Nils Schmid MdB SPD
Nils Schmid
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Frage von Norbert M. •

Frage an Nils Schmid von Norbert M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Schmid,

nach meiner Kenntnis haben Sie am 25. November 2009 dem Gesetz zur Errichtung und zum Betrieb einer Ethylen-Rohrleitungsanlage in Baden-Württemberg wie fast alle Ihre Fraktionskollegen/innen zugestimmt. Dazu habe ich folgende Fragen an Sie:

1. Können Sie mir bitte erklären, warum Sie mit diesem Gesetz ein so hochgefährliches Pipeline-Projekt ermöglicht haben, ohne sich ernsthaft mit der dadurch entstehenden erheblichen Gefährdung der Anwohner entlang der Leitung auseinanderzusetzen?
2. Weshalb haben Sie die Möglichkeit einer nie ausschließbaren Leckage, die im schlimmsten Fall zu einem Inferno mit katastrophalen Folgen führen kann, völlig außer Betracht gelassen?
3. Warum haben Sie es versäumt, eine Haftung des Betreibers oder des Landes in unbegrenzter Höhe durchzusetzen?
4. Wieso gibt es bis heute keine erkennbare Katastrophenschutzplanung für dieses Projekt?
5. Warum haben Sie nicht dafür gesorgt, dass das Land oder die Betreiberfirma den Eigentümern von bebauten oder unbebauten Grundstücken entlang der Pipeline für die zu erwartende Wertminderung einen finanziellen Ausgleich leistet?
6. Sind Sie sich bewusst, dass mit Ihrer Zustimmung zu diesem Gesetz das Recht jeder Bürgerin und jedes Bürgers auf Schutz des Eigentums und der körperlichen Unversehrtheit schon jetzt und im Katastrophenfall in noch höherem Maße verletzt wird?
7. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass der Landtag von Baden-Württemberg dieses bürgerfeindliche Gesetz schnellstens zurücknimmt oder zumindest in wesentlichen Punkten novelliert, um das in hohem Maße zerstörte Vertrauensverhältnis zwischen Wählerschaft und Gewählten wieder in Ordnung zu bringen?

Mit freundlichen Grüßen

Norbert Müller

Nils Schmid MdB SPD
Antwort von
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Sehr geehrter Herr Müller,

herzlichen Dank für Ihre Anfrage zur Problematik der Ethylen-Pipeline. Es freut mich, dass Sie den direkten Kontakt zu mir gesucht haben. Gerne erkläre ich Ihnen meine Position zu diesem Projekt.

Vorab lassen Sie mich einige grundsätzliche Worte zum Bau von Infrastruktureinrichtungen sagen. Die Sicherung der wirtschaftlichen Prosperität in unserem Land und damit auch die die Frage der Arbeitsplätze hängt wesentlich davon ab, dass eine leistungsfähige, zukunftssichere Infrastruktur vorhanden ist - seien es Straßen, Schienen, Flughäfen, Stromnetze, Breitbandkabel, Einrichtungen zur Wasserver- und --entsorgung, Pipelines oder andere Infrastruktur. Sie sind wichtige Einrichtungen zur Versorgung unserer Gesellschaft mit Gütern und Informationen oder zur schnellen Überwindung von räumlichen Entfernungen. Was allerdings volkswirtschaftlich betrachtet gut für die Allgemeinheit ist, mag für den Einzelnen mit Nachteilen verbunden sein. Deshalb ist es wichtig, dass der Nutzen für die Allgemeinheit nicht vollständig auf Kosten der Sicherheit, der Beeinträchtigung der Lebensqualität oder des Besitzes des Einzelnen geht. Aus diesem Grund gibt es umfangreiche Verfahren und Regelungen, die einen Ausgleich zwischen den berechtigten Interessen des Einzelnen und dem Wohl der Allgemeinheit sicherstellen sollen. Es ist gut, dass sich bei diesen Verfahren die von einer Infrastrukturmaßnahme Betroffenen mit ihrer Sichtweise frei artikulieren können und Wege existieren, die Ihnen während des Entscheidungsprozesses die Vertretung ihrer Interessen und das Einbringen ihres Wissens ermöglichen. Ich bin froh, dass wir in einem Staat leben, in dem diese Eingaben gehört und bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden.

