geehrter Herr Müller,
ich habe mir den eMail-Verkehr zwischen Ihnen und meinen Mitarbeitern angeschaut und kann durchaus gelungene Versuche meiner Mitarbeiter erkennen, auf Ihre langen, langen eMails zu antworten. Wenn es zu Verständnisproblemen kommt, kommen grundsätzlich beide Teilnehmer als mögliche Quelle in Frage...
Sie kritisieren zu recht, daß in der Vergangenheit sehr häufig vom "Sparen" und von "Sparpaketen" geredet worden ist, ohne daß die damit verbundenen Maßnahmen tatsächlich ergriffen worden sind. Ohnehin verwendet die Politik einen Sparbegriff, der dem normalen Sprachgebrauch nicht entspricht. Die Bürgerinnen und Bürger sparen, indem sie Geld nicht ausgeben, das sie haben; in der Politik geben sich viele schon damit zufrieden, Geld nicht auszugeben, das man nicht hat. Doch schaut man auf die vergangenen fünf Jahre, schaut man auf die Kanzlerschaft von Angela Merkel, so haben wir meines Erachtens einen echten Paradigmenwechsel erlebt. Unter Angela Merkel und Finanzminister Peer Steinbrück war ein klarer Abbaupfad hinsichtlich der Neuverschuldung vorgegeben: Spätestens 2011, m.E. bereits 2010 hätten wir auch im Bund zumindest keine neue Nettokreditaufnahme gehabt und in den weiteren Jahren mit dem Schuldenabbau begonnen.
Die Finanzkrise hat uns leider einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir haben durch das Wirkenlassen der sogenannten "automatischen Stabilisatoren", durch Konjunkturprogramme und auch z.B. die Ausweitung des Kurzarbeitergelds die Folgen dieser Krise für Deutschland so massiv gedämpft, daß mich Bürger schon fragen, ob das mit dem Gerede über die Krise nicht übertrieben sei, sie hätten gar nichts davon gemerkt. Wir sind nicht nur europaweit, sondern weltweit das Industrieland, das am erfolgreichsten aus der Krise herausgefunden hat; trotz der Schrumpfung des BIP um fast 5 Prozent im Jahr 2009 werden wir bereits in diesem Jahr bei den Arbeitslosen die 3-Millionen-Grenze unterschreiten. Das hat selbst die Wirtschaftsforschungsinstitute massiv überrascht und ungewöhnlich viel Lob für die Bundesregierung eingebracht.
Als Haushälter habe ich die erfolgreiche Krisenbewältigung jedoch sehr wohl gemerkt; der Preis für diese Dämpfung war eine sehr starke Zunahme der Nettokreditaufnahme (NKA). Statt in diesem Jahr die "schwarze Null" zu schreiben oder ihr dich zumindest nahe zu kommen, wurden noch im letzten Jahr für 2010 rund 80 Mrd. Euro neue Schulden erwartet. Durch echte Sparmaßnahmen und die gute Konjunktur werden wir die NKA auf rd. 50 Mrd. Euro senken können - was aber immer noch sehr viel Geld ist und den Schuldenberg weiter vergrößert. Daher war es meines Erachtens eine der wirklichen Großtaten der Großen Koalition, daß es gelungen ist, parallel zu den Konjunkturpaketen gleichzeitig den Ausstieg aus dem Verschuldungskreislauf zu beschließen: wir haben die sogenannte Schuldenbremse (§§ 109 Abs. 3, 115 GG) ins Grundgesetz eingefügt. Für die nächsten Jahre, ab 2011, sind damit sehr konkrete NKA-Abbauschritte vorgesehen, spätestens 2016 müssen wir im Bund bei max. 0,35 Prozent vom nominalen BIP als NKA-Obergrenze gelandet sein. Für die kommenden Jahre ergeben sich folgende Höchstgrenzen der Neuverschuldung: 2011 45,8 Mrd. Euro, 2012 39 Mrd. Euro, 2013 32,1 Mrd. Euro, 2014 25,1 Mrd. Euro, 2015 18 Mrd. Euro, 2016 9 Mrd. Euro. Dabei ist mir noch wichtig zu erläutern, daß das alles Höchstgrenzen sind, wir Haushälter der Koalition haben durchaus den Ehrgeiz, diesen verfassungsrechtlichen Spielraum nicht auszuschöpfen. Sobald wir dann wieder die "schwarze Null" erreicht haben, müssen wir beginnen, den bis dahiin aufgehäuften Schuldenberg abzubauen. Wobei ich ehrlich erwähnen möchte, daß auch das kein Zuckerschlecken wird: Würden wir heute mit der Tilgung beginnen und jeden Monat eine Milliarde Euro zurückzahlen, würde es 138 Jahre dauern, bis wir schuldenfrei sind...
Daß tatsächlich gespart wird, können Sie auch an der Entwicklung des Bundeshaushalts selbst sehen: Zum ersten Mal seit Jahrzehnten werden die Ausgaben des Bundes tatsächlich und kontinuierlich zurückgehen. In der Vergangenheit gab es bereits Rückgänge, aber sie waren i.d.R. durch Einmaleffekte (z.B. die UMTS-Versteigerung) bedingt. Wie anders als durch Sparen, also weniger Ausgaben, sollten wir das bewerkstelligt haben? Was die konkreten Sparmaßnahmen betrifft, so sollten Sie bei auch nur durchschnittlichem Medienkonsum auf dem Laufenden sein. Das aktuelle Sparpaket mit dem schönen Namen "Zukunftspaket" umfasst rund 80 Mrd. Euro in den kommenden vier Jahren. Dabei entfallen auf die Bereiche Soziales, Wirtschaft und Verwaltung jeweils rund ein Drittel. Kräftiger Personalabbau bei der Bundesverwaltung, Einsparungen bei Rüstungsprojekten, Verkleinerung der Bundeswehr, Anrechnung des Elterngeldes, Subventionsabbau, etc. pp. - zu jedem Stichwort finden Sie jede Menge Informationen. Das alles sind Minderausgaben, die uns helfen, die Nettokreditaufnahme zu senken.
Zu Stuttgart 21 nur soviel: Das ist ein Jahrhundertprojekt und eine einmalige Chance für Stuttgart und Baden-Württemberg. Hier bin ich nicht bereit, Erbsen zu zählen. Auch andere Verkehrsprojekte sind schon im Laufe der Planfeststellung und während des jahrzehntelangen Genehmigungsmarathons teurer geworden, das ist wirklich keine Überraschung.
Mit freundlichen Grüßen
Norbert Barthle