Frage an Nicole Gohlke von Mario S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte/r Abgeordnete/r,
ich schreibe gerade meine Bachelorarbeit zu den Jamaika-Sondierungen 2017. Um möglichst viele Eindrücke, Hintergründe und Ideen zu sammeln, habe ich mich entschlossen, Sie als gewählte/r Abgeordnete/r anzuschreiben. Dabei interessiert mich vor allem Ihre Meinung zu den gescheiterten Verhandlungen. Was könnte der Grund für das Scheitern sein? Welche Folgen machen Sie an dem Scheitern fest? Wie haben Sie die Verhandlungen und das Ergebnis verfolgt?
Welche Motivation gibt/gäbe es für Ihre Partei, in eine Regierung einzutreten und wie können Parteien wieder stärker die Gunst des Wählers erlangen? Welchen und wie viel Einfluss haben politische Parteien in Deutschland in der heutigen Zeit, auch im Vergleich zu anderen (europäischen) Ländern?
Abschließend würde mich noch interessieren, ob und inwiefern unser politisches (Wahl-)System in Zusammenhang mit der Thematik steht und wie es reformiert werden könnte.
Über Ihr Mitwirken würde ich mich sehr freuen. Falls Sie weitere Informationen (Links, Berichte etc.), wäre ich Ihnen sehr dankbar. Vielen Dank.
Mit freundlichen Grüßen
M. S.
Sehr geehrter Herr S.,
vielen Dank für Ihre Fragen. Ich bitte um Verständnis, dass ich nicht alle Ihrer Fragen vollumfänglich eingehen kann. Dies würde den Rahmen von Abgeordnetenwatch sprengen.
Warum die Jamaika-Verhandlungen gescheitert sind, kann letztlich nur von den beteiligten Akteuren selbst beantwortet werden. Ich vermute allerdings, dass von Anfang gar kein großes Interesse an einer solchen Koalition bestand. Wenn man sich anschaut worauf sich die drei Parteien bis dahin verständigt hatten, ist das letztliche Scheitern zu begrüßen! Auch unter „Jamaika“ hätte es zum Beispiel keine spürbare Anhebung des Mindestlohns, keine Verringerung von Altersarmut oder eine generelle Abkehr von sachgrundlosen Befristungen bei Arbeitsverträgen gegeben.
Die Folge des Scheiterns ist die Fortsetzung der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Eine Koalition, die für Stillstand steht und Augenwischerei betreibt. Ob bei Wohnungsnot und Mietenwahnsinn, Pflegenotstand und zu niedrigen BAföG Sätzen. Was die große Koalition als Erfolge verkauft, sind keine Richtungswechsel, sondern minimale Ausbesserungen jahrelanger Missstände. Oder anders gesagt: die Zementierung eines nicht zufriedenstellenden Status quo. Fakt ist, diese Koalition ist stark angezählt und deren Zerbrechen dürfte nur noch eine Frage der Zeit sein.
Für Die Linke sind parlamentarische und außerparlamentarische politische Arbeit untrennbar. Wir streiten für unsere alternativen Reformprojekte und wollen Mehrheiten für ihre Durchsetzung gewinnen. Regierungsbeteiligungen sind für uns nur dann sinnvoll, wenn sie eine Abkehr vom neoliberalen Politikmodell bedeuten und einen sozial-ökologischen Richtungswechsel einleiten. Eine Regierungsbeteiligung kommt für uns dann in Frage, wenn sie zu einer spürbaren Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen führt und eine deutliche Umkehr in der Außenpolitik bedeutet.
Die Diskussionen über eine Wahlrechtsreform werden schon seit einigen Jahren geführt, leider ohne handfeste Veränderungen. Erst vor wenigen Monaten ist der Versuch das Wahlrecht zu reformieren an der CDU/CSU gescheitert. Die Repräsentative Demokratie und Verwaltung sind oftmals zu weit weg von den alltäglichen Problemen der Menschen und zu träge bei Entscheidungsprozessen zu drängenden Problemen – bspw. bei kostenlosem ÖPNV und Bahnausbau. Wir brauchen deshalb mehr basisdemokratische Teilhabemöglichkeiten.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Gohlke, MdB