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Michael Schlecht
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Frage von Alexander Z. •

Frage an Michael Schlecht von Alexander Z. bezüglich Finanzen

Sehr geehrter Herr Schlecht,

wie bewerten Sie den ESM-Vertrag? Insbesondere interessiert mich Ihre Einschätzung zu folgenden Artikeln des Vertrages:

Art. 9, Ziff. 3: … Die ESM-Mitglieder sagen hiermit unwiderruflich und bedingungslos zu, bei
Anforderung jeglichem gemäß vorliegendem Absatz durch den Geschäftsführenden Direktor
an sie gerichteten Kapitalabruf binnen 7 (sieben) Tagen nach Erhalt dieser Anforderung
nachzukommen.

Art. 10, Ziff. 1: … Er kann die Änderung des Grundkapitals beschließen und Artikel 8 und Anlage 2 entsprechend ändern. …

Art. 17, Ziff. 1 & 2: … Der ESM ist ermächtigt, zur Erfüllung seiner Aufgaben auf den Kapitalmärkten Kredite von Banken, Finanzinstituten oder sonstigen Personen oder Einrichtungen aufzunehmen. Die Modalitäten der Kreditaufnahmen werden vom Geschäftsführenden Direktor im
Einklang mit den die Einzelheiten regelnden, vom Direktorium zu verabschiedenden
Leitlinien bestimmt.

Artikel 27 (vollständig), der den ESM, seine Räumlichkeiten, Archive sowie seine Mitglieder der jurisdiktion entzieht und vollständig Immunität gewährt.

Dazu folgende weitergehende Fragen:

- kommt dieser Vertrag nicht letztlich der Abschaffung jeglicher fiskalischer Souveränität aller EURO-Staaten gleich (vgl. Art. 8, 9, 10)?
- schafft dieser Vertrag nicht letztlich ein nicht demokratisch bestimmtes, legitimiertes oder kontrolliertes Gremium?
- kommt dieser Vertrag nicht der Abschaffung des Sourveräns gleich, bei gleichzeitigem Zugriff auf Steuern in unbestimmter Höhe durch den ESM (vgl. Art. 10)?
- wie schätzen Sie ein, wie Bürger vertrauen in eine Währung bekommen sollen, wenn es eines Gremium bedarf, dass über Steuergeld frei verfügen kann, auf welches wir als Volk aber _genau_ keine Einfluss haben?

Beabsichtigen Sie, diesem Vertrag zuzustimmen?

mfg, A. Zschach

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Zschach,

meine Fraktion wird den ESM voraussichtlich ablehnen.

Ich habe mich in einer Pressemitteilung vom 10.März 2011 zum Wettbewerbspakt sowie zum ESM mit folgenden Worten geäußert:

Wettbewerbspakt wird Krise verschärfen

"Der Wettbewerbspakt wird die Euro-Krise noch verschärfen. Und der European Stability Mechanism (ESM) dürfte vor dem Bundesverfassungsgericht kaum Bestand haben", erklärt Michael Schlecht anlässlich des bevorstehenden EU-Gipfels und der Verständigung über einen Wettbewerbspakt. Der Chefvolkswirt der Fraktion DIE LINKE weiter:

"Angela Merkel will die Agenda 2010 in ganz Europa durchsetzen. Statt die deutschen Exportüberschüsse abzubauen und den Aufschwung zu sichern, sollen die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in ganz Europa durch sinkende Löhne bezahlen. Es können aber nicht alle EU-Staaten gleichzeitig Vize- Exportweltmeister sein. Im Gegenteil: Dieser Anschlag auf die Bevölkerungsmehrheit wird den Aufschwung abwürgen und die politische Zustimmung zur EU untergraben. Die EU tut zudem nichts gegen die Wucherzinsen der Banken für Staatskredite und drückt sich davor, die Gläubiger umgehend an den Kosten der Euro-Krise zu beteiligen. Dadurch entsteht neue Unsicherheit an den Finanzmärkten und die Zinsen für Staatsanleihen steigen.

Merkels Pläne für den ESM sind darüber hinaus grundgesetzwidrig. Die dafür notwendige Vertragsänderung soll ohne Zweidrittelmehrheit im Bundestag erfolgen, die Ausgestaltung des Mechanismus außerhalb des EU-Rechts angesiedelt werden. Der Mechanismus soll tiefe Einschnitte in das Haushaltsrecht des Bundestags begründen. DIE LINKE bezweifelt daher, dass der ESM den Anforderungen des Bundesverfassungsgerichts und des Europarechts genügt.

DIE LINKE lehnt den ESM ab. Die Verursacher und Profiteure der Krise müssen über eine Beteiligung der Gläubiger bzw. eine Besteuerung hoher Vermögen zur Verantwortung gezogen werden. Wir brauchen einen Abbau der hohen deutschen Exportüberschüsse, etwa über Mindestlöhne und höhere öffentliche Investitionen. Zudem fordert DIE LINKE Euro-Anleihen und Kredite einer Europäischen Bank für öffentliche Anleihen, um die Wucherzinsen der Kapitalmärkte zu drücken."

Diese Aussagen haben für mich uneingeschränkt Bestand. Eine Transferunion für Banken und die an den ESM geknüpften Auflagen für ungerechte und wachstumsfeindliche Kürzungspakete lehnen wir ab.

Beste Grüße,

Michael Schlecht