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Michael Schlecht
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Frage von Alfred B. •

Frage an Michael Schlecht von Alfred B. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrter Herr Schlecht,

Ihre Antwort bzgl Afghanistan irritiert mich etwas. Sie sind für den Abzug der Bundeswehr und machen das u.a. auf der Bombardierung fest.
Zuerst einmal - ich war nicht vor Ort und Sie auch nicht - daher kann ich mir da kein Urteil erlauben. Daher würde ich das Argument nicht gelten lassen. Gleichzeitig scheint es ja so zu sein, das die Politik sich grundsätzlich selten im Einsatz zeigt (zumindest kann man die wenigen Besucher abzählen - und wenn, dann sind diese mit Begleitschutz vor Ort, besser im Feldlager). Schwerwiegender ist für mich, das Sie keine Alternative aufzeigen. Soll Ärzte ohne Grenzen, Rotes Kreuz/Halbmond oder Entwicklungsdienst einfach mit Blumen stehen und sich entführen oder sonstwas lassen? Sollen andere Nationen den Kopf hinhalten, um dann auch noch als böse Aggressoren hingestellt zu werden? Auch Ihnen dürfte klar sein, dass nach einem Abzug der ISAF das Land in Elend und Mittelalter versinken wird, denn die Taliban sind ja nicht bekannt dafür, pazifistisch zu handeln. Und das ist es, was ich bei den Linken generell vermisse - vernünftige Alternativen...
Meine Frage: Was schlagen Sie als echte machbare Alternative vor, um der Bevölkerung in Afghanistan ein friedliches Leben mit Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit usw. zu ermöglichen?

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Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr Bulenz,

danke für Ihre Zuschrift. Entschuldigen Sie, dass ich erst nach so langer Zeit antworte. Wir hatten ihre Nachricht übersehen.

Wir haben den Krieg in Afghanistan von Beginn an kritisiert. Mittlerweile haben auch die USA sowie Frankreich nach Kanada und den Niederlanden den Abzug angekündigt.

Für den Krieg gab es im Wesentlichen zwei Begründungen. Erstens den Kampf gegen Terrorbasen von Al Quaida, hier stützte sich die Begründung für den Einsatz auf das Selbstverteidigungsrecht der USA. Zweitens die humanitäre Situation in Afghanistan.

Zum Kampf gegen den Terror: Der Terrorismus wurde mit dem Krieg in Afghanistan zunehmend in den Atomwaffenstaat Pakistan exportiert. Al Quaida wurde zudem vornehmlich aus Saudi-Arabien finanziert, ein enger Verbündeter des Westens (die Bundesregierung möchte Panzer nach Saudi-Arabien liefern). Ganz abgesehen davon, dass nach zehn Jahren Krieg auch völkerrechtlich jedes Selbstverteidigungsrecht erlischt und gezielte Maßnahmen gegen den Terrorismus der UNO vorbehalten gewesen wären. Bomben bekämpfen Terror nicht: Sie würden ja auch kein ganzes Dorf unter Beschuss nehmen, weil sich Gangster in einem Haus verschanzen.

Zur humanitären Situation hier die Entwicklung einiger Kennziffern der UNO:

Menschen in Armut: 2001: 33%, 2010: 42%

Unterernährte Menschen: 2001: 30%, 2010: 39%

Zugang zu sanitären Einrichtungen: 2001: 12%, 2010: 5,2%

Slumbewohner: 2001: 2,5 Mio., 2010: 5,4 Mio.

Jugendarbeitslosigkeit: 2001: 26%, 2010: 47%

Mohnfelder für Rauschgiftgewinnung: 2001: 131.000 ha, 2010: 193.000 ha

Zur Situation nach einem Abzug:

Entwicklungshelfer, Diplomaten und die mutige Frauenrechtlerin Malalai Joya bestätigen, dass ihre Arbeit durch die Präsenz des Militärs sogar gefährlicher wird. Sie werden dann als Kollaborateure wahrgenommen. Zudem steigt die Unterstützung in der Bevölkerung für Warlords angesichts der Bomben und der Abhängigkeit von Rauschgiftanbau. Die Taliban haben ihre Rückzugsgebiete bei paschtunischen Stämmen. Ohne Verhandlungen wird es daher keine Lösung geben: Die USA haben im Übrigen noch nach den Anschlägen des 11. Septembers mit den Taliban über eine Gas-Pipeline verhandelt.

Meine Fraktionskollegen Jan van Aken (ein ehemliger Bio-Waffenexperte der Vereinten Nationen) und Christine Buchholz haben Afghanistan ausgiebig bereist und dort Gespräche geführt. Dem angefügten Link entnehmen Sie die eindrucksvolle Ausstellung. Dort kommen Stimmen aus Afghanistan zu Wort.

http://jgr.jugend-hechingen.de/uploads/media/Afghanistan-Ausstellung_Plakate.pdf

Ich hoffe ich konnte Ihnen mit meiner Antwort weiter helfen.

Mit freundlichen Grüßen,

Michael Schlecht