Nils Schmid MdB SPD
Nils Schmid
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Frage von Benjamin M. •

Halten Sie es für denkbar, dass die ungar. Regierung separatistische Bewegungen in Nachbarländern (etwa Siebenbürgen) gründet/unterstützt und nach dem Vorbild Russlands in O-Ukraine (2014) handelt?

Sehr geehrter Herr Schmid,

in der Rhetorik von ungarischen Regierungsvertreter ist nicht selten ein mehr oder weniger offener Irredentismus zu hören. Aus Gesprächen mit Ungar:innen weiß ich, dass viele Menschen in Ungarn (auch Angehörige von Oppositionsparteien) nachbarstaatliche Gebiete, in denen in größerer Zahl ungarischsprachige Minderheiten leben, als Teil Ungarns ansehen und den Vertrag von Trianon gerne rückabgewickelt sähen; besonders Siebenbürgen (Erdély) wird als integraler Bestandteil eines neuzuschaffenden (Groß-)Ungarns angesehen.

Das Putin-Regime zeigte 2014 nach dem Euro-Maidan in der Ukraine, wie solche Gebietsansprüche ohne offenen Krieg durchgesetzt werden könnten. Die Reaktion der EU und v.a. Deutschlands war so vorsichtig, dass sie als Hauptgrund für den großangelegten Einmarsch 2022 gelten kann. Wie würde die EU, wie Deutschland mit so einem Szenario in ihrem Innern umgehen? Vielen Dank schon jetzt!

Nils Schmid MdB SPD
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Sehr geehrter Herr M.,

vielen Dank für Ihre Frage, die ich in aller Kürze wie folgt beantworten möchte:

Sie haben zu recht auf den Friedensvertrag von Trianon verwiesen. Mit dem verlorenen 1. Weltkrieg und dem Ende der sogenannten Donau-Monarchie musste Ungarn in Folge im Jahr 1920 rund zwei Drittel seines ursprünglichen Staatsgebiets abgeben. Etwa ein Viertel der damaligen ethnischen Ungarn wurden dadurch zu Auslandsungarn. Der ganz große Teil lebt in den benachbarten EU-Mitgliedsländern und besitzt in der Regel die dortige Staatsbürgerschaft.

Viktor Orban und seine Fidesz-Partei haben in den vergangenen Jahren immer wieder versucht, eine vermeintlich (grenzüberschreitende) nationale Einheit mit dem Verweis auf den Friedensvertrag von Trianon herbeizureden. Er scheut dabei auch keine Kritik und instrumentalisiert beispielsweise die soziale Situation der Ungarnstämmigen in den Nachbarstaaten. 

Was bezweckt Orban damit?  Mit dieser Art von nationalistischer Symbolpolitik versucht er zum einen innenpolitisch rechtsnationale Wähler für sich bzw. für seine Partei zu gewinnen. Zum anderen hofft er, dass sich viele für den ungarischen Pass aussprechen. Er benutzt das Thema strategisch, um die sogenannten Auslandsungarn an sich bzw. seine Partei zu binden, denn damit können sie an Wahlen in Ungarn teilnehmen. Bei den vergangenen nationalen Wahlen war der Anteil der Auslandsungarn, die Fidesz gewählt haben, besonders hoch. 

 Die von Ihnen angedeutete Sorge eines versteckten Irredentismus sehe ich nicht. Das wäre ein klarer Verstoß gegen unsere europäische Wertegemeinschaft, damit würde sich Ungarn nicht nur gegen die Verfassung der Europäischen Union stellen, sondern auch gegen die Charta der Vereinten Nationen.

Mit freundlichen Grüßen

Nils Schmid 

 

                 

 

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