Frage an Nicole Gohlke von Florian G. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Gohlke,
das Mietwagenunternehmen Sixt hat am heutigen 07.11.2010 eine Demonstration dazu genutzt Guerillamarketing zu betreiben.
Ziel dieser Aktion war ganz offenbar nicht den gesellschaftlichen Diskurs zu bereichern, sondern als Trittbrettfahrer lediglich eigene kommerzielle Ziele zu verfolgen.
Details hierzu finden Sie auf der Website des Unternehmens unter http://www.sixtblog.de/werbekampagnen/der-castor-coup-von-sixt/
In diesem Zusammenhang habe ich folgende Fragen an Sie:
1. Wie stehen Sie dazu dass Unternehmen Demonstrationen für kommerzielle Zwecke missbrauchen?
2. Halten Sie das Demonstrationsrecht für so wertvoll dass es ihnen sinnvoll erscheint Massnahmen zu ergreifen um Unternehmen zukünftig derartige Betätigung effizient und umfänglich verbieten zu können.
3. Sollten Sie die vorangehende Frage mit JA beantworten, welche konkreten Massnahmen dürfen wir als Wähler von Ihnen diesbezüglich erwarten?
Mit freundlichen Grüßen,
Florian Gründel
Sehr geehrter Herr Gründel,
vielen Dank für Ihre Frage. Ich verstehe Ihre Empörung über die kommerzielle Instrumentalisierungen des Demonstrationsrechts.
Wir dürfen die Durchkommerzialisierung des öffentlichen Lebens nicht hinnehmen. Als hochschulpolitische Sprecherin der LINKSFRAKTION habe ich die Entwicklung an den Hochschulen besonders im Blick. Die Hochschulen werden zur Ware gemacht, durch öffentliche Unterfinanzierung und Umbau nach dem Leitbild der "Unternehmerischen Hochschule". Vorlesungen finden inzwischen teilweise in Easycredit- und Aldi-Süd-Hörsälen statt, statt öffentlicher Ausbildungsförderung erhalten ausgewählte Studierende "Deutschland-Stipendien" von Unternehmen und Lehrstühle zum Bankenrecht werden teilweise nicht mehr öffentlich besetzt, sondern von Privatbanken gestiftet. Es ist eine wichtige Aufgabe, den Kommerz zurückzudrängen und öffentlichen Raum für die Demokratie zurückzugewinnen. Im Bereich der Hochschule heißt dies vor allem, eine ausreichende öffentliche Finanzierung sicherzustellen, die Hochschulen für alle zu öffnen, die studieren können und wollen, und alle Mitglieder der Hochschule demokratisch an der Selbstverwaltung der Hochschulen zu beteiligen.
Das Demonstrationsrecht ist aus meiner Sicht in der Tat besonders wertvoll, ja unverzichtbar. Ohne das Recht auf Demonstration, Meinungsfreiheit, gewerkschaftliche Betätigung und Streik kann von einer demokratischen Gesellschaft nicht gesprochen werden. Aus diesem Grund spreche ich mich gegen Einschränkungen des Demonstrationsrechts aus. Ich habe dies auch im Zusammenhang mit der Verschärfung des Bayerischen Versammlungsrechts getan. Meine damalige Pressemitteilung finden Sie hier: http://www.nicole-gohlke.de/index.php/presse/pressemeldungen/141-wir-werden-uns-unser-versammlungsrecht-nehmen. Ich fürchte, dass Versuche, einen kommerziellen Missbrauch des Demonstrationsrechts auszuschließen, letztlich zulasten des Demonstrationsrechts insgesamt gehen würden.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Gohlke