Wie rechtfertigen Sie den Zwang Litauens zur Eröffnung der Kaliningrader Eisenbahn?
Als demokratisches Land ist es unzulässig, dass wir dem Terrorstaat Russland auf allen Kanälen ein Zugeständnis erzwungen haben. Warum haben wir das getan? Warum haben wir gegen die Kommissionsentscheidung kein Veto eingelegt? Welche Art von Scherzsanktionen betreffen Straßen, aber keine Eisenbahnen?
Sehr geehrter Herr C:,
für Ihre Frage danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung.
Litauen leidet bekanntermaßen seit Jahrzehnten unter seiner geografischen Lage, die zu manchen Konflikten und Gefährdungen der litauischen Sicherheit führte. In der Vergangenheit haben wir die Perspektive und die Ängste dieses Landes nicht immer so ernst genommen, wie es nötig gewesen wäre.
Die westlichen Sanktionen richten sich zwar nicht gegen den innerrussischen Warenverkehr, aber Litauen sorgt sich, dass Russland über die Exklave Kaliningrad das Sanktionsregime unterlaufen könnte. Inzwischen hat die EU-Kommission neue Leitlinien zum Transitverkehr vorgelegt. Russland darf jetzt auf der Sanktionsliste stehende zivile Güter wieder ohne große Einschränkungen per Bahn durch Litauen bringen - eben weil es sich formal nicht um einen Import, sondern um innerrussischen Warenverkehr handelt. Denn Kaliningrad ist vom übrigen russischen Staatsgebiet räumlich getrennt und auf dem Landweg nur über die EU-Staaten Polen und Litauen zu erreichen.
Ich halte das für eine vernünftige Lösung. Auch die litauische Ministerpräsidentin Ingrida Simonyte hat den Streit inzwischen für beendet erklärt, weil weitere Auseinandersetzungen "ein echter Sieg für den Kreml" wären. Denn immer, wenn in der EU Streit ausbricht, gibt es am Ende nur einen Gewinner - und der heißt Putin.
Mit besten Grüßen
Michael Roth