Frage an Nils Schmid von Marion D. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Schmid,
mich würde Ihre Position zu meinen Fragen interessieren, zumal Sie als ehemaliger Finanzminister in Baden-Württemberg für die Finanzämter hier in letzter Instanz verantwortlich waren.
Das FA ist schnell bei Steuernachforderungen und schnell bekommt man für offene Steuerschulden noch Zinsen von 6% p.a. Dieser Zinssatz ist ja laut BFH rechtens. Das FA muß im Gegenzug Zinsen in dieser Höhe bei verspäteten Erstattungen zahlen.
Genau hier liegt für mich die Krux. Wenn es um offene Erstattungen geht, und das Finanzamt über 6 Jahre nicht in die „Pötte“ kommt, und der entsprechende Sachverhalt sich auch in den Erklärungen der Folgejahre betrifft, dann addieren sich diese Zinszahlungen auf. Erfragt man den Bearbeitungsstatus, denn 6 Jahren sind ja ganz ordentlich, wird einem erklärt, man solle sich nicht anstellen, es werde ja verzinst. Aha ..der Steuerzahler zahlt die Gehälter der Beamten und noch dazu für die Trödeleien der Mitarbeiter.
Die veröffentlichten Zahlen zur Bearbeitungsgeschwindigkeit sind das Produkt einer Gaußschen Normalverteilung und keiner bekommt so mit, was über Jahre bei den Finanzämtern dahindümpeln.
So etwas gibt es in Baden-Württemberg nicht? Das Finanzamt in Ihrem Wahlkreis beweist das Gegenteil.
Meine Fragen:
In welcher Höhe wurde in 2014 bis 2016 Zinsen wegen zu spät bearbeiteter Steuererklärungen/Einsprüche in den FÄ gezahlt?
Warum veröffentlicht das BMF keine Zahlen über die durchschnittliche Bearbeitungsdauer von Einsprüchen in ihren Statistiken (siehe Veröffentlichung des BMF vom 19.10.2017).
Was tut die Politik, um jahrelange Verfahren zu beschleunigen? Warum gibt es keine Fristen für das FA, wo doch der Steuerpflichtige permanent Fristen einzuhalten hat?
Warum gibt es keine wirksame Möglichkeit, gegen Trödeleien und Schikanen vorzugehen? Eine Dienstaufsichtsbeschwerde nimmt doch heute keiner mehr ernst.
Ich freue mich auf Ihre Antwort.
Viele Grüße aus Ihrem Wahlkreis
Dr. Marion Beller
Sehr geehrte Frau D. B.,
in aller Regel werden Steuerfälle relativ zügig bearbeitet. Bisweilen allerdings ziehen sich Fälle aber auch, etwa wenn es zwischen dem Steuerpflichtigen und dem Finanzamt zu Meinungsverschiedenheiten kommt, über längere Zeit hin.
In Ihrer Mail sprechen Sie ja nun zwei Problemkreise an. Zum einen die möglichen langen Bearbeitungszeiten, zum anderen die vergleichsweise hohen Zinsen, die das Finanzamt bei Zurückerstattung zusätzlich auszahlen muss. Diese betragen immerhin 0,5 Prozent für jeden vollen Monat, d.h. 6 Prozent für ein komplettes Jahr. Zwar ist dies in § 238 Abgabenordnung (AO) geregelt. Allerdings stellte sich in den vergangenen Jahren angesichts einer strukturellen, jahrelangen Niedrigzinsphase schon die Frage nach der Verhältnismäßigkeit einer solch hohen Verzinsung. Der Neunte Senat des Bundesfinanzhofs zweifelt nunmehr auch in seinem am 14. Mai 2018 veröffentlichten Beschluss (BFH, Beschluss vom 25. April 2018, Az. IX B21/18) an der Verfassungsmäßigkeit dieses Zinssatzes, da dieser angesichts dauerhaft niedriger Zinsen zu hoch sei. Das gelte insbesondere für Verzinsungszeiträume ab 2015. Die Entscheidung hierüber liegt jetzt beim Bundesverfassungsgericht.
Was Verzögerungen bei der Bearbeitung anbelangt: Nachdem es keine gesetzliche Bearbeitungsfrist für die Finanzbehörde gibt, hat der Steuerpflichtige grundsätzlich die Möglichkeit nach Ablauf einer angemessenen Frist (bei der Veranlagung zur Einkommenssteuer wären das z.B. ca. sechs Monate, allerdings sollten hier auch Verzögerungen wie Ferienzeiten berücksichtigt werden) und falls von der Behörde kein zureichender Grund für die Verzögerung genannt wird, die Möglichkeit, einen Untätigkeitseinspruch (§347, Absatz 1, Satz 2 AO) einzulegen. Vorher jedoch sollte man direkt beim Finanzamt nachfragen; ein Untätigkeitseinspruch oder – falls dieser ohne Ergebnis bleibt - eine Untätigkeitsklage beim Finanzgericht sollten immer das letzte Mittel für den Steuerpflichtigen sein, das ihm aber gleichwohl zur Verfügung steht.
Zur Veröffentlichungspraxis des BMF kann ich keine Auskunft geben, dazu müssten Sie dort nachfragen.
Was aber die Frage nach Möglichkeiten für die Politik angeht, um die Bearbeitung von Steuerfällen möglichst zügig zu gestalten, so können und sollten politisch Verantwortliche natürlich in erster Linie für eine vernünftige Personalausstattung in der Steuerverwaltung sorgen. Während meiner Zeit als baden-württembergischer Finanzminister konnten wir die Zahl der Planstellen in der Steuerverwaltung von 13.051 (2011) auf 13.343 (2016) erhöhen. Um qualifizierten Nachwuchs zu gewinnen, wurde zusätzlich für die Ausbildungen in diesem Bereich geworben. Dennoch bestand auch damals das Problem, dass nicht immer alle Planstellen besetzt werden konnten, da bei der sogenannten Personalbewirtschaftung immer auch ein gewisser Bestand an freien Stellen benötigt wird. Beispielsweise für Beurlaubte, deren Bewilligungszeitraum in fast allen Fällen nur 12 Monate beträgt und deren Stellen nicht anderweitig besetzt werden können oder weil Beschäftigte zwar auf Stellen geführt werden müssen, obwohl sie keinen „aktiven“ Dienst leisten, wie z.B. freigestellte Personalratsmitglieder und krankheitsbedingte Ausfälle. Verzögerungen gibt es meines Wissens in Baden-Württemberg derzeit u.a. bei der Bearbeitung von Grunderwerbssteuerbescheiden, allerdings handelt es sich hierbei um eine durchschnittliche Bearbeitungsdauer von 32 – 51 Kalendertagen (Zahlen für die Jahre 2015 – 2017) sowie in Einzelfällen bei Betriebsprüfungen. Leider stieg seit 2016 auch die Bearbeitungsdauer, etwa für Einkommenssteuerbescheide, wieder leicht an (2016: 46 Tage, 2017: 49 Tage). Grundsätzlich sind aber Anstrengungen für eine gute personelle Ausstattung nach meiner Ansicht der Weg, den Politik hier gehen kann und muss.
Mit freundlichen Grüßen
Nils Schmid