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Frage von Joachim R. •

Frage an Natascha Kohnen von Joachim R. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Liebe Natascha Kohnen,
Sie sind Mitglied des Ausschusses für Wohnen, Bauen und Verkehr.
Die Mietexplosion in München, wie auch in anderen attraktiven Grossstädten, ist u.a. eine Folge von mehr Nachfrage nach Wohnraum, als Angebot geschaffen wird.

Mietpreiserhöhungen liessen sich deshalb auch nicht mit formal verordneten Mietpreisbremsen verhindern, weil dadurch schließlich auch keine neuen Wohnungen geschaffen werden. Stattdessen fanden sich, wie fast immer bei Verordnungen die dem Markt entgegenlaufen, Hintertüren, die den gewünschten Effekte verhindern.

Insofern kann m.E. der Mietpreisexplosion nur durch Reduktion der Wohnungsnot entgegengewirkt werden.

Meine Fragen:

1. München ist über Jahrzehnte sozial demokratisch regiert worden. Dennoch ist hier die Wohnungsnot am größten. Was hat die SPD aus den offensichtlichen Fehlern/Versäumnissen der Vergangenheit gelernt und werden Sie zukünftig anders machen?

2. Angenommen, die SPD hätten die Mehrheit im Stadrat und im Landtag, was konkret, würden Sie mit wieviel zusätzlichem Wohnraum, bis wann, in München, glauben, realistisch umsetzen zu können?

Gruß
J. R.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr R.,

Natascha Kohnen ist in wohnungspolitischen Fragen im steten Austausch mit dem Oberbürgermeister der Stadt München. In einer Pressekonferenz im Januar 2019 stand das Thema Bodenpolitik im Vordergrund, hier u.a. mit der Forderung nach einem Landesfond, der es Städten und Gemeinden erleichtern soll, Grundstücke für den Wohnungsbau bereitzustellen.

Den vollständigen Text der Pressemitteilung finden Sie hier: https://bayernspd-landtag.de/presse/pressemitteilungen/?id=425860

Oberbürgermeister Dieter Reiter hat sich wiederholt öffentlich dazu geäußert, was ihm als Stadtoberhaupt im Rahmen seiner Befugnisse bereits möglich ist - und was auf der anderen Seite der Gesetzgeber noch tun muss, um den Kommunen bei einer gemeinwohlorientierten Bodenpolitik mehr Spielraum und mehr Einfluss zu geben.

So zum Beispiel im März 2019 bei einem Austausch u.a. mit dem Vorsitzenden der Baulandkommission des Bundes:

https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtpolitik/M-nchner-Zukunftsdialog/Brauchen-wir-ein-neues-soziales-Bodenrecht-.html

Die Münchner SPD hat 2018 erneut wesentliche Forderungen zum bezahlbaren Wohnen aufgestellt. Hier ein Auszug:

„- Eine grundsätzliche Reform des Bodenrechts

Entscheidender Kostenfaktor beim Wohnungsbau sind die Grundstückspreise. Sie haben sich in München in den letzten 10 Jahren verdreifacht. Wir brauchen daher dringend eine Reform für ein soziales Bodenrecht.

Wir wollen angelehnt an die seit 1994 erfolgreich angewandte Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) Abschöpfungsmöglichkeiten für Planungsgewinne auf privaten Flächen auch dort schaffen, wo es keinen echten Bebauungsplan gibt. In München müssen mehr als die Hälfte der Baurechtgenehmigungen in Gebieten ohne Bebauungsplan nach § 34 Baugesetzbuch erteilt werden. Um diese Grundstückseigentümer mit zur Finanzierung von gefördertem Wohnraum und der notwendigen Infrastruktur heranzuziehen, brauchen wir eine Änderung des Baugesetzbuches durch den Bund.

- Eine signifikante Erhöhung der Mittel für die Wohnbauförderung

Wir begrüßen die mehrmalige Erhöhung der Bundesmittel für die soziale Wohnraumförderung und die Absicht des Bundes zu einer Grundgesetzänderung, um den zielgerichteten Einsatz dieser Mittel für bezahlbaren Wohnraum durch eine Zweckbindung auch sicherzustellen, als Schritt in die richtige Richtung. Aber: Viele Bundesländer haben diese Mittel zweckentfremdet, der Freistaat hat damit auch Einfamilienhäuser in Regionen gefördert, in denen es keinen Wohnraummangel gibt. Zudem brauchen wir in München aber mehr Mittel, die der LH München vom Freistaat Bayern direkt zur Verfügung gestellt werden. Die auf dem Wohnungsgipfel angekündigten 5 Mrd. Euro für den sozialen Wohnungsbau reichen bei weitem nicht aus. Zum Vergleich: Allein München stellt für das Programm „Wohnen in München VI“ und die vergünstigte Abgabe von Grundstücken an Genossenschaften über 1 Mrd. Euro zur Verfügung. Das Baukindergeld löst in München kein einziges Wohnungsproblem, sondern dient ausschließlich Mitnahmeeffekten.

Bund und Land müssen künftig auch Fördermittel für „Normalverdiener“ zur Verfügung stellen. Anhaltspunkte dazu können die Fördergrenzen nach dem „München-Modell“ sein – wobei die Fördergrenze für Ein- und Zwei-Personen-Haushalte deutlich angehoben werden müssen. Auch der Polizist und die Krankenschwester müssen von der Förderung profitieren können. Zudem müssen die Förderungen erheblich erhöht werden. Bayern muss seiner durch die Föderalismusreform 2006 übertragenen Aufgabe endlich gerecht werden und auch eigene Mittel in weitaus höherem Umfang bereitstellen.

- Wiedereinführung des Wohnraumaufsichtsgesetzes durch den Freistaat

Bayern hat 2004 mit den Stimmen der CSU und der Grünen das Wohnraumaufsichtsgesetz aufgehoben. Seitdem hat die Landeshauptstadt München keine ausreichende Grundlage mehr, gegen unwürdige Zustände wie z. B. 2014 in Kirchtrudering oder 2016 (Wohnhausbrand in der Dachauer Straße) wirksam vorzugehen. Kommunen müssen aber die Möglichkeit haben, Überbelegung und Mietwucher kontrollieren zu können. Es darf nicht sein, dass skrupellose Vermieter die Notlage von wohnungssuchenden Menschen und Familien ausnutzen.

- Eine Reform des Mietspiegels

In der jetzigen Ausgestaltung dürfen zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete nur Mietänderungen der letzten vier Jahre herangezogen werden. Während also alle teuren Neuvermietungen in den Mietspiegel einfließen, bleiben günstigere Mieten aus Altverträgen außen vor. Außerdem dürfen Mieten bei städtischen Wohnungsgesellschaften oder Genossenschaften nicht berücksichtigt werden. Auf den so ermittelten Mietspiegel dürfen sich aber ausnahmslos alle Vermieter berufen – die Mieterhöhungsspirale ist also systembedingt vorgegeben. Wir brauchen hier dringend eine Reform, die künftig ausnahmslos alle Bestandsmieten in einer Kommune erfasst, um ein echtes und realistisches Abbild des Münchner Mietmarktes auch im Mietspiegel zu zeichnen. Die jetzt auf dem Wohngipfel angekündigte Verlängerung des Betrachtungszeitraums von vier auf nur sechs Jahre bleibt weit hinter unseren Erwartungen zurück und wird kaum Einfluss auf die Mietentwicklung in München haben. Wenn der Zeitraum wegen des Widerstands der Union im ersten Schritt nicht auf mindestens zehn Jahre verlängert wird, stellt sich für uns die konkrete Frage nach der Sinnhaftigkeit einer Fortsetzung der Großen Koalition in Berlin.

- Eine verschärfte, dauerhafte Mietpreisbremse

Wir begrüßen das überfällige Mieterschutzgesetz des Bundes mit Verschärfung der Mietpreisbremse und Absenkung der Modernisierungsumlage von 11 % auf 8 % und einer Deckelung auf 3 Euro/m2 in sechs Jahren als ersten Schritt in die richtige Richtung. Uns reicht das aber nicht aus. Wir halten eine Modernisierungsumlage generell für systemfremd und wollen die vollständige Abschaffung. Bis zur Realisierung der Abschaffung darf die Modernisierungsumlage längstens bis zur Amortisation der Kosten verlangt werden.

Wir wollen in einem nächsten Schritt eine Absenkung der Kappungsgrenze für Mieterhöhungen nach dem Vorbild der Münchner Kommunalen Mietpreisbremse von maximal 10 % in 5 Jahren für alle Bestandmieten und Wiedervermietungsmieten bis zu einer Höhe von 10 % unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete.

Der Freistaat Bayern muss alle zugunsten von Mietern geltenden Verordnungen mit Bezug auf Gebiete mit angespannter Wohnungssituation frühzeitig verlängern, verbessern, rechtssicher ausgestalten und wo immer möglich entfristen.

- Verbesserung der Möglichkeit des Erlasses von Erhaltungssatzungen sowie Vorkaufsrechte der Kommunen

Wir fordern die Ausweitung der mit dem Instrument der Erhaltungssatzung verbundenen kommunalen Möglichkeiten auf das gesamte Stadtgebiet. Kommunen soll beim Verkauf von Wohnraum grundsätzlich ein Vorkaufsrecht eingeräumt werden, nicht nur wie bisher in Erhaltungssatzungsbieten. Potentielle Käufer, denen in den letzten fünf Jahren ein Fehlverhalten nachgewiesen werden konnte, sollen für fünf Jahre von weiteren Käufen, insbesondere vermieteten Wohnraums ausgeschlossen werden.

Zudem soll die Erhaltungssatzung auf städtebauliche Strukturen wie kleinteilige Mischung aus Gewerbe, Handwerk, Einzelhandel und Gastronomie, also nicht nur das Wohnen, erweitert und u.a. die Veräußerungssperrfrist deutlich verlängert werden. Der Kriterienkatalog zur Ermittlung des Aufwertungs- und Verdrängungspotentials eines Gebietes muss als Zwischenschritt dringend überarbeitet und an die aktuellen Entwicklungen angepasst werden.

München ist mit der Verschärfung der Abwendungserklärungen ab 1. Juli 2018 bis an den äußersten Rand des heute rechtlich zulässigen gegangen. Die Mieterinnen und Mieter in den jetzt 22 Erhaltungssatzungsgebieten haben Dank der SPD den bundesweit höchsten Schutz vor Verdrängung durch Umwandlung, Modernisierung und Mieterhöhungen.

- Veränderungen im Planungsrecht

Planungshemmnisse für Wohnraum sind abzubauen. Kommunen sollen notwendige Einrichtungen und Unterbringungsmöglichkeiten für wohnungslose Menschen im gesamten Stadtgebiet schaffen dürfen. Bauplanungsrecht und immissionsschutzrechtliche Vorschriften müssen aufeinander abgestimmt werden, die Kommunen brauchen rechtliche Grundlagen für eine bessere Nutzungsdurchmischung. Vor allem aber brauchen wir baugesetzliche Erleichterungen für die Schaffung von Wohnraum mit Mitteln der sozialen Wohnraumförderung und Realisierung stadtentwicklungspolitischer Ziele.

- Eine weitere Verschärfung des Instruments der Zweckentfremdung

Kommunen müssen gezielt gegen den Leerstand von Wohnungen und gegen Scheinmietverträge vorgehen können. Wir fordern vom Freistaat unverzüglich gesetzliche Nachbesserungen mit einer Registrierungs- und Genehmigungspflicht von gewerblich vermietetem Wohnraum. Tourismusplattformen wie Airbnb müssen unter Androhung hoher Geldbußen zur Offenlegung ihrer Daten verpflichtet werden. Gegebenenfalls müssen Kommunen zweckentfremdeten Wohnraum auch beschlagnahmen und treuhänderisch räumen lassen können.

- Verbesserung im Steuerrecht

Wir fordern vom Bund:

Die Einführung von steuerlichen Erleichterungen für kommunale und sozial orientierte Wohnungsbaugesellschaften;
Die Wiedereinführung der Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7 k Einkommensteuergesetzes für Mietwohnungsneubau im bezahlbaren Segment;

Eine Wiederbelebung des Werkswohnungsbaus mit gesonderten Abschreibungsmöglichkeiten für Unternehmen und Streichung des derzeitigen „geldwerten Vorteils“ für die Arbeitnehmer bei Inanspruchnahme einer Werkswohnung;
Vermieter, die Wohnungen für Nicht-Verwandte kostengünstig für unter zwei Drittel der ortsüblichen Vergleichsmiete überlassen, dürfen steuerlich nicht benachteiligt werden;

Bei der anstehenden Reform der Grundsteuer muss darauf geachtet werden, dass unbebaute Grundstücke mit vorhandenem Baurecht so stark besteuert werden, dass sich Bodenspekulation nicht rechnet. Wir fordern die Umlagemöglichkeit der Grundsteuer auf Mieterinnen und Mieter zu streichen.

- Förderung des genossenschaftlichen Wohnens

Die Beteiligung an Genossenschaften muss für den Einzelnen auch über Baudarlehen möglich sein. Zudem soll dies in das Programm „Baukindergeld“ und in die Wohnungsbauprämie aufgenommen werden. Genossenschaften und städtische Wohnungsgesellschaften müssen mit Kommunen bei der

Vergabe von Grundstücken der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) oder des Bundeseisenbahnvermögens gleichgestellt werden. Zudem muss es Nachrangdarlehen mit langer Laufzeit und Zinsbindung geben. Der Freistaat Bayern muss seine Praxis, eigene Grundstücke nur zum Höchstpreis zu verkaufen, beenden.

Viele der aufgezählten Maßnahmen brauchen ihre Zeit bis zur tatsächlichen Umsetzung durch gesetzgeberisches Handeln. Wir können aber nicht so lange warten, die Mieten steigen in München in einem nie dagewesenen Tempo. Die Demonstration #ausspekuliert hat gezeigt, dass die Angst vor Wohnungsverlust bis tief in die Mittelschicht der Stadtgesellschaft reicht.

Deshalb fordern wir als Sofortmaßnahme einen Mietenstopp für die nächsten fünf Jahre, in denen alle Mieten höchstens um die Inflationsrate steigen dürfen.“

Mit freundlichen Grüßen
i.A. Natascha Kohnen

Ingrid Pflug
wiss. Mitarbeiterin