Frage an Nikolaus Tschenk von Hans-Joachim K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Tschenk,
Sie schreiben in Ihrer Antwort an Herrn Trabandt folgendes: „Wanderer und Spaziergänger haben ein Recht auf das freie Betreten und Interesse an einer ungestörten Erholung. Ihre Sicherheit sollte nicht durch andere Erholungssuchende im Wald gefährdet werde […]“ Wie Ihnen Sicher bekannt ist erlaubt das Bundeswaldgesetz das Radfahren auf allen Waldwegen, dies wir durch die 2-Meter Regel massiv eingeschränkt. Darf ich Sie also folgendes fragen: A: Wieso haben Fußgänger ein Recht auf ungestörte Erholung und Radfahrer nicht? Sind Radfahrer Personen 2.Klasse für Sie? B: Können Sie objektiv nachweisen, dass die 2-Meter Regel die Sicherheit im Wald für Fußgänger erhöht oder uns wenigstens einen einzigen Unfall aufzeigen wo es auf schmalen Wegen gekracht hat? Ihre Kollegen haben das bis heute nicht geschafft, aber ich hab immer noch ein Fünkchen Hoffnung, dass wenigstens ein einziger Abgeordneter (in diesem Fall Sie) seine Argumente auch ordentlich belegen kann.
Freundliche Grüße
Sehr geehrter Herr Kleine,
selbstverständlich haben auch Radfahrer ein Recht auf Erholung. Dafür stehen, neben einer Vielzahl von Radwegen im ganzen Bundesland, die sukzessive ausgebaut werden, auch viele Wege in Wäldern zur Verfügung, die für das Radfahren geeignet und ausgebaut sind. Der ADFC schreibt dazu z.B.: „In Deutschlands Süden finden Radfahrer alles, was sie sich nur wünschen können […]. Von flachen Genussrouten bis zu sportlichen MountainbikeStrecken ist in Baden-Württemberg einfach alles drin. Die Radfernwege Baden-Württembergs mit über 4.500 Kilometern Länge bieten für Radfahrer ein umfangreiches Angebot.“
Es geht auch nicht im Mindesten darum, Radfahrer aus dem Wald zu verbannen. Ebenso wenig um eine Klassifizierung, sondern schlicht um den Schutz von schwächeren Verkehrsteilnehmern. Es gibt eine Vielzahl von Wegen, die mit dem Rad völlig problemlos befahren werden können. Zudem entstehen neue Strecken. Überall dort, wo Bedarf für Singletrails gesehen wird, können die Beteiligten vor Ort im Dialog durchaus auf die lokalen Gegebenheiten angepasste Lösungen finden. Bisher wurden auf diese Weise in 17 Stadt- bzw. Landkreisen rund 80 Kilometer speziell ausgewiesene Singletrails für Mountainbiker eröffnet, die schmäler als zwei Meter sind. Die Schwarzwald-Tourismus GmbH, die beiden Schwarzwald-Naturparke, der Schwarzwaldverein und ForstBW haben im Jahr 2013 ein gemeinsames Strategiepapier entwickelt, das weitere Pilotprojekte zum Radfahren im Wald angestoßen hat. Weitere Singletrails für Mountainbiker sollen ab 2014 in den Naturparken aber auch in anderen Waldgebieten, beispielsweise in Stuttgart und Freiburg, entstehen. Zudem werden vermehrt sogenannte Downhill-Strecken ausgewiesen, die nur für Mountainbiker gedacht sind. Auch bei der Einrichtung solcher Wege speziell für Radfahrer gibt es immer wieder Proteste, dann von anderer Seite. Trotzdem verteidigen wir deren Einrichtung, da eben auch Radfahrer Recht auf Wald haben, auch wenn dies nicht immer einfach ist, denn es ist notwendig, dass alle Verfahrensbeteiligten an einem Strang ziehen.
Die zwei Meter sind angelehnt an die Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung, die vorsieht, dass gemeinsame Fuß- und Radwege außerorts mindestens 2,0 Meter breit sein müssen, innerorts sogar 2,5 Meter. Nicht jeder Weg kann und sollte mit jedem Verkehrsmittel befahren werden. Daher gibt es ja auch zu Recht Wege, die für motorisierte Fahrzeuge, für Reiters u.s.w. gesperrt sind. Und dies gilt natürlich auch für Radfahrer. Auch bei schmalen Gehsteigen, in Fußgängerzonen ect. ist zu Recht das Fahren nicht erlaubt. Diese Regelungen dienen zum Schutz aller Verkehrsteilnehmer und besonders der schwächeren Verkehrsteilnehmer, hier der Fußgänger. Dieser Schutz ist genauso auch im Wald von Nöten, besonders noch, da die dortigen schmaleren Wege neben der schlechteren Übersichtlichkeit, die im Wald nun einmal gegeben ist, auch noch einen unebenen Untergrund bieten. Ein gefahrloser Begegnungsverkehr von Radfahrern und Fußgängern ist bei einer Breite unter 2 Metern nicht mehr gegeben. Daher ist die 2-Meter-Regelung durchaus wichtig für die Sicherheit von Fußgängern im Wald. Breite Waldwege bieten dagegen ausreichend Raum zum Ausweichen und sind zudem in der Regel übersichtlicher. Damit wird die Unfallgefahr deutlich reduziert.
