Nils Schmid MdB SPD
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Frage von Rolf B. •

Sehr geehrter Herr Dr. Schmid, warum wird nicht mehr getan, um die betrügerischen CO2-Zertifikate der Ölkonzerne und ausländischer Importe von Bio-Kraftstoffen, insbesondere aus China, entgegen zu wirken?

Nils Schmid MdB SPD
Antwort von
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Sehr geehrter Herr B.

vielen Dank für Ihre Frage. Bei meiner Antwort zu diesem wichtigen und sehr komplexen Thema muss ich etwas weiter ausholen: 

Die von Ihnen angesprochenen Betrugsvorwürfe gegen sogenannte Upstream-Emissionsminderungsprojekte in China sind schwerwiegend. Es muss davon ausgegangen werden, dass es sich hierbei um einen großen Fall von Wirtschaftskriminalität handelt. 

Im Fall der importierten Biokraftstoffe sieht es anders aus: Es wurde Strafanzeige gestellt, das Ermittlungsverfahren aber aufgrund von fehlendem Straftatbestand abgelehnt. Auch die Europäische Kommission wurde eingeschaltet und um Überprüfung der Einhaltung der Nachhaltigkeitskriterien gebeten. Es wurde ein Anti-Dumping-Verfahren gegen China eingeleitet. Auch der Bundestag hat im Rahmen seiner Beratungen zur 37. Verordnung zur Durchführung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchV) Forderungen nach stärkerer Aufklärung, Prävention und Kontrolle angemahnt. 

Deutschland, Frankreich und die Niederlande haben die Kommission aufgefordert, die Untersuchungen zu intensivieren und Schwachstellen im bestehenden Governance-System zu identifizieren und zu beseitigen. Mit der kürzlich auf den Weg gebrachten 38. BImSchV wird die wirtschaftliche Situation von Herstellern von fortschrittlichen Biokraftstoffen und grünem Wasserstoff verbessert. 

Was die Upstream-Emissionsminderungsprojekte (UER) betrifft: Die Bundesregierung hat zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um die Betrugsvorwürfe aufzuklären. Sie hat das fehleranfällige System der UER-Anrechnung zum Jahresende hin beendet. Die entsprechende Verordnung ist am 08. Juni 2024 in Kraft getreten.

Im Mai 2024 hat das Umweltbundesamt (UBA) Strafanzeige gegen Unbekannt bei der Staatsanwaltschaft Berlin gestellt. Im Auftrag des UBA hat im Juni 2024 eine internationale Anwaltskanzlei die Arbeit aufgenommen, um bei der Aufklärung der Betrugsfälle zu unterstützen. Im Juli 2024 hat das UBA alle bis zum Fristende neu eingereichten UER-Projekte abgelehnt und es kam zu Hausdurchsuchungen bei Verifizierungsfirmen im Zusammenhang mit den Betrugsvorwürfen nach Ermittlungen der Staatsanwaltschaft. Gegenüber der Öffentlichkeit hat das UBA im August 2024 verkündet, dass nach Prüfung die Freischaltung von Zertifikaten für acht UER-Projekte abgelehnt wurde. Mittlerweile verfolgt das UBA ein Täuschungssystem mit Umfang von 45 Projekten.

Außerdem hat die EU-Kommission auf Drängen der Bundesregierung begonnen, das Regelwerk auf europäischer Ebene zu überprüfen. Daneben müssen auch die nationalen Regelungsspielräume genutzt werden. Eine Novellierung der Treibhausgas-Quote muss erfolgen. 

Der Umweltausschuss des Bundestages hat sich am 04.12.24 in einer öffentlichen Anhörung mit dem Thema beschäftigt. Dabei wurde deutlich, dass die Sachverständigen keine einheitliche Auffassung vertreten. Rechtsanwalt Stefan Altenschmidt sagte z.B.: „Die intensive Aufarbeitung habe bisher „keinen Anhaltspunkt für Betrug ergeben“. Juristisch gebe es daher keine Rechtfertigung dafür, von offenkundigen Betrugsfällen zu sprechen. 

Als SPD-Fraktion fordern wir, dass im Rahmen der nationalen Umsetzung der europäischen Erneuerbaren-Energien-Richtlinie III eine stärkere vor Ort Kontrolle von Projekten und Produktionsanlagen vorgegeben werden muss, innerhalb der EU, aber vor allem auch außerhalb der EU. Wir fordern vom Bundesumweltministerium, dies bereits in seinem Gesetzentwurf entsprechend zu priorisieren.

Und auch auf EU-Ebene müssen die aktuellen Verdächtigungen ernstgenommen werden. Die Bundesregierung muss auf die Kommission einwirken, damit entsprechende Untersuchungen eingeleitet und falls notwendig auch Anpassungen im europäischen Regelwerk vorgenommen werden.

Es muss zukünftig grundsätzlich untersagt sein, dass Projektträger sich die Validierer und Zertifizierer selbst aussuchen können. Hier braucht es eine Veto-Möglichkeit der Behörden.

Und es braucht klarere Regeln und mehr Möglichkeiten für Kontrollen vor Ort. Diese gibt es bereits auf anderen Feldern, beispielsweise im Arzneimittelbereich. Bei den Erfüllungsoptionen im Rahmen der Treibhausgas-Quote ist das bisher nicht der Fall.

Ebenfalls setzen wir uns für eine Prüfung der Einführung eines Straftatbestands ein, da aktuell die Möglichkeiten der strafrechtlichen Verfolgung bei offensichtlichem Fehlverhalten von Validierern und Akkreditierern nur sehr begrenzt vorhanden sind.

Das Thema Betrugsprävention muss darüber hinaus weitergedacht werden, so müssen auch bei der Produktion von Wasserstoff oder bei Recycling-Produkten in einem globalen Marktumfeld entsprechende Regelungen gefunden werden.

Mit freundlichen Grüßen 

Nils Schmid 

 

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