Frage an Nils Schmid von Nina P. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Dr. Schmid,
nachdem über die Zeitung Stern vom 8.7.2010 herauskam, dass das Ministerium zwei Jahre lang eine Studie zu Stuttgart 21 des Zürcher Ingenieurbüros SMA verheimlicht hat, bin ich der Auffassung, dass das Projekt nicht mehr politisch legitimiert ist. Die SMA-Studie stellt Stuttgart 21 ein vernichtendes Urteil aus. Verschärft wird diese mangelhafte bahnverkehrliche Planung noch durch die Ausnahmegenehmigung für den Flughafentunnel, der bislang nur von der S-Bahn benutzt werden durfte. Wie sehen Sie die politische Legitimation nach dieser Studie?
Es ist bekannt geworden, dass das Bundesverkehrsministerium die Neubewertung der Neubaustrecke Wendlingen-Ulm abgeschlossen hat und diese von den Kosten her ebenso vernichtend ausfällt. Bis jetzt hat das Ministerium diese Kostenrechnung nicht veröffentlicht.
Wieso? Will das Ministerium wieder wichtige Informationen den Bürgern und den beteiligten Politikern vorenthalten? Sie müssen doch zugeben, dass das Projekt so nicht tragbar ist, oder?
Es kann doch nicht sein, dass weitere horrende Schulden aufgehäuft werden. Der Bund, das Land und die Stadt hat das Geld nicht!
Die Bahn plant noch im August den Teilabriss des Denkmal geschützten Hauptbahnhofs um Fakten zu schaffen, um Stuttgart 21 zu erzwingen. Das kann doch nicht sein, denn nach dieser Kostenrechnung und der SMA-Studie ist Stuttgart 21 und die Neubaustrecke nicht tragbar. Außerdem läuft noch ein Berufungsverfahren vom Enkel des Bahnhofsarchitekten Dübbers über das Urheberrecht des Bonatzbaus. So lange darf man doch nicht den Nordflügel abreissen. Wie sehen Sie das?
Können Sie es verantworten, dass die Stadt Stuttgart nur daran denkt, wie sie die Kritiker mit Hilfe der Polizei von der Straße bekommt? Und das trotz der bekannten massiven Nachteile? Ich bin der Auffassung, dass sich so ein wichtiger Wirtschaftsstandort wie Stuttgart nicht so einen schlechten Bahnhof bei 270 000 Pendlern täglich leisten kann.
Mit freundlichen Grüßen
Nina Picasso
Sehr geehrte Frau Picasso,
vielen Dank für Ihre E-Mail. Da ich mittlerweile vielfach auf Fragen rund um das Bahnprojekt Stuttgart-Ulm geantwortet habe, möchte ich hier nur noch auf Ihre Kritik zum Thema SMA-Gutachten eingehen.
Die Züricher Firma SMA wurden in der ersten Hälfte des Jahres 2008 von der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW) beauftragt, die Erstellung einer Angebotskonzeption für den Regionalverkehr ab 2020 unter Berücksichtigung einer Neuordnung des Bahnknotens Stuttgart mit S21 zu unterstützen. Dabei sollte SMA ausdrücklich mögliche Schwachstellen aufzeigen und Lösungen hierfür erarbeiten. Da das Betriebsprogramm von Stuttgart 21 noch keinen konkreten Fahrplan enthalten kann, muss es zwangsläufig bei der Konkretisierung eines Fahrplans zu Korrekturen am Betriebsprogramm kommen. Generell konnte SMA dennoch eine hohe Übereinstimmung mit den Fahrzeiten des Betriebsprogramms und eine zuverlässige Befahrbarkeit der Infrastruktur feststellen.
Dennoch hatte die SMA den Auftrag, bestimmte Streckenabschnitte von Stuttgart 21 genauer zu untersuchen. Eine solche genauere Untersuchung wäre bei der Fahrplangestaltung für jede andere Streckenkonzeption wie zum Beispiel bei K21 ebenfalls durchzuführen. Für den neuen Durchgangshauptbahnhof hat die SMA eine ausreichende Dimensionierung bestätigt. Zu den von den Gegnern von S21 behaupteten Nachteilen für S-Bahn und Gäubahn hat die SMA klargestellt, dass es diese Nachteile für die S-Bahn und die Gäubahn gibt. So wurde z.B. für die Gäubahn zwischenzeitlich eine andere als ursprünglich untersuchte Fahrplanlösung gefunden, mit der mögliche Fahrzeitverlängerungen vermieden werden. Zu den aufgezeigten Engpässen am Flughafen haben sich die Projektpartner zwischenzeitlich darauf verständigt, die Zuführung vom Flughafen zur Neubaustrecke zweigleisig auszubauen.
Zu den von den Gegnern von S21 anlässlich des Stern-Artikels im Internet aufgestellten Behauptungen nimmt die SMA selbst wie folgt Stellung: "Die auf der Webseite aufgeführten Interpretationen zu den einzelnen Mitte 2008 entstandenen Charts sind aktuelle Meinungen der Verfechter für einen Verzicht auf Stuttgart 21 über einen veralteten Planungsstand und stellen nicht die derzeitigen Untersuchungsergebnisse von SMA und Partner AG dar. Zudem werden Einzelaspekte isoliert dargestellt, ohne den Kontext der landesweiten Untersuchung insgesamt in Betracht zu ziehen. Deshalb beziehen sich die Interpretationen nicht auf den derzeitigen Gesamtplanungsstand des Projektes, sondern nur auf überholte Stände von Teilaspekten. Damit die inhaltliche Arbeit ohne Beeinträchtigung von voreingenommenen Meinungen völlig neutral erfolgen konnte und weil wettbewerbsrechtliche Fragestellungen im Zusammenhang mit Ausschreibungen von Verkehrsleistungen Gegenstand der Analysen waren, wurde Stillschweigen bezüglich der vorliegenden Resultate vereinbart. Dies ist ein übliches Vorgehen bei Planeraufträgen, um Missverständnisse zu vermeiden."
Die SMA-Studie stellt damit einen normalen Schritt innerhalb des Planungsprozesses dar. Die Legitimität des Projektes wird dadurch nicht in Zweifel gezogen. Gleichwohl hätten auch wir uns mehr Transparenz im Umgang mit der Studie gewünscht. Wir haben sie deshalb auch zum Gegenstand einer Parlamentsinitiative gemacht: http://www.landtag-bw.de/WP14/Drucksachen/6000/14_6673_D.PDF
Ich hoffe, ich konnte Ihre Frage diesbezüglich nunmehr umfassend beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Nils Schmid