Sie fragen mich, ob ich mir der Gefahren einer Ethylen-Pipeline bei meiner Entscheidung, dem Gesetz zur Errichtung und zum Betrieb einer Ethylen-Pipeline in Baden-Württemberg zuzustimmen, bewusst gewesen bin. Meine Antwort ist eindeutig: Ja. Denn ich beurteile diese Gefahren als verhältnismäßig gering. Ich stütze mich dabei auf die mir zur Verfügung stehenden Informationen, z.B. die im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erfolgte Untersuchung der möglichen Gefahren und der daraufhin gemachten Auflagen für die Ethylen Pipeline Süd GmbH (EPS). In der Abwägung zwischen diesen möglichen Risiken und dem Nutzen für den Industriestandort Baden-Württemberg habe ich mich deshalb für eine Zustimmung zu diesem Gesetz entschieden. Nach meiner Meinung bedarf es deshalb auch keiner Korrektur durch eine künftige Landesregierung. Denn, und das möchte ich gerne als Frage Sie richten, wie sähe die Alternative dazu aus? Infrage käme nur der Transport des Ethylens per Straßentankfahrzeug oder Kesselwagen auf der Schiene quer durch Süddeutschland. Nach Auffassung aller ernst zu nehmenden Experten wäre dies aber eine bei weitem riskantere Transportart, als es die Pipeline ist.

Zu den von Ihnen aufgeworfenen Fragen drei und vier habe ich das Regierungspräsidium Stuttgart zu Rate gezogen, denn die von Ihnen angesprochenen Vertrags- und Verfahrensdetails fallen in die Zuständigkeit der Exekutive und werden dort bearbeitet. Das Regierungspräsidium teilte mir mit, dass im Planfeststellungsverfahren die Haftung des Betreibers mit dem Nachweis einer Betriebshaftpflichtversicherung in Höhe von 50 Millionen festgeschrieben wurde. Dieser Betrag geht deutlich über die gesetzlichen Vorgaben des Haftpflichtgesetzes hinaus. Zudem wurde mir von Seiten der Behörde bestätigt, dass auch die Erarbeitung von Katastrophenplänen Teil des Genehmigungsverfahrens war und bis zur Inbetriebnahme der Pipeline erfüllt sein muss. Die Planungen sind mit der höheren Katastrophenschutzbehörde (Referat 14 des RP Stuttgart) abgestimmt, die ihrerseits alle Kreisfeuerwehren beteiligt hat.

Was das Thema finanzieller Ausgleich für die zu erwartende Wertminderung der bebauten oder unbebauten Grundstücke anbelangt, so gilt nach bundesweit geltendem Recht Folgendes: Nur die unmittelbar durch physische Inanspruchnahme ihres Eigentumes oder ihres Besitzes Betroffenen erhalten eine Entschädigung. Diese Entschädigung liegt nach meinem Kenntnisstand teilweise über dem Verkehrswert der betroffenen Grundstücke. Im Fall einer Enteignung würde die Entschädigung deutlich geringer ausfallen, also nachteilig sein. Aus diesem Grund kann ich Ihnen versichern, dass Ihre Sorge unbegründet ist. Falls Sie mit Ihrer Frage hingegen die mittelbar benachbarten Anlieger meinten, so gebe ich Ihnen Recht. Diese haben aufgrund der Gesetzeslage in Deutschland keinen Anspruch auf Entschädigung.
Der Schutz des Eigentums, wie er in Artikel 14 Abs. 1 des Grundgesetzes gewährt wird, ist ein hohes Gut. Dennoch gibt es Fälle, in denen das Grundgesetz eine Enteignung als zulässig erachtet (Artikel 14 Abs. 3 GG). Im konkreten Fall wurde die Frage der Zulässigkeit vom baden-württembergischen Justizministerium vor Einbringung des Gesetzentwurfs durch die Landesregierung in den Landtag eingehend geprüft. Das Ministerium kam zu der Auffassung, dass eine Enteignung Rechtens ist, wobei ich anmerken möchte, dass es sich im konkreten Fall nicht um eine Enteignung im wörtlichen Sinne handelt, also nicht um einen Nutzungsentzug. Vielmehr können die Eigentümer ihre Grundstücke mit geringen Einschränkungen weiter nutzen und bewirtschaften und erhalten hierfür, wie ich zuvor erläuterte, eine Entschädigung.

Wenn Sie vielleicht auch nach diesen Zeilen nicht der gleichen Auffassung über die Bedeutung dieser Pipeline für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg sein sollten, so hoffe ich dennoch, dass ich Ihnen schlüssig und nachvollziehbar darlegen konnte, weshalb ich dem sogenannten Ethylen-Pipeline-Gesetz im Landtag zugestimmt habe.

Mit freundlichen Grüßen
Nils Schmid

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