Frage an Nils Schmid von Frank-Philipp W. bezüglich Soziale Sicherung
zur Bürgerversicherung:
sogenannte Experten sagen, dass die Krankenversicherung teurer und die Leistungen schlechter werden würden als bisher. Fakt ist doch, dass die gesetzliche Krankenversicherung teurer wird, Leistungen gestrichen (s. Zähne, Augen,..), auf Termine oftmals monatelang gewartet werden muss, weniger Ärzte zur Verfügung stehen, da zunehmend viele nur noch Privatpatienten aufnehmen.... . Dagegen bekommen Privatversicherte zeitnah Termine, die bestmögliche Behandlung (d.h. mit höherer Erfolgsaussicht vs. die geringsten Kosten). Dh teurer und schlechter würde höchstens die Versicherung für die bisher privat Versicherten werden, nicht jedoch für den "normalen" Bürger. Ist die Gesundheit und das Leben eines normalen Bürgers weniger wert als das eines Privatversicherungsfähigen? Alleine aufgrund der Gleichheit sollten solche bewusste Besserstellung (private Krankenversicherung, Obergrenzen von Gebühren / Busgeldern / Beiträgen / ....vs Mindestgebühren .... ) von Besserverdienenden und damit bewusste Schaffung einer Mehrklassengesellschaft abgeschafft werden. Wie stehen Sie hierzu?
Sehr geehrter Herr Wolfer,
vielen Dank für Ihre Mail. Zwar haben wir eines der leistungsfähigsten und umfassendsten Gesundheitssysteme weltweit, aber wir haben auch, da bin ich mit Ihnen einer Meinung, mittlerweile in vielen Bereichen eine Zwei-Klassen-Medizin. Diese bevorzugt nicht nur Privatversicherte, sondern verteuert auch das System auf Dauer enorm.
Die SPD will daher die solidarische Bürgerversicherung, die wir ja auch in unserem Wahlprogramm ausführlich beschrieben haben: Wir wollen alle Bürgerinnen und Bürger auf die gleiche Weise krankenversichern. In der Bürgerversicherung zahlen alle Versicherten einkommensabhängige Beiträge und erhalten alle notwendigen medizinischen Leistungen nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis, unabhängig von Einkommen oder Wohnort. Hierzu werden alle erstmalig und bislang gesetzlich Versicherten automatisch aufgenommen. Der Beitragssatz wird paritätisch bezahlt, d.h. Arbeitgeber und Arbeitnehmer zahlen wieder jeweils die Hälfte. Damit ist der einseitige Zusatzbeitrag der Versicherten abgeschafft, die finanzielle Belastung der Arbeitnehmer sinkt.
Die Beiträge der Versicherten richten sich (wie schon heute in der gesetzlichen Krankenversicherung) nach dem Einkommen der Versicherten und nicht (wie in der privaten Krankenversicherung) nach Alter, gewähltem Leistungspaket und Krankheitsstatus. Auch für Selbständige bemessen sich die Beiträge dann nach ihrem Bruttoeinkommen. Für Beamte wird in der Bürgerversicherung ein beihilfefähiger Tarif geschaffen. Und: Neben den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerbeiträgen soll der Steuerzuschuss als dritte Finanzierungssäule ausgebaut und zu einem echten Steuerbeitrag umgewandelt werden. Damit tragen mit der Bürgerversicherung alle nach ihrem Leistungsvermögen bei.
Somit bleibt das Gesundheitssystem zukunftsfähig und bezahlbar. Zugleich können die privaten Versicherungen nach wie vor Zusatzleistungen anbieten, die sich meist auf den Behandlungskomfort (Zweibettzimmer) oder ergänzende Leistungen wie Homöopathie beziehen. Außerdem gilt für die heute schon privat Versicherten - auch das gehört zu einem seriösen Konzept - der Bestandsschutz. Sie können wählen, ob sie privat- oder bürgerversichert sein möchten.
Zu einem solidarischen System gehört auch ein neues, einheitliches ärztliches Honorarsystem. Die Bezahlung für medizinische Leistungen richtet sich dann nach dem Bedarf des Patienten und nicht nach seinem Versichertenstatus. Die Unterschiede in den Honorarordnungen zwischen EBM (für gesetzlich Versicherte) und GOÄ (für Privatversicherte) werden angeglichen. Außerdem wird die "sprechende Medizin", d.h. das ärztliche Patientgespräch besser vergütet. Verbesserungen gibt es auch für Haus- und Fachärzte in ländlichen Regionen.
Mit diesen Änderungen wird die Versorgung für alle gesetzlichen Versicherten besser, denn bisher arbeiten Fachärzte und Spezialisten oft schwerpunktmäßig dort, wo es viele Privatpatienten gibt. Mit der Bürgerversicherung fällt dieser Anreiz weg, was die bessere Verteilung von Fachärzten befördert.
Dies alles sind sehr gute und zwingende Gründe, weshalb wir uns seit geraumer Zeit für die Bürgerversicherung einsetzen.
Sie können davon ausgehen, dass wir uns auch in den anstehenden Gesprächen mit CDU/CSU dafür einsetzen werden, dass unser Gesundheitssystem auf diese Weise solidarischer und gerechter wird. Es bleibt sehr zu hoffen, dass sich die Union an dieser Stelle endlich bewegt.
Mit freundlichen Grüßen
Nils Schmid