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Miriam Gruß
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Frage von Michael K. •

Frage an Miriam Gruß von Michael K. bezüglich Jugend

Sehr geehrte Frau Gruß,

mit großer Freude habe ich heute den Antrag von 46 Abgeordneten des Deutschen Bundestages (16/9868) auf Einführung eines Wahlrechts ab Geburt gelesen, da ich selbst bereits schon vor fast 1 Jahr darüber mit Vertretern der JU und den Jusos darüber diskutiert habe.

Mit großem Überraschen musste ich Feststellen, dass Sie nicht zu den 46 Abgeordneten zählen, die diesen Antrag unterstützen.
Da ich engagiertes JuLi und FDP-Mitglied bin interessiere ich mich in erster Linie für die Standpunkte der FDP Abgeordneten. Aufgrund Ihrer Funktion als Jugendpolitische Sprecherin der FDP-Fraktion wende ich mich deshalb in dieser Angelegenheit an Sie.

Über eine Antwort freue ich mich und bedanke mich bereits jetzt ganz herrzlich.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Krämer

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Krämer,

vielen Dank für Ihre Email.

Ein Wahlrecht für Kinder, das treuhänderisch von den Eltern ausgeübt wird, ist verfassungsrechtlich äußerst bedenklich und stärkt die Rechte der Eltern, anstatt die der Kinder zu fördern. Die Idee eines „Wahlrechts von Geburt an“ ist unpraktikabel und erreicht nicht das angestrebte Ziel.

Der Gesetzentwurf verletzt unsere Verfassung in seinen elementaren Grundsätzen. Eine Wahl als höchstpersönliches Recht wäre nach diesen Plänen weder unmittelbar, frei noch geheim, gemäß Artikel 38, Absatz 1 des Grundgesetzes. Aber vor allem wird hier gegen die Wahlrechtsgleichheit verstoßen. Zukünftig hätten Eltern mit Kindern also viel mehr Stimmen als kinderlose Paare. Im Regelfall würden die Eltern wohl die Stimmen ihrer Kinder ihrer eigenen politischen Heimat zusätzlich geben. Diese stärkere Gewichtung von Familien mit Kindern kollidiert massiv mit Artikel 3, Absatz 1 des Grundgesetzes. Es wird realitätsfern vorausgesetzt, dass Eltern den Wünschen ihrer Kinder entsprechend wählen. Mit dem Willen des Kindes hat das nichts zu tun. Welchen politischen Wunsch hat ein drei Monate altes Baby? Und woher weiß der Sohn, dass der Vater wirklich in der Wahlkabine das Kreuz an der Stelle macht, an der er es sich wünscht?

In dem Gesetzentwurf fordern die Unterzeichner eine insgesamt kinderfreundlichere Gesellschaft, die Förderung der Bereitschaft junger Erwachsener, Eltern zu werden und den Abbau von Problemen und Nachteilen für Familien mit Kindern. Unsere Gesellschaft wird nicht kinderfreundlicher, nur weil Eltern bestimmen dürfen, welche Partei sie für ihre Kinder wählen. Eine junge Frau wird sich nicht durch eine ihr mit der Geburt übertragene Stimme davon überzeugen lassen, ein Kind zu bekommen. Es entstehen keine Vorteile für Familien durch eine eventuell höhere Wahl“beteiligung“.

Wer das politische Gewicht der Familie stärken will, muss dies über eine bessere Bildungs- und Familienpolitik tun. Dies ist auch dringend erforderlich. Dazu zählen Faktoren wie die finanzielle Absicherung einer Familie und die Vereinbarkeit mit dem Beruf. Im Mittelpunkt sollten die Kinder und Jugendlichen selbst stehen. Sie sollen dazu bewegt werden, sich für Politik zu interessieren und sich zu engagieren.

Man stelle sich zur Veranschaulichung folgende Situation vor: Sohn Moritz, 17 Jahre alt, politisch links orientiert und engagiert, hat eine klare politische Meinung. Seine Schwester Lara ist elf Jahre alt und hat von Politik noch keine Ahnung. Ihr Vater Fritz und ihre Mutter Birgit leben in Scheidung, das Sorgerecht ist noch nicht geklärt. Vater Fritz interessiert sich wenig für Politik und wählt aus Gewohnheit seit Jahren CDU. Mutter Birgit hat einen neuen Partner, der bei der nächsten Wahl für die SPD antritt und jede Stimme gebrauchen kann. Ginge es nach den Plänen von 47 Abgeordneten, wählen zukünftig bis zur Volljährigkeit die Eltern für ihre Kinder. Aber wer wählt für wen? Die Mutter für die Lara, der Vater für Moritz oder wird gewürfelt? Klar ist in diesem Fall: Moritz und Lara hätten nichts davon. Konsequenz für beide Kinder: Lieber keine Stimme, als ein von den Eltern an der falschen Stelle gesetztes Kreuz. Kann das der Sinn und Ziel unserer Politik sein?

Ein Wahlrecht von Geburt an, welches die Eltern befähigt, die Stimme ihrer Kinder entgegen deren Willen einer Partei ihrer Wahl zu geben, erreicht das Gegenteil bei der zukünftigen Generation: Politikverdrossenheit und Unverständnis.

Mit freundlichen Grüßen

Miriam Gruss