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Michael Roth
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Frage von Jutta G. •

Wie ist die Kommunikation der Bundesregierung mit der indischen Regierung, die hindunationalistisch agiert und die muslimische Minderheit, auch gewaltsam ( s. Essays A.Roy Azadi, 2021), ausgrenzt?

Sehr geehrter Herr Roth, ich stelle diese Frage, weil mich dies an die 1930ger Jahre in Deutschland erinnert, als hier ein faschistisch, totalitärer Staat entstanden ist, mit der Ausgrenzung einer religiösen Minderheit. Dies wurde von anderen Staaten hingenommen, bis die Konsequenzen nicht mehr zu ignorieren waren. Ebenso ist der Umgang mit der mehrheitlich muslimischen Bevölkerung oder die Gesetzesänderung zum Staatsbürgerschaftsrecht sehr beunruhigend in diesem Zusammenhang. Ich weiß dies sind innenpolitische Angelegenheiten eines Staates, aber wenn ein ethnisch und religiös vielfältiges, demokratisches Land sich durch eine Regierung so offensichtlich verändert, kann und sollte dann nicht von Außen eine Anmerkung kommen? Und wußten Sie, Herr Roth , das A. Hitler in einem Schulbuch als große Persönlichkeit (vgl. A. Roy 2021, S. 162) abgebildet ist? Das finde ich sehr beunruhigend. (Infos vgl. A. Roy Azadi, 2021) Herzlichen Dank und mit freundlichen Grüßen Jutta G.

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Antwort von
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Sehr geehrte Frau G.,

für Ihre Frage zu den aktuellen Entwicklungen in Indien und den Umgang mit der muslimischen Minderheit danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung.

Indien ist geprägt durch eine außerordentlich große Vielfalt religiöser Bekenntnisse, Sprachen, Ethnien und Lebensumstände. In Indien leben rund 170 Millionen Muslime, eine Minderheit im mehrheitlich von Hindus bewohnten Land. Trotz vieler Bewährungsproben ist es dem Land seit seiner Gründung 1947 gelungen, politisch weitgehend stabil zu bleiben und Erfolge bei der Armutsbekämpfung zu erzielen. Auch wenn die verschiedenen Glaubensgemeinschaften und Ethnien weitgehend friedlich miteinander leben, so hat doch ein 2020 verabschiedetes Staatsbürgerschaftsgesetz der indischen Regierung, das Muslime diskriminiert, neue Konflikte angeheizt. Seither gab und gibt es immer wieder Auseinandersetzungen, auch weil Hindu-Extremisten Muslime provozieren und offen zur Gewalt gegen Muslime aufrufen.

Die Grundlage für die deutsch-indischen Beziehungen bildet die „Agenda für die Deutsch-Indische Partnerschaft im 21. Jahrhundert“ vom Mai 2000, die seither durch weitere gemeinsame Erklärungen fortgeschrieben wurde. Besonders wichtig sind darüber hinaus die Deutsch-Indischen Regierungskonsultationen – zuletzt im November 2019 – zu denen die Kabinette beider Länder seit 2011 im Zweijahresrhythmus abwechselnd in Deutschland und Indien zusammenkommen.

Der weltweite Schutz und die Förderung der Menschenrechte sind für die Bundesregierung von hoher Bedeutung. Mit dem vorliegenden Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte (NAP) bekennt sich die Bundesregierung zur Umsetzung der Leitprinzipien der Vereinten Nationen für Wirtschaft und Menschenrechte in Deutschland und möchte einen Beitrag leisten, die weltweite Menschenrechtslage zu verbessern und die Globalisierung mit Blick auf die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sozial zu gestalten. Die Leitprinzipien basieren auf drei Säulen: 1. Pflicht des Staates zum Schutz der Menschenrechte, 2. Verantwortung von Unternehmen zur Achtung der Menschenrechte und 3. Zugang zu Abhilfe.

Indiens innenpolitische Entwicklungen werden die deutsche und europäische Politik weiter beschäftigen. Indiens Außenminister Jaishankar selbst hatte die Reformvorhaben des Staatsbürgerschaftsgesetzes mit dem Verweis auf den Umgang Chinas mit seinen innenpolitischen Problemen verteidigt. Sollte Indien tatsächlich das Vorgehen Chinas als Modell für seine künftige Entwicklung und den Umgang mit Minderheiten sehen, so wird dies auch eine Debatte darüber auslösen, ob und inwieweit ein zunehmend hindu-nationalistisch geprägtes