Warum werden die hohen Strom-Netzentgelte weiterhin auf alle Schleswig-Holsteiner abgewälzt, aber Strom-Großverbraucher werden von Netzentgelten befreit?
Ich finde es pervers, wenn auch ein Harz 4-Empfänger die Großverbraucher subventioniert.
Ich habe den Stromtarif meines Anbieters mit verschiedenen vergleichbaren Wohnorten verglichen und fast alle abgefragten Orte waren 80-100 Euro günstiger beim Strompreis.
In Europa sind die deutschen Strompreise in der Spitzengruppe, auch wegen der sehr hohen Netzentgelte.
Sehr geehrter Herr B.,
vielen Dank für Ihre Frage. 2018 wurde das Gesetz zur Modernisierung der Übertragungsnetzentgelte (NEMoG) in der damaligen Großen Koalition beschlossen. Hierbei geht es um die schrittweise, bundeseinheitliche Angleichung der Übertragungsnetzentgelte durch Umlegung. Die Angleichung erfolgt zu 2023, ein früheres Datum war damals nicht zu erreichen.
Nach dem bisherigen System werden von den deutschlandweit vier Übertragungsnetzbetreibern je nach ihren Gebieten und dem dortigen Netzausbau stark divergierende Netzentgelte verlangt. Mit dem Übertragungsnetzbetreiber Tennet sind u.a. in Schleswig-Holstein vergleichsweise hohe Netzentgelte zu leisten, was u.a. an dem verhältnismäßig umfangreichen bereits geleisteten Netzausbau liegt.
Wie Sie zurecht ausführen, ist einer der Faktoren, die bei der Preisbildung eine Rolle spielen, die Umlage der sogenannten Netzentgelte auf die Endkunden, wovon einige stromintensive Großunternehmen teilweise befreit sind, um ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und u.a. eine Abwanderung von Arbeitsplätzen ins Ausland zu verhindern. Die von Ihnen erwähnten Unterschiede der Netzentgelte ergeben sich meist aus den unterschiedlichen Kosten, die der Ausbau und Erhalt der Netze in unterschiedlichen Regionen mit sich bringt.
Das führt nun aber auch zu dem teils widersinnigen Ergebnis, dass ausgerechnet in jenen Bundesländer, in denen viel Netzausbau stattfindet, eine finanziell besonders hohe Last entstanden ist. Das ist nicht nur ungerecht für den individuellen Endkunden, sondern produziert auch Fehlanreize beim Ausbau Erneuerbarer Energien und damit dem Gelingen der Energiewende zur Verhinderung des Klimawandels. Insofern setze ich mich schon seit Langem für eine Vereinheitlichung der Übertragungsnetzentgelte ein.
Als Gemeinwohl- und Daseinsvorsorge-Aufgabe müssen aus Sicht der SPD Infrastrukturausgaben solidarisch und nicht einseitig von Kundinnen und Kunden eines Übertragungsnetzbetreibers getragen werden. Ebenso gilt es, Verbraucherinnen und Verbraucher zu entlasten und für eine gerechte Verteilung der Kosten zu sorgen.
Mit freundlichem Gruß
Dr. Nina Scheer
SPD-Bundestagsabgeordnete