Frage an Michael Schlecht von Dieter O. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Schlechtz,
demnächst stehen Entscheidungen zu Finanzhilfen für Zypern an.
Welche Haltung nehmen Sie hierzu ein?
Mit freundlichen Grüßen
Dieter Offergeld
Sehr geehrter Herr Offergeld,
gern beantworte ich Ihnen Ihre Frage.
Zypern gehört wie Spanien, Portugal und Irland zu jenen Ländern der EU, die bis zum Ausbruch der Krise eine stabile Entwicklung der Wirtschaft und der Staatsfinanzen zu verzeichnen hatten. Die Wachstumsraten waren über Jahre hinweg hoch und die Staatsverschuldung lag noch 2008 bei rund 49 % des Bruttoinlandsproduktes. Von der europäischen Krisendynamik „angesteckt“ wurde Zypern vor allem über den Finanzsektor. Dass der Finanzsektor seit 2008/2009 massiven Turbulenzen ausgesetzt ist, hängt vor allem mit der starken Verwobenheit mit dem griechischen Finanzsektor zusammen. Der dortige Schuldenschnitt Anfang 2012 hatte umfassende Abschreibungen bei zypriotschen Banken zur Folge. Zur Bankenkrise kommt ein starker wirtschaftliche Einbruch, der sich ebenfalls durch die enge Verwobenheit mit anderen südeuropäischen Ökonomien erklärt. Für 2012 wird ein Rückgang der zyprischen Wirtschaftsleistung um 2,3% des Bruttoinlandsproduktes erwartet. Infolge von Bankenrettungsmaßnahmen durch die öffentliche Hand dürfte die Staatsverschuldung nach Schätzungen der EU-Kommission von rund 71% des Bruttoinlandsproduktes (2011) auf ca. 90% in 2012 ansteigen. Vor diesem Hintergrund hatte der zyprische Finanzminister im Juni 2012 EFSF-Kredite beantragt.
Die Eurogruppe bejahte grundsätzlich das Anliegen, verlangte aber auch fiskalpolitische und wettbewerbsbezogene Reformen. Statt endlich ein europweiten Mechanismus zur Abwicklung bzw. Neuordnung von Banken zu finden, welcher die Eigentümer und Gläubiger der Banken heranzieht, sollen wieder Steuergelder in die Bankenrettung fließen. An diese Kreditlinien werden dann auch noch Massnahmen geknüpft, die vor allem diejenigen treffen, welche nichts für die Krise können. Die im Zypern-Memorandum vorgesehenen Sozial- und Lohnkürzungen, die Entlassungen sowie die Deregulierungs- und Privatisierungsmaßnahmen sind ökonomisch unsinnig und sozial verherrend. Aus den Erfahrungen Griechenlands wissen wir, dass sich durch diese Massnahmen die wirtschaftliche Situation noch weiter verschlechtert und damit die Schuldentragfähigkeit weiter geschwächt wird. Daher werde ich die sogenannet "Finanzhilfen" für Zypern, die eine versteckte Bankenrettung sind, ablehnen.
Eine Bemerkung sei mir noch erlaubt: Steuerflucht und -dumping, wie sie gerade im Fall Zyperns diskutiert werden, sind ernsthafte Probleme. Diese können am Besten auf europäischer – und vorzugsweise internationaler - Ebene gelöst werden. Die Bundesregierung ist gefordert, sich für ein koordiniertes, entschlossenes Vorgehen der Mitgliedsstaaten zur Bekämpfung von Steueroasen und zur Etablierung steuerlicher Mindeststandards einzusetzen. Der ausschließliche Fokus auf Zypern wird der Größe des Problems nicht gerecht.
Bundestagsbüro Michael Schlecht MdB
DIE LINKE.