Frage an Nicole Gohlke von Claudia M. bezüglich Menschenrechte
Sehr geehrte Frau Gohlke,
am 15.05.2020 haben 16 Mitglieder des Bundestages einen Appell an die MinisterpräsidentInnen der Länder gerichtet, die Wiedereröffnung der Bordelle nicht wieder zu genehmigen. Stattdessen fordern sie ein Sexkauf-Verbot nach dem Nordischen Modell.
Was bräuchten Sie noch an Informationen und Argumenten, um sich auch diesem mutigen und entschiedenem Schritt anzuschließen?
Das Nordische Modell besteht aus 5 Säulen und beinhaltet weit mehr als nur die Freierbestrafung:
• Säule 1: Unterstützung prostituierter Frauen (Ausstiegsprogramme)
• Säule 2: Aktive Eindämmung der Nachfrage nach Prostitution (Freierbestrafung)
• Säule 3: Einschränkung des Profits an Prostitution (Zuhälterei, Menschenhandel)
• Säule 4: Aufklärung über Prostitution (zur Bewusstseinsveränderung in der Gesellschaft)
• Säule 5: Prävention (Bewusstseinsbildung an Schulen)
Zu Ihrer Information finden Sie hier noch Informationen von Netzwerk Ella und Sisters zum Nordischen Modell
https://netzwerk-ella.de/index.php/2019/10/28/legalisierung-prostitutionsverbot-entkriminalisierung-nordisches-modell-wie-gesetzgeberisch-umgehen-mit-prostitution/
https://sisters-ev.de/wp-content/uploads/2020/04/Flyer-Faktencheck.pdf
und das „Konzept zur Implementierung von Elementen des Nordischen Modells auf kommunaler Ebene“ von Manuela Schon. https://abolition2014.blogspot.com/2020/01/konzept-zur-implementierung-von.html
Für Rückfragen und einen formellen oder informellen Austausch stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen
Arbeitskreis StopSexkauf des KOFRA,
Kommunikationszentrum für Frauen zur Arbeits- und Lebenssituation
Liebe Aktive,
vielen Dank für Ihre Nachricht. In der LINKEN werden unterschiedliche Wege diskutiert, wie mit Prostitution politisch umgegangen werden sollte. Viele Stimmen bei uns sind sehr kritisch was ein Sexkauf-Verbot angeht, weil sie befürchten, dass Prostitution dann noch stärker stigmatisiert und in das Verborgene verdrängt wird, was sich negativ auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von Sexarbeiter*innen auswirkt.
Wir sind uns als LINKE einig darin, dass wir eine Kriminalisierung von Sexarbeiter*innen ablehnen. Wir wollen Selbstorganisation sowie freiwillige Beratungs-, Umschulungs- und Fortbildungsangebote stärken. Alle Sexarbeiter*innen brauchen eine angemessene Gesundheitsversorgung sowie die Sicherstellung von sozialen Rechte, einen Anspruch auf Sozialleistungen und sozialversicherte Beschäftigung sowie die Einbeziehung in eine Solidarische Erwerbstätigenversicherung. Als LINKE nehmen wir die soziale Lage von Sexarbeiter*innen in den Blick und wollen dafür sorgen, dass Stigmatisierungen beendet werden und dass sie vor Gewalt geschützt werden.
Wir wollen Zwangsprostitution als Ausbeutung bekämpfen, ohne die zur Prostitution gezwungenen Menschen zu bekämpfen. Wir wollen Opfer von Menschenhandel besser schützen. Solange die Betroffenen keinen sicheren und eigenständigen Aufenthaltsstatus erhalten, sind die Täter durch die Angst der Opfer geschützt. Aufenthaltstitel, Schutz und Entschädigung müssen unabhängig von der Bereitschaft der Opfer, als Zeugin oder Zeuge in einem Strafverfahren auszusagen, gewährt werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Nicole Gohlke