Ein gutes Bespiel, wie gefährlich Radfahren auf schmalsten Waldwegen sein kann, finden Sie hier: http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=NCcd5qQcMQ8. An vielen Ecken wäre es hier für Fußgänger unmöglich, dem schnell entgegenkommenden oder sie von hinten überholenden Radfahrer auszuweichen, außer sie stürzen sich wagemutig die Böschung hinab. Und bei der Geschwindigkeit ist der Bremsweg einfach zu lang bei einem solchen Untergrund. Fragen Sie sich doch einmal ganz ehrlich, wie es ihnen als Fußgänger gehen würde, würde ein Radfahrer in diesem Tempo auf so einem schmalen Weg unvorhergesehen hinter ihnen angerauscht kommen. Außerdem ist es gefährlich für Läufer und Wanderer wenn Ihnen, wie mir schon einige Male passiert, plötzlich eine Gruppe Mountainbiker hinter einer unübersichtlichen Kurve, auf fußbreiten Pfaden, entgegenkommt. So ist keine Erholung mehr möglich. Hier gilt es, nach § 37 zu handeln: „Wer den Wald betritt, hat sich so zu verhalten, dass die Lebensgemeinschaft Wald und die Bewirtschaftung des Waldes nicht gestört, der Wald nicht gefährdet, beschädigt oder verunreinigt sowie die Erholung anderer nicht beeinträchtigt wird.“
Unfälle zwischen Radfahrern und Fußgängern können gravierende Verletzungen auf beiden Seiten nach sich ziehen. Jeder Sportler befand sich mit seinem Rad aller Voraussicht nach zumindest einmal in einer konkreten Gefährdungssituation. Und auch wenn die meisten Begegnungen glimpflich von statten gehen und die Fußgänger mit dem Schrecken, blauen Flecken u.ä. davon kommen, ist die Gefahr hier wirklich nicht zu unterschätzen. Hinsichtlich der Unfallzahlen unter Beteiligung von Mountainbikerinnen und Mountainbikern liegt für Baden-Württemberg keine Unfallstatistik vor, aus der spezifische Informationen entnommen werden könnten. Eine entsprechende Auswertung der polizeilichen Unfallstatistik wäre nur mit unverhältnismäßigem Aufwand leistbar. Auch aus anderen Bundesländern liegen keine Erhebungen vor. Die meisten Bundesländer arbeiten mit mehr oder weniger unbestimmten Rechtsbegriffen. In der Folge ist bei jedem Unfall unklar, ob auf dem Weg Radfahren erlaubt war oder nicht. Dies ist aber stets ausschlaggebend für die Haftungsfrage, da der Unfallhergang selbst meist nicht präzise rekonstruierbar ist. Doch um ein paar bekannte Bespiele zu nennen, erlitt im August 2010 eine Fußgängerin komplizierte Knochenbrüche, als sie von einem Jugendlichen im Stuttgarter Stadtwald angefahren wurde. Ein Spaziergänger verstarb 2011 an den Folgen der Kollision mit einem Mountainbiker im Wald. Ein anderer wurde 2013 vom Weg gedrängt und brach sich dabei die Hüfte. Doch zum Glück müssen bei Regelungen nicht regelmäßig schlimme Unfälle passieren, um ihre Berechtigung zu beweisen. Überschreiten der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf einer Straße führt ebenfalls nicht sofort und nicht in allen Fällen zu einem Unfall. Man wird ja auch nicht auf die Idee kommen, deshalb Geschwindigkeitsbeschränkungen abzuschaffen und durch die Forderung nach einem "freundlichen Miteinander" zu ersetzen. Oder nach dreimaliger geglückten Durchfahrt durch eine 30er-Zone mit 80 km/h die Erhöhung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit auf 80 km/h zu fordern.
Kombinierte Fuß- und Radwege sollten daher nur dann angelegt werden, wenn dies nach den Bedürfnissen der Fußgänger, insbesondere auch von älteren Verkehrsteilnehmern und Kindern, im Hinblick auf die Verkehrssicherheit vertretbar erscheint. Dies ist bei schmalen Waldwegen aber nicht der Fall. Hier muss man besonders die Sicherheit gerade der schwächeren Verkehrsteilnehmer berücksichtigen. Dies sollte auch Ihnen, gerade als Radfahrer, bewusst sein. Andererseits ist laut StVO z.B Sport und Spiel auf Radwegen mittlerweile ausdrücklich nicht erlaubt. Dies ist eine Einschränkung zum Schutze der Radfahrer und genauso berechtigt.
Dazu kommen teilweise gravierende Schäden für Wald und Wege. Hier sehen Sie Fotos von Waldwegen, nachdem sie von Mountainbikern frequentiert wurden: http://www.esslinger-zeitung.de/lokal/esslingen/esslingen/Artikel917769.cfm. Deren Wiederherstellung kostet bei Stadt- und Staatswald die Allgemeinheit jedes Jahr hohe Summen.
Mit freundlichen Grüßen,
Nikolaus Tschenk