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Natalie Pawlik
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Frage von Till B. •

Frage an Natalie Pawlik von Till B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Pawlik,

sind sie für Nord Stream II, also dafür die Abhängigkeit von russischem Gas noch weiter zu steigern?

Sollte man nicht weniger Gas aus Russland beziehen, so lange noch russische Soldaten in der Ostukraine kämpfen und Putin Rechtsradikale in Europa unterstützt?

Fließt nicht ein Teil der Erlöse aus den Gasverkäufen an Russland in Putins Aufrüstung und seinen Unterdrückungsapparat?

Damit kein Missverständnis entsteht: Ich habe gute russische Freunde (aber natürlich andere als Gerhard Schröder) und bin kein Russlandfeind, sondern das Gegenteil, also ein Putin – Gegner.

Mit freundlichen Grüßen
T. B.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr B.,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 02.08.2017. Sie sprechen mit Ihren Fragen ein Thema an, das eine außerordentliche Komplexität aufweist. Der Entscheidungskonflikt um das Projekt „North Stream 2“ besitzt eine außen-, wirtschafts-, energie- und klimapolitische Dimension. Deutschland steht im Zwiespalt zwischen den etablierten Partnern in Europa und den USA sowie dem russischen Staat, der für die deutsche Außen- und Wirtschaftspolitik unbestreitbar große Chancen bietet.

Als Sozialdemokratin ist mir sehr daran gelegen, die Beziehungen zum russischen Staat maßvoll und mit diplomatischem Feingefühl kontinuierlich zu verbessern, aber nicht um jeden Preis. Keine Partei setzt sich so stark für einen Dialog zwischen Ost und West ein wie die
SPD, aber die derzeitigen politischen Verhältnisse in Russland verhindern einen Erfolg unserer Bemühungen. Die Regierung unter Präsident Putin schränkt Menschenrechte und die Pressefreiheit ein und beteiligte sich nachweislich an einer Destabilisierung der Ostukraine. Die völkerrechtswidrige Annexion der Krim im Jahr 2014 stellt die Übertretung einer roten Linie dar, die folgerichtig mit Sanktionen belegt werden musste.

Im Zusammenhang mit dem Projekt darf aber nicht vergessen werden, dass es sich hier um keine staatliche Maßnahme handelt, sondern um ein Projekt der Privatwirtschaft, an dem neben deutschen Unternehmen wie der BASF-Tochter Wintershall auch Unternehmen anderer europäischer Staaten beteiligt sind. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt wurde ein
größerer Millionenbetrag investiert, der in einem politischen Interventionsfall mit Steuermitteln ausgeglichen werden müsste. Zudem hängen auch in Deutschland Arbeitsplätze am Erfolg des Projekts – durch den Bau kurz- und mittelfristig sowie durch den Betrieb und die
Instandhaltung auch langfristig. Nicht zu vergessen ist außerdem, dass der Faktor Erdgas eine entscheidende Rolle für die Klimaziele, zu denen sich der deutsche Staat im Pariser Klimaschutzabkommen verpflichtet hat, spielt. Ein sozialverträglicher Ausstieg aus der
emissionintensiven Braun- und Steinkohle sowie aus der Atomkraft kann nur gelingen, wenn der Bedarf zwischenzeitlich mit Erdgas gedeckt wird. Auch langfristig braucht es Pufferkapazitäten in der deutschen und europäischen Energieversorgung, die neben den erneuerbaren Energien die Stromversorgung sicherstellen, solange keine hinreichenden Speichermöglichkeiten entwickelt wurden.

Von zentraler Bedeutung sind für mich aber die Auswirkungen auf europäischer Ebene. Insbesondere unsere polnischen Nachbarn sehen die Gefahr, durch die Verdrängung als Transitland für den Erdgastransport nach Mitteleuropa angreifbar zu werden. Diese Befürchtungen teilen auch die baltischen Staaten und die Ukraine. Die genannten Vorteile des Projektes dürfen nicht mit einer Spaltung Europas erkauft werden. Gerade in Anbetracht des angespannten politischen Klimas zwischen der europäischen Union und Russland sollte daher Abstand von der geplanten Indienststellung der 2. Erdgaspipeline durch die Ostsee im Jahr 2019 und einer damit einhergehenden, langfristigen Bindung an die russische Energiepolitik genommen werden, eher nicht eine einvernehmliche Lösung gefunden wurde. Die europäische Kommission, die Bundesregierung und die russische Regierung sollten sich darüber verständigen, ob und wie Modifikationen am Projekt oder politische Vereinbarungen denkbar sind, die die Bedenken unserer osteuropäischen Freunde ausräumen können. Außerdem sollte ausgeschlossen werden, dass mit Gewinnen aus Erdgasexporten nach Deutschland eine weitere Destabilisierung der Ostukraine finanziert werden, wie Sie es in Ihrer Fragestellung bereits korrekt aufgezeigt haben.

Ich persönlich hoffe, dass sich die Situation in den kommenden Jahren in eine solche Richtung verändern wird, denn unter den gegenwärtigen Umständen könnte ich dem „North Stream 2“-Projekt meine Zustimmung nicht erteilen.

Mit freundlichen Grüßen

Natalie Pawlik

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