Frage an Michael Schlecht von Thomas R. bezüglich Kultur
Sehr geehrter Herr Schlecht,
Das Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim aus ihrem Wahlkreis verschickt seit einigen Wochen Abmahnungen über die Berliner Anwaltskanzlei Müller Müller Rößner. Hintergrund ist ein unstrittig gemeinfreies Portrait des Komponisten Richard Wagner. Das Museum beansprucht Urheberrecht an einer Fotografie des Bildes. Einige Betreiber hatten es auf ihren kleinen Internetseiten verwendet, weil sie von den Urheberrechtsansprüchen nichts wissen konnten. Eine der Websites, ein Musik-Portal für Kinder, ist auf Grund der Abmahnsumme vorübergehend geschlossen. Das Museum erklärte, es sei auf Grund der herrschenden Rechtslage in Baden-Württemberg zu dem Vorgehen gezwungen.
Des Weiteren verklagt das Reiss-Engelhorn-Museum Mannheim gegenwärtig die Wikipedia wegen Verbreitung des Bildes. Sie berufen sich dabei auf ein Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Juni. Die Wikipedia meint, dass nach dem Bibelreproduktionsurteil des BGH von 1989 Fotos von gemeinfreier Kunst nie selbst urheberrechtlich schützenswert sind.
Falls das Reiss-Engelhorn-Museum Recht bekommt, steht zu befürchten, dass langfristig kein gemeinfreies Bildmaterial von Wikipedia mehr rechtssicher genutzt werden.
Meine Fragen:
1) Sollten fotografische Reproduktionen gemeinfreier Kunstwerke ihrer Meinung nach urheberrechtlich geschützt sein? Oder sollten sie der Allgemeinheit zur Verfügung stehen?
2) Wenn als Folge des Rechtsstreits keine Wikipedia-Bilder mehr genutzt werden könnten: Wie schätzen sie die gesellschaftlichen Folgen insbesondere für universitäre Forschung und Lehre, Schulunterricht, Journalismus, Kunstszene, Kreativwirtschaft und für freie Blogger ein?
3) Ist die gegenwärtige Abmahnungs-Politik des Reiss-Engelhorn-Museums tatsächlich durch das öffentlich-rechtliche Kostendeckungsprinzip unumgänglich? Kann man bei Abmahnungssummen von um die 1000 Euro für eine einzelne Bildnutzung noch von "angemessenen Gebührensätzen" gemäß diesem Gesetz sprechen?