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Frage von Martin H. •

Frage an Nils Schmid von Martin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Schmid,

ein Jahr nach dem Putsch in Bolivien wurde der Kandidat der „Bewegung zum Sozialismus“ (MAS) Luis Arce mit 55% im ersten Wahlgang zum Präsidenten des Landes gewählt. Der Putsch wurde unter dem Vorwand geführt, dass die Präsidentschaftswahlen 2019 angeblich gefälscht gewesen seien; ein Vorwurf, der sich weder während der Wahl durch die Beobachtung durch die Organisation amerikanischer Staaten, noch im Nachhinein durch eine Analyse des Massachusetts-Institut für Technologie als stichhaltig erweisen konnte. Dennoch erkannte Deutschland, in Form von Regierungssprecher Seibert in der Bundespressekonferenz von 11. November 2019 als auch des Auswärtigen Amtes via Twitter die Interimsregierung an.
Die Wahlen 2020, wie auch die Regionalwahlen 2021 zeigen, dass weder Putschpräsidentin Anez, noch die sie tragenden gesellschaftlichen Gruppen oder Parteien jemals eine Mehrheit in der bolivianischen Bevölkerung hatten. In der Folgezeit kam es zu terroristischen Angriffen gegen Arbeiter*innen, deren Insititutionen und gegen gewählte Mandatsträger*innen der MAS.

Die Frage:
1. Welche Konsequenzen fordern Sie für die an der faktischen Anerkennung einer undemokratischen Putschregierung durch die Bundesrepubliok Deutschland in Hinblick auf die beteiligten Personen?
2. Welche Konsequenzen fordern Sie für das zukünftige außenpolitische Handeln der Bundesrepublik Deutschland?

Mit freundlichen Grüßen,
Martin Hilbig

PS: Auf Quellennachweise habe ich auf Grund der Lesbarkeit verzichtet, reiche sie jedoch gerne nach.

Nils Schmid MdB SPD
Antwort von
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Sehr geehrter Herr Hilbig,

danke für Ihre Nachricht, auf die ich Ihnen im Folgenden gerne antworte.

Mit großer Sorge blicke ich auf die aktuellen Entwicklungen in Bolivien, wo sich die politischen und gesellschaftlichen Gräben noch weiter vertiefen. Die frühere Übergangspräsidentin Jeanine Áñez Chavez wurde am 12. März festgenommen. Gegen sie wurde Untersuchungshaft verhängt, wie auch gegen den ehemaligen Energieminister und den ehemaligen Justizminister. Ihnen werden Terrorismus und Verschwörung vorgeworfen. Sie werden für den als „Putsch“ bezeichneten Rücktritt des langjährigen Präsidenten Evo Morales im Jahr 2019 verantwortlich gemacht.

Der Amtsinhaber Morales hatte sich damals nach den Präsidentschaftswahlen zum Sieger im ersten Wahlgang erklärt, worauf es zu weitreichenden Protesten bis hin zu gewalttätigen Ausschreitungen kam. Der Vorwurf des Wahlbetrugs trieb Tausende Bolivianerinnen und Bolivianer auf die Straße. Nachdem er zunächst Neuwahlen ausgerufen hatte, verkündete Morales seinen Rücktritt – nachdem er unter anderem die Unterstützung des Militärs verloren hatte. Die konservative Senatorin Jeanine Áñez Chavez wurde Übergangspräsidentin und beendete damit das entstandene Machtvakuum. Bei den Wahlen 2020 kam es zu einem klaren Sieg von Luis Arce vom Movimiento al Socialismo (MAS). Durch die aktuellen Verhaftungen und das Amnestiegesetz nehmen die Spannungen in Politik und Gesellschaft nun allerdings wieder zu – wie die erneuten Proteste zeigten. Leider verfliegt damit die Hoffnung auf eine Stabilisierung des Landes, die es nach dem Wahlsieg von Luis Arce gab.

Wichtig waren die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft auf die Verhaftungen, auf die ich Sie hier gerne hinweisen möchte: In einem Statement betonte der Europäische Auswärtige Dienst am 14. März (Link), dass die EU die besorgniserregenden Entwicklungen in Bolivien aufmerksam verfolgt. Richtigerweise wurde auf die Bedeutung von transparenten Gerichtsverfahren und die Unabhängigkeit der Justiz hingewiesen. In die gleiche Richtung gehend äußerte sich auch ein Sprecher des UN-Generalsekretärs (Link). Wir müssen uns dafür einsetzen, dass die internationale Gemeinschaft weiterhin die Entwicklungen in Bolivien fest im Blick behält – das gilt übrigens auch für uns in Deutschland.

Bolivien steht vor enormen Herausforderungen – das Land leidet unter einer schweren Wirtschaftskrise. Armut und Korruption sind weit verbreitet. Das marode Gesundheitswesen wurde schwer von Corona-Pandemie getroffen. Verstärkend hinzu kommt die tiefgreifende gesellschaftliche und politische Spaltung. Was die Bolivianerinnen und Bolivianer dringend bräuchten, ist eine rasche wirtschaftliche Erholung des Landes, den Aufbau einer wirklich unabhängigen Justiz und eine Regierung, die auf Dialog und Versöhnung setzt. Und nicht eine weitere Polarisierung, die das Land in eine noch tiefere Krise stürzen kann.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Nils Schmid, MdB

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