Frage an Nikolaus Tschenk von Tim T. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Tschenk,
der Petitionsausschuss, dessen Mitglied Sie sind, hat die Empfehlung herausgegeben, die 2m-Regel, so wie sie besteht, beizubehalten. Das BWaldG sieht aber gerade vor, dass alle Waldwege mit dem Fahrrad befahren werden dürfen und überlässt es den Ländern diese Erlaubnis nur aus „wichtigen Gründen“ einzuschränken. Welche juristisch wichtigen Gründe, unter Berücksichtigung des Übermaßverbotes (GG), haben Ihrer Überprüfung standgehalten, dass Sie empfehlen, unsere Rechte aus dem Bundesgesetz weiterhin einzuschränken?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Damen und Herren,
leider ist Herr Tschenk derzeit im Ausland und kann ihre Frage daher erst ab Mitte September beantworten. Bitte entschuldigen Sie die Verzögerung.
Mit freundlichen Grüßen,
Petra Rühle
Sehr geehrter Herr Trabandt,
der Petitionsausschuss des Landtages von Baden-Württemberg hat sich intensiv mit der Thematik der 2m-Regelung auf Waldwegen auseinandergesetzt. Hierzu gab es im Juni gemeinsam mit allen Fraktionen des Landtags eine öffentliche Anhörung mit den beteiligten Verbänden. Selbstverständlich waren hier auch die Radfahrerverbände vertreten. Die Aufzeichnung der mehrstündigen Veranstaltung finden Sie unter www.youtube.com. Alle Argumente hinsichtlich der Waldwegenutzung wurden dargestellt und ausführlich erörtert.
Sie wissen sicherlich, dass wir Grünen uns für eine verstärkte Nutzung des Rads einsetzen. Dazu erweitern wir das Radwegenetz im Land, verbessern die Beschilderung und sorgen für mehr Sicherheit im Radverkehr. Doch gleichzeitig müssen wir die Bedürfnisse und Ansprüche aller VerkehrsteilnehmerInnen im Blick behalten. Dafür ist es oftmals nötig, Kompromisse zu finden. Uns ist klar, dass wir dabei nicht immer alle gleichermaßen zufriedenstellen können. Ich kann Ihnen zusagen, dass wir es uns hier aus den genannten Gründen nicht leicht gemacht haben.
Baden-Württemberg ist das einzige Land, das die Formulierung „zwei Meter“ ausdrücklich im Landeswaldgesetz stehen hat – sehr ähnliche gesetzliche Regelungen wie in Baden-Württemberg bestehen jedoch auch in anderen Bundesländern, beispielsweise in Rheinland-Pfalz und Thüringen. Dort ist das Radfahren nur auf forstlichen Wirtschaftswegen – in der Regel mit 3,50 Meter Breite – erlaubt. In Bayern z.B. ist das Radfahren auf geeigneten Waldwegen zulässig, die Geeignetheit wird jedoch außerhalb des Gesetzes definiert. Schmale Fußpfade sind beispielsweise nicht geeignet. Für die Waldnutzenden bringen solche Angaben nicht mehr, sondern weniger Klarheit.
Der Paragraf 37 des Landeswaldgesetzes regelt das Betreten und Befahren des Waldes und sieht unter anderem vor, dass das Radfahren in baden-württembergischen Wäldern grundsätzlich auf allen Wegen gestattet ist, die breiter als zwei Meter sind. Anders als beispielsweise in Hessen müssen es Waldbesitzer – auch alle Privatwaldbesitzer – hinnehmen, dass Wege mit einer Breite von über zwei Metern von Radfahrern genutzt werden. Damit sind über 85.000 Kilometer Waldwege für Radfahrer ohne Einschränkungen befahrbar. Auch auf Wegen, die schmäler sind als zwei Meter, kann das Radfahren erlaubt werden, wenn es durch eine Ausnahmeregelung festgelegt wurde.
Mit der 1995 einstimmig beschlossenen Regelung im Landeswaldgesetz sollen die schwächeren VerkehrsteilnehmerInnen im Wald geschützt werden. Zudem soll das Gesetz Rechtsklarheit bei Unfällen bieten. Mit der im Gesetz verankerten Möglichkeit, auf kommunaler Ebene Wege unter zwei Meter Breite für Radlerinnen und Radler zuzulassen, ist bereits heute eine flexible Handhabung möglich.
Wanderer und Spaziergänger haben ein Recht auf das freie Betreten und Interesse an einer ungestörten Erholung. Ihre Sicherheit sollte nicht durch andere Erholungssuchende im Wald gefährdet werden – eine gemeinsame Streckennutzung im Wald setzt voraus, dass genügend Reaktionszeit bleibt und ausreichend Raum zum Ausweichen zur Verfügung steht. Breite Waldwege bieten ausreichend Raum zum Ausweichen und sind zudem in der Regel übersichtlicher. Damit wird die Unfallgefahr reduziert. Zudem braucht es aus Sicht des Naturschutzes Ruhe- und Schutzzonen für die heimische Tier- und Pflanzenwelt, in denen diese nicht gestört wird. Dies gilt aus Sicht des Naturschutzes insbesondere für geschützte und gefährdete Arten. Zudem muss auf eine ausreichende Schonung von Waldboden und den Bestand geachtet werden.
Zwei Maßnahmen werden die Waldnutzung für die Mountainbiker und alle übrigen Radfahrer in Baden-Württemberg verbessern: Die Ausweisung neuer Radstrecken im Wald wird erleichtert. Das grün geführte Ministerium für Verkehr und Infrastruktur hat den Kommunen die Übernahme von fünfzig Prozent der Kosten zugesichert. Die Forstämter wurden gebeten, positiv auf Anliegen des Ausbaus neuer Strecken zu reagieren und zukünftig verstärkt Ausnahmen zu genehmigen. Dort, wo Strecken gewünscht werden, sollen vor Ort die damit zusammenhängenden Fragen gelöst werden. Dies fördert die Akzeptanz und sorgt für die bestmöglichen Ergebnisse. In den nächsten Jahren sollen ca. zehn Prozent der bestehenden Radwege zu Single Trails ausgebaut werden, auch dies ein Handeln der grün-roten Landesregierung. Und selbstverständlich sind die Radfahrverbände an der Planung und Umsetzung beteiligt.
Ich hoffe, Ihnen damit weitergeholfen zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Nikolaus Tschenk