Frage an Nils Schmid von Helmut S. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Schmid,
Zur Frage der Grundrechtskompatibilität der BDS-Beschlüsse gibt es gegenwärtig mindestens drei Verfahren mit insgesamt vier Urteilen (s.u.).
Nicht einmal in dem einzigen klageabweisenden Urteil des VG München, wird behauptet, was Sie behaupten: Der "Beschluss des Bundestages (...) greift auch nicht in die Grundrechte ein." Das VG München stellt insgesamt drei Eingriffe in Grundrechte fest: Versammlungsfreiheit (Rn 31 / Art. 8 GG), Meinungsfreiheit (Rn 35 / Art. 5 GG), Gleichheitsatz (Rn 41 / Art. 3 GG) und führt aus, dass diese Eingriffe gerechtfertigt seien.
Die anderen Urteile gehen von ungerechtfertigten Eingriffen in Grundrechte aus. Sie ignorieren die BDS-Beschlüsse, weil sie diese für rechtlich irrelevant halten.
Unter Einbeziehung der Ebenen Bund, Länder und Kommunen bringt dies das VG Köln deutlich zum Ausdruck:
Sowohl der Ratsbeschluss vom 12.6.2019 als auch die Beschlüsse des Landtags NRW vom 20.9.2018 oder des Deu BT vom 17.5.2019 (BT-Drs. 19/10191) sind keine Rechtssetzungsakte, sondern politische Resolutionen bzw. Willensbekundungen. Sie allein vermögen unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen bestehenden Rechtsanspruch einzuschränken.
Also: Solange hier kein Gesetz vorliegt, sind die Beschlüsse bei der Rechtsfindung nicht zu beachten.
Der Sinn der Vorschrift, bei Eingriffsverwaltung die Gesetzesform vorzuschreiben, besteht doch darin, eine belastbare Grundlage dafür zu haben, zwischen gerechtfertigten und ungerechtfertigten Grundrechtseingriffen zu unterscheiden.
Deswegen: Warum gibt es kein Gesetz für die BDS-Beschlüsse?
MfG
H. S.
1. Ried vs. Stadt München: VG München, Urteil v. 12.12.2018 – M 7 K 18.3672
2. BDS-Gruppe Oldenburg vs. Stadt Oldenburg:
a. VG Oldenburg (Oldenburg) 3. Kammer, Urteil vom 27.09.2018, 3 A 3012/16,
b. OVG Lüneburg 10. Senat, Beschluss vom 27.03.2019, 10 ME 48/19
3. Palästinensische Gemeinde Deutschland vs. Stadt Bonn:
VerwaItungsgericht KöIn BeschIuss 14 L 1747/1
Sehr geehrter Herr Suttor,
danke für Ihre Nachricht und die darin enthaltenen Hinweise auf verschiedene Gerichtsverfahren. Dabei handelt es sich, soweit ich das auf einen ersten Blick sehen kann, um Verfahren, bei denen es um die Benutzung von kommunalen Einrichtungen durch Vereine bzw. Organisationen geht, die mit der BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions-Bewegung) sympathisieren. Der Anspruch auf die Benutzung von öffentlichen Einrichtungen der Kommunen richtet sich nach den jeweiligen Landesgesetzen in Verbindung mit den jeweiligen kommunalen Vorschriften. Das kann nicht durch ein Bundesgesetz geregelt werden, da dies nicht in der Gesetzgebungskompetenz des Bundes liegt. Wie ich Ihnen bereits geschrieben habe, stellt der Beschluss des Bundestages auch keine Rechtssetzung dar. Der BDS-Antrag ist eine politische Resolution. Darauf verweist auch das VG Köln. Auch die Aufforderung an die Länder, Städte und Gemeinden, sich unserer im Antrag formulierten Haltung anzuschließen, ist politisch zu verstehen.
Da es sich bei ihrer Nachricht um eine Rückfrage auf eine Antwort handelt, die ich Ihnen auf Abgeordnetenwatch gegeben habe, diese aber auf dieser Seite nicht angezeigt wird, möchte ich auch an dieser Stelle noch einmal darauf hinweisen, dass wir mit der fraktionsübergreifenden Zustimmung zum Antrag „Der BDS-Bewegung entschlossen entgegentreten – Antisemitismus bekämpfen“ ein klares Zeichen gegen Antisemitismus und Israelfeindlichkeit gesetzt haben. Mit der Annahme des Antrags verurteilt der Bundestag nicht nur die BDS-Kampagne, sondern begrüßt auch, dass zahlreiche Gemeinden sich bereits dazu beschlossen haben, der BDS-Bewegung und Gruppierungen, die die Ziele der Kampagne verfolgen, die finanzielle Unterstützung und die Vergabe von kommunalen Räumen zu verweigern. Der Bundestag beschloss außerdem, Räumlichkeiten und Einrichtungen, die unter der Bundestagsverwaltung stehen, keinen Organisationen, die sich antisemitisch äußern oder das Existenzrecht Israels in Frage stellen, zur Verfügung zu stellen. Im Antrag fordert der Deutsche Bundestag außerdem die Bundesregierung auf, keine Veranstaltungen der BDS-Bewegung oder von Gruppierungen, die deren Ziele aktiv verfolgen, zu unterstützen. Darüber hinaus fordert der Bundestag, dass keine Organisationen finanziell gefördert werden, die das Existenzrecht Israels in Frage stellen. Ebenso sollen keine Projekte finanziell gefördert werden, die zum Boykott Israels aufrufen oder die die BDS-Bewegung aktiv unterstützen. Gern verlinke ich hier (https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/101/1910191.pdf) auch noch einmal den vollständigen Text des Antrags, der auf der Website des Bundestages abrufbar ist.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Nils Schmid, MdB