Frage an Nils Schmid von Andree H. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Hr. Dr. Schmid,
nachdem einige Bundesländer das Ehegattensplitting auch eingetragenen Lebenspartnern gewähren, hätten wir, da Baden-Württemberg hierzu noch immer keine Stellungnahme abgegeben hat, gerne von Ihnen hierzu baldmöglichst eine Antwort. Bisher haben die Länder Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Berlin Lebenspartnerschaften vorläufig im Steuerrecht gleichgestellt (Stand 02.04.2012).
Mit freundlichen Grüßen
A.H.
Sehr geehrter Herr Heining,
vielen Dank für Ihre Frage. Ein entsprechendes Verfahren ist noch immer vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) anhängig und nicht entschieden. Die Finanzämter in Baden-Württemberg gewähren jedoch auf Antrag die entsprechende Lohnsteuerklassenkombination; zunächst vorläufig, bis zur Entscheidung dieses Verfahrens.
Baden-Württemberg hatte entsprechenden Anträgen auf Eingruppierung in die Steuerklasse III zunächst nicht stattgegeben, weil der Bund (BMF) einen sog. "Leitungsvorbehalt" eingelegt hatte und damit einen entsprechenden Beschluss eines Bund-Länder-Gremiums aushebelte. Leitungsvorbehalt bedeutet, man wollte seitens des Bundes eine Entscheidung auf Ministerebene herbeiführen. Nach den einschlägigen Regularien war es damit (eigentlich für alle Länder) ausgeschlossen, entsprechenden Anträgen stattzugeben. Nachdem das Bundesministerium der Finanzen bei einzelnen Bundesländern aber offensichtlich davon abwich, hat auch Baden-Württemberg dies noch im April ermöglicht. Wie gesagt: Dies gilt vorläufig nur bis zur höchstrichterlichen Entscheidung in Karlsruhe.
Baden-Württemberg soll zum Land der Offenheit und Vielfalt werden. Wenn Menschen füreinander einstehen, kann es keinen Unterschied machen, ob sie in einer heterosexuellen Ehe oder in einer homosexuellen Partnerschaft leben. Lassen Sie mich die Gelegenheit nützen, zwei aktuelle Ereignisse in diesem Zusammenhang zu kommentieren:
Zum einen den gestrigen Vorstoß von 13 CDU-Abgeordneten, das Ehegattensplitting generell auch auf eingetragene Lebenspartnerschaften auszuweiten. Die SPD hat mehrfach im Bundestag eine solche steuerliche Gleichstellung homosexueller Partnerschaften mit der Ehe vorgeschlagen. Die SPD-Bundestagsfraktion hat deshalb angekündigt, schnellstmöglich eine Initiative für einen interfraktionellen Antrag zur steuerlichen Gleichstellung gleichgeschlechtlicher Partner mit Eheleuten in den Bundestag einzubringen. Dies würde Rechtssicherheit unabhängig vom Urteil des BVerfG schaffen.
Zum anderen das Urteil des BVerfG von Anfang August. Darin wurde erstmals entschieden, dass Beamtinnen und Beamte in eingetragenen Lebenspartnerschaften den Familienzuschlag wie verheiratete Paare erhalten sollen. Dies gilt rückwirkend bis frühestens 2001, soweit die Beamtinnen und Beamten ihre Ansprüche geltend gemacht haben. Die Möglichkeit, sich als eingetragene Lebenspartnerschaft eintragen zu lassen, besteht seit 2001. Der Landtag von Baden-Württemberg hat bereits am 18.7.2012 per Gesetz für Baden-Württemberg beschlossen, dass eingetragene Lebenspartner unter anderem Familienzuschlag erhalten sollen. Darin ist eine Rückwirkung für die Jahre bis 2006 auf Antrag enthalten.
Wir nehmen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts sehr ernst. Wir gehen davon aus, dass der Bund, der im Besoldungsrecht für die Rechtslage vor 2006 zuständig war, das Urteil schnell umsetzen wird. Ist dies nicht der Fall, werde ich eine Gesetzesänderung im Land vorbereiten und dem Ministerrat zuleiten.
Mit freundlichen Grüßen
Nils Schmid