Frage an Nicole Gohlke von Marcus K. bezüglich Verkehr
Sehr geehrter Frau Gohlke,
da wir in Giesing durch den Verkehr auf dem Mittleren Rings mit unerlaubten Abgasbelastungen belastet werden, folgende Fragen:
1. Reichen die auf dem sog. Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen aus, damit am Mittleren Ring die geltenden Grenzwerte eingehalten werden?
2. Auch der Abrieb von Fahrzeugen aller Art trägt zu den Grenzwertüberschreitungen bei. Um die Belastung zu senken, ist eine Reduzierung des individualisierten Verkehrs notwendig.
Werden Sie sich für die Einführung der blauen Plakette einsetzen? Muss aus Ihrer Sicht am Vergabeverfahren für die Plaketten etwas geändert werden?
Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die gesetzlichen Grundlagen für eine City-Maut geschaffen werden?
Welche weiteren Maßnahmen werden Sie bzgl. sauberer Luft vorantreiben?
3. Andere Verbrennungsmotoren tragen ebenfalls zu den Grenzwertüberschreitungen bei. Auch bei Benzinmotoren gilt, dass deren Schadstoffausstoß im Betrieb die Grenzwerte überschreitet, während sie auf dem Messstand erfüllt werden. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass künftig die Zulassung von Fahrzeugen ausschließlich auf der Basis von
Abgasmessungen im realen Betrieb erfolgt?
4. Stimmen Sie Frau Merkel zu, dass das Verbot von Verbrennungsmotoren ein richtiger Ansatz ist? Falls ja, ab welchem Jahr sollten Verbrennungsmotoren verboten werden?
5. Gehen Sie davon aus, dass die derzeit gültigen Grenzwerte auch für die nächsten 10 Jahre gültig sein werden? Werden Sie sich für eine Veränderung der Grenzwerte einsetzen? Wenn ja, in welche Richtung und aus welchen Gründen?
6. Müssen Diesel-Käufer von den Unternehmen entschädigt werden? Werden Sie sich für die Möglichkeit von Sammelklagen einsetzen?
7. Halten Sie es für richtig, dass das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrbundesamt Berichte zur Abgasbelastung mit den PKW-Herstellern abstimmen?
Mit freundlichen Grüßen,
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage!
Zu den Fragen:
1. Reichen die auf dem sog. Dieselgipfel beschlossenen Maßnahmen aus, damit am Mittleren Ring die geltenden Grenzwerte eingehalten werden?
Klares nein. Sofern die Grenzwerte zur Luftreinqualität bereits jetzt überschritten sind, werden sie durch die Maßnahmen so gut wie nicht sinken, allenfalls sehr geringem Ausmaß. Auf dem Dieselgipfel am 2.8. wurden lediglich Softwareupdates "beschlossen". Dieser werden die Luft nur geringfügig sauberer machen. Außerdem sind viele der von dem "Dieseldeal" am 2.8.2017 betroffenen 5,3 Mio Fahrzeuge bereits durch Softwareupdate umgerüstet, da es sich um Euro-5 Schummelfahrzeuge von Volkswagen handelt. Der "Deal" vom 2.8. ist für diese 2,5 Mio Fahrzeuge gar nicht neu, sondern VW war bereits Ende 2015 zur Umrüstung verpflichtet worden durch das Kraftfahr-Bundesamt (KBA). Auch weitere Fahrzeuge anderer Hersteller sind schon aufgrund von Vorgaben durch das KBA umgerüstet worden. Daher sind nach unserer Einschätzung zumindest für einen Großteil der Fahrzeuge kaum Verbesserungen der Luftqualität zu erwarten.
Meine Fraktion DIE LINKE hat hierzu bereits Fragen an die Bundesregierung gestellt, zuletzt die Kleine Anfrage vom 17.08. 2017, BT-Drs. 18/13387, zu finden hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/133/1813387.pdf
Wie wenig die Software Nachrüstungen bewirken, können Sie auch beim Umweltbundesamt nachlesen:
http://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/diesel-pkw-software-updates-reichen-nicht-aus-fuer
2. Auch der Abrieb von Fahrzeugen aller Art trägt zu den Grenzwertüberschreitungen bei. Um die Belastung zu senken, ist eine Reduzierung des individualisierten Verkehrs notwendig. Werden Sie sich für die Einführung der blauen Plakette einsetzen? Muss aus Ihrer Sicht am Vergabeverfahren für die Plaketten etwas geändert werden? Werden Sie sich dafür einsetzen, dass die gesetzlichen Grundlagen für eine City-Maut geschaffen werden? Welche weiteren Maßnahmen werden Sie bzgl. sauberer Luft vorantreiben?
Fakt ist, dass die Kommunen ein massives Problem mit ihrer Luftqualität haben, derzeit v.a. mit Stickoxiden (NOx). Das ist für Leben und Gesundheit ein Problem. Zudem laufen Vertragsverletzungsverfahren auf EU-Ebene. Erledigen sich diese nicht, muss die Steuerzahlergemeinschaft für die Strafzahlungen aufkommen, obwohl das Problem überwiegend von den Herstellern und ihren rechtswidrigen Abschalteinrichtungen verursacht wurde. In Kenntnis dieser hätte die Zulassung für die vielen Fahrzeuge nicht erteilt werden dürfen. Primär ist daher zu fordern, dass die Hersteller die Fahrzeuge effektiv umrüsten. Halterinnen und Halter von Fahrzeugen, die diese in gutem Glauben an die Vorschriftsmäßigkeit der Fahrzeuge gekauft haben, sollten nicht belastet werden. Solange aber die Bundesregierung nicht wie von uns gefordert die Hersteller in die Pflicht zu echten Hardwareumrüstungen nimmt, wird die Frage nach Fahrverboten/Blauer Plakette leider nicht beseitigt sein. Im Sinne der Gesundheit und Luftqualität wären diese dann als ultima ratio, also nicht gewünschtes aber unvermeidliche Mittel zu sauberere Luft in Betracht zu ziehen.
Frage 3: Andere Verbrennungsmotoren tragen ebenfalls zu den Grenzwertüberschreitungen bei. Auch bei Benzinmotoren gilt, dass deren Schadstoffausstoß im Betrieb die Grenzwerte überschreitet, während sie auf dem Messstand erfüllt werden. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass künftig die Zulassung von Fahrzeugen ausschließlich auf der Basis von Abgasmessungen im realen Betrieb erfolgt?
Selbstverständlich. Wir setzen uns in jeder Hinsicht für eine Grenzwertsetzung auf der Basis des realen Fahrzeugbetriebs ein. Eine Erfüllung der Grenzwerte allein auf der "Rolle" macht keinen Sinn. Im Hinblick auf Benzinmotoren, bei denen vor allem die Feinstaubpartikel problematisch sind, gilt dasselbe.
Frage 4. Stimmen Sie Frau Merkel zu, dass das Verbot von Verbrennungsmotoren ein richtiger Ansatz ist? Falls ja, ab welchem Jahr sollten Verbrennungsmotoren verboten werden?
Inwiefern Frau Merkel ihre Äußerung ernst gemeint hat, ist vor dem Hintergrund ihrer sonstigen Protegierung der Autoindustrie fraglich. Sie hat kein Jahr genannt, ab dem Verbrennungsmotoren verboten werden sollten. Wir setzen uns für ein Ende der Zulassung neuer Pkw mit Verbrennertechnologie ab 2030 ein, damit 2050 bis auf wenige Ausnahmen die Pkw-Flotte tatsächlich Null Co2-Emissionen verursacht.
Grundsätzlich vertreten wir den Ansatz, dass wir nicht mehr sondern weniger Individualverkehr brauchen. Daher sollte der ÖPNV gefördert werden. Das Thema Elektromobilität wirft im Hinblick auf ihre Klimaverträglichkeit (Herstellung der Batterien, Zusammensetzung des Strommixes) noch einige Fragen auf. Auch die Frage der Praxistauglichkeit (Reichweite der Energie, Ladestationen) ist nicht abschließend geklärt. In jedem Fall muss die Technologie schnell vorangetrieben werden.
All das aber entbindet die Bundesregierung nicht davon, die naheliegenden Maßnahmen zu ergreifen und die Hersteller verbindlich zu verpflichten, die Fahrzeuge nachzurüsten und sauber zu produzieren. Außerdem müssen die Hersteller für ihre illegalen Machenschaften zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist unerhört, dass bis heute keine Bußgelder erhoben wurden, obwohl auch diesbezüglich ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die BRD anhängig ist. Auch hier droht dem Steuerzahler wieder erhebliche Einbußen, weil die Bundesregierung untätig ist.
Frage 5. Gehen Sie davon aus, dass die derzeit gültigen Grenzwerte auch für die nächsten 10 Jahre gültig sein werden? Werden Sie sich für eine Veränderung der Grenzwerte einsetzen? Wenn ja, in welche Richtung und aus welchen Gründen?
Nein. Die Grenzwerte müssen weiter abgesenkt werden, das betrifft vor allem das Klimagift CO2, das auch eng mit dem Kraftstoffverbrauch und der KFZ-Steuer zusammen hängt. Bezogen auf Stickoxide wäre es zunächst wünschenswert, dass die gültigen Grenzwerte eingehalten werden und zwar ohne Wenn und aber. Derzeit hat die Bundesregierung erwirkt, dass aufgrund von Konformitätsfaktoren und Transferfunktionen die Grenzwerte auch im Real Driving Emission Test aufgeweicht werden. Inwieweit wie von der Weltgesundheitsorganisation gefordert, NOx-Grenzwerte weiter auf 20 statt 40 mg abgesenkt werden müssen, prüfen wir zur Zeit noch. In jedem Fall sind die Folgen für Leben, Gesundheit und Volkswirtschaft stets zu berücksichtigen, was nach unserer Ansicht durch die Bundesregierung nicht geschieht, die nach wie vor einseitig die Interessen der Automobilindustrie bevorzugt.
Frage 6. Müssen Diesel-Käufer von den Unternehmen entschädigt werden? Werden Sie sich für die Möglichkeit von Sammelklagen einsetzen?
Unbedingt! Die Bundesregierung hat dafür zu sorgen, dass die Dieselkäufer keine Nachteile erleiden und die verbindlich von den Herstellern zu verlangen. Statt dessen werden freiwillige Selbstverpflichtungen abgenommen, die weder Nachteile im Recht und schon gar nicht das Problem der drohenden Verjährung beseitigen.
Zahlreiche Klagen vor Zivilgerichten sind inzwischen erfolgreich. Der Erfolg der Mängelgewährleistungs - und Schadensersatzklagen beruht vor allem auf der Ansicht der Gerichte, dass VW (und ggf. andere Hersteller)die KäuferInnen und HändlerInnen betrogen und vorsätzlich sittenwidrig geschädigt hat.
Diese im wesentlichen gleich gelagerten Fälle würden mit einer Musterfeststellungsklage oder einem vergleichbaren Instrument des kollektiven Rechtsschutzes (Gruppenklagen o.ä.) gut gerichtlich geklärt werden können, ohne dass jede/r Verbraucher/in einzeln vor Gericht ziehen muss. Selbst wenn die Schäden verhältnismäßig gering sind: Unrecht darf sich für Unternehmen nicht lohnen, besonders wenn es wie im Fall VW massenhaft auftritt. Außerdem würde für ein einheitliches Rechtsprechung innerhalb der BRD gesorgt, die Gerichte entlastet.
DIE LINKE hat sich im Rahmen der parlamentarischen Initiativen für eine Sammelklage eingesetzt und wird dies weiterhin tun.
Frage 7. Halten Sie es für richtig, dass das Bundesverkehrsministerium und das Kraftfahrbundesamt Berichte zur Abgasbelastung mit den PKW-Herstellern abstimmen?
In dem presseöffentlich und aus den Akten des Untersuchungsausschusses "Abgasskandal" bekannt gewordenen Art und Umfang halte ich es keinesfalls für richtig, denn die Hersteller haben die wichtigen Botschaften des Untersuchungsberichtes wie zB bezogen auf die Rechtswidrigkeit der Abschalteinrichtung und deren Funktionsweise erheblich verwässert.
Abschließend empfehle ich Ihnen die Lektüre unseres Sondervotums zum 5. Parlamentarischen Untersuchungsausschuss "Abgasskandal" der 18. WP. Hierin sind Forderungen der Fraktion aufgeführt. Dieses finden Sie hier: http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/129/1812900.pdf .
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Gohlke