Frage an Nadine Schön von Claus H. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrte Frau Schön,
irritiert nehme ich in Ihrem heutigen Redebeitrag in der aktuellen Stunde im Bundestag zur Kenntnis, das wir in der Bundesrepublik nicht im Kapitalismus leben und das Eigentum geschützt werden müsse.
Donnerwetter, da haben Sie mich aber ganz schön durcheinander gebracht und verunsichert. Schnell das Grundgesetz suchen und nachgucken, ob sich da was verändert hat, was ich nicht mitbekommen habe. Und siehe da, Artikel 14 gibt es noch: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.“ Ich verstehe das so, dass man nicht der Oma ihr klein Häusschen wegnimmt, sondern die Gelegenheit des Staates grundgesetzlich verankert ist, im Sinne des Allgemeinwohl die Eigentumsrechte zu regeln, so dass die Allgemeinheit davon profitiert.
Frage: Sehen Sie das auch so wie ich, dass das Wohl der Allgemeinheit vorrang vor rücksichtsloser Profitmaximierung mit allen negativen Auswirkungen auf Arbeitsplätze, fehlende Steuereinnahmen und die Volkswirtschaft hat?
Wir leben nicht im Kapitalismus, sagen Sie. Ja wo denn sonst? Was ist denn so schlimm, den Begriff "Kapitalismus" zu gebrauchen? Die Aktionäre verkaufen sofort alle ihre Aktien, wenn sie Ihnen glauben sollten, was sie aber natürlich nicht tun! Denn sie wissen es besser als Sie. Wikipedia, schreibt folgendes:
"Kapitalismus bezeichnet zum einen eine spezifische Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, zum anderen eine Epoche der Wirtschaftsgeschichte. ... Allgemein begreift man Kapitalismus als eine Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die auf Privateigentum an den Produktionsmitteln und einer Steuerung von Produktion und Konsum über den Markt beruht. Als weitere Merkmale werden genannt: die Akkumulation und das Streben nach Gewinn im kontinuierlichen, rationalen kapitalistischen Betrieb“. Das ist doch exakt das, was wir in der BRD vorfinden!
Frage: Werden Sie bei nächster Gelegenheit sich korrigieren und dem Bundestag mitteilen, dass wir doch im Kapitalismus leben?
Sehr geehrter Herr Hübner,
ich werde der Definition von Wikipedia nicht wiedersprechen. Aber wenn wir schon bei Wikipedia sind, dann sollte man im zitierten Abschnitt nicht einen wichtigen Aspekt weglassen. Die von Ihnen benutzte Auslassung (…) heißt ja bei Wikipedia so: „Die zentralen Merkmale sind in Anbetracht des historischen Wandels und der zahlreichen Kapitalismusdefinitionen sowie weltanschaulicher Unterschiede umstritten.“ So eindeutig ist die Sache dann wohl doch nicht. Deshalb spreche ich bei unserem Gesellschafts- und Wirtschaftssystem auch lieber von der „Sozialer Marktwirtschaft“. Um bei Wikipedia zu bleiben, finden Sie dort folgenden Eintrag: „Soziale Marktwirtschaft ist ein gesellschafts- und wirtschaftspolitisches Leitbild mit dem Ziel, „auf der Basis der Wettbewerbswirtschaft die freie Initiative mit einem gerade durch die wirtschaftliche Leistung gesicherten sozialen Fortschritt zu verbinden“.“
Ob nun „Kapitalismus“ oder „Soziale Marktwirtschaft“, beide Begriffe sind interpretationsfähig. So heißt es auf Wikipedia zum Begriff der „Sozialen Marktwirtschaft“ weiter: „Da der Ausdruck keineswegs eindeutig und deshalb interpretationsbedürftig ist, kann unter Soziale Marktwirtschaft sehr Verschiedenes verstanden werden“. Einen eindeutigen Begriff gibt es somit nicht.
Für mich charakterisiert aber die Bezeichnung „Soziale Marktwirtschaft“ besser das deutsche Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, als der in meinen Augen noch vieldeutigere Begriff „Kapitalismus“.
Mit freundlichen Grüßen
Nadine Schön MdB