Frage an Nils Schmid von Bernhard L. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Dr. Schmid,
In § 2 Abs. 2 des Finanzierungsvertrages zu S 21 vom 2. April 2009 (Landtags-Drs. 14/4382) ist der Ausstieg aus dem Projekt S 21 für den Fall vereinbart, dass die zu erwartetenden Gesamtkosten des Projekts rund 4,5 Mrd. € übersteigen würden.
Nach Neuberechnung der Gesamtkosten durch die Bahn im Dezember 2009 beliefen sich die zu erwartenden Kosten auf 4,9 Mrd. €. Der Ausstieg aus S 21 wurde dann nur dehalb nicht vollzogen, weil von der DB AG - nicht nachvollziehbare - "Kosteneinsparpotenziale" von rund 800 Mio. Euro angenommen wurden, u. a. durch eine - bisher ungenehmigte - Reduzierung der Tunnelwandstärken. Damit wurden die zu erwartenden Kosten auf 4,1 Mrd. € runtergerechnet.
Der Bundesrechnungshof berechnete in einem Bericht Ende 2008, basierend auf Maßstäben des Bundesverkehrsministeriums, Gesamtkosten von 5,3 Milliarden Euro. Die Studie der Verkehrsberatung Vieregg-Rössler GmBH prognostizierte Mitte 2008 wahrscheinliche Gesamtkosten für Stuttgart 21 in Höhe von 6,9 bis 8,7 Milliarden Euro. Heute sind aufgrund bekannter Planungsmängel (Beseitigung von Engpässen insbesondere durch eingleisige Streckenabschnitte gemäß SMA-Stellungnahme; fehlende Signaltechnik) mit weiteren erheblichen Kostensteigerungen sicher zu rechnen - die auch schon bis Ende 2009 absehbar waren.
Nun meine Fragen:
1. Halten Sie Kostenschätzung von 4,1 Mrd. € für zutreffend?
2. Stimmen Sie der Einschätzung zu, dass bei einer "ehrlichen" Kostenkalkulation das Projekt S 21 nach Maßgabe des § 2 Abs. 2 des Finanzierunsgvertrages hätte beendet werden müssen?
3. Stimmen Sie der Einschätzung zu, dass die Finanzierung der über 4,5 Mrd. € hinausgehenden Mehrkosten mangels vertraglicher Grundlage bis heute nicht gesichert ist?
4. Sehen Sie - trotz Kostenüberschreitung - das Projekt S 21 immer noch als ausreichend demokratisch legitimiert an und wenn ja, auf welcher Grundlage?
5. Schließen Sie eine Koaltion mit der CDU aus?
Beste Grüße
Bernhard Ludwig
Rechtsanwalt
Sehr geehrter Herr Ludwig,
vielen Dank für ihre Fragen.
Zu 1.: Eine Kostenschätzung ist immer schwierig zu beurteilen. Das trifft auf K21 wie auf S21 zu. Die Bahn hat aber sehr detailliert gerechnet. Daher bin ich sehr zuversichtlich, dass diese Summe auch gehalten werden kann.
Zu 2.: Mit dieser Frage unterstellen Sie, dass die Kostenkalkulation nicht ehrlich ist. Diese Einschätzung teile ich nicht.
Zu 3.: Abgesehen von Stuttgart 21 gibt es kein einziges Projekt in Deutschland, welches eine vertraglich geregelte Finanzierung über die veranschlagten Kosten hinaus hat. Dies nun Stuttgart 21, welches sogar noch einen Puffer von 400 Mio. hat, vorzuwerfen ist unlauter.
Zu 4.: Ich sehe keine Kostenüberschreitung. Über das Projekt wurde auf dem Landesparteitag der SPD im November 2009 abgestimmt. Dort wurde als kritische Marke 4,5 Mrd. Euro beschlossen. Wir liegen nach wie vor unter dieser Marke.
Trotz der vorhandenen Legitimation und dem klaren Votum meiner Partei, habe ich eine Volksabstimmung vorgeschlagen. Dieses Verfahren ist die einzige Lösung, den Grundkonflikt - bauen oder nicht bauen - lösen kann. Zudem bietet sie einen Weg, den Befürworter und Gegner gemeinsam beschreiten können.
Zu 5.: Wer nach der Wahl am 27. März in welcher Koalition regieren wird, entscheiden die Wählerinnen und Wähler. Für uns steht fest: die SPD-Baden-Württemberg wird ohne negative Koalitionsaussage um das Vertrauen der Menschen werben. Entscheidend sind die Inhalte. Die größte Schnittmenge besteht in dieser Hinsicht mit den Grünen. Im Klartext: Gibt es nach der Landtagswahl eine Rot-Grüne Mehrheit, werden wir diese historische Chance nutzen und die CDU in Baden-Württemberg in die Opposition schicken.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Dr. Nils Schmid