Wie kann es sein, dass der amerikanische Verteidigungsminister von deutschem Boden aus verkündet, seine Politik gegen Russland drastisch zu verschärfen?
Herr Roth, dem Vorsitzenden des Auswärtigen Ausschusses sei diese Frage gestellt. Was sind das für diplomatische Gepflogenheiten?
Wir befinden uns jetzt bereits in einer ähnlichen Situation wie im zweiten Weltkrieg, als die USA Grossbritannien und Russland Waffen lieferten, kurz vor dem Kriegseintritt der USA. Und dann solche Symbolpolitik von deutschem Boden aus? Wie sehr wollen wir noch mit dem Krieg spielen?
Sehr geehrter Herr W.,
für Ihre Frage danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung.
Am 26. April fand auf dem US-Luftwaffenstützpunkt in Ramstein eine Konferenz von 43 Staaten der sogenannten „Ukraine Defense Consultative Group“ statt. Zum dem Treffen hatte der US-Verteidigungsminister seine Amtskolleginnen und -kollegen aus der NATO und weiteren Unterstützer-Staaten eingeladen. Damit war er formal der Gastgeber, auch wenn die Konferenz in Deutschland stattfand. Der Minister betonte in seiner Rede, dass die USA alles in ihrer Macht stehende tun würden, um zu verhindern, dass der Krieg über die Grenzen der Ukraine hinaus außer Kontrolle gerate. Insofern halte ich Ihre These von einer drastischen Verschärfung der Rhetorik für nicht zutreffend.
Grundsätzlich erlebe ich in der Debatte um Waffenlieferungen an die Ukraine derzeit zwei Strömungen: Zum einen ist da die Forderung, dass Deutschland wegen seiner Größe und seiner wirtschaftlichen Stärke noch mehr Führungsverantwortung übernehmen soll. Ich erlebe aber auch, dass sich viele Menschen sorgen, dass Deutschland in einen Krieg, vielleicht gar einen Dritten Weltkrieg, hineingezogen werden könnte. In diesem Spannungsfeld zwischen hohen Erwartungen und ganz konkreten Ängsten muss die Politik jetzt weitreichende Entscheidungen treffen und diese nachvollziehbar begründen.
Ich fordere schon länger, dass die Ukraine die Waffen bekommt, die sie braucht, um sich bestmöglich gegen den brutalen russischen Angriffskrieg verteidigen und perspektivisch auch von Russland besetzte Gebiete wieder zurückerobern zu können. Entscheidend dafür ist, dass die Waffen schnell und sicher geliefert und von den ukrainischen Soldaten ohne vorherige Ausbildung eingesetzt werden können. Russland treibt diesen Krieg mit aller Brutalität voran, und wir müssen mithelfen, dass die Ukraine diesen Krieg als freies, demokratisches und souveränes Land übersteht.
Die Sorge, dass Waffenlieferungen dazu führen könnten, dass Deutschland zur Kriegspartei wird, halte ich für unbegründet. Völkerrechtlich ist die Sache klar: Die Ukraine ist von Russland angegriffen worden und hat das Recht, sich zu verteidigen. Andere Staaten wie Deutschland haben dann das Recht – und aus meiner Sicht auch die moralische Pflicht - die Ukraine bei der Selbstverteidigung zu unterstützen – humanitär, finanziell, aber auch militärisch. Waffenlieferungen machen uns nicht zur Kriegspartei – das ist auch die Auffassung der Bundesregierung.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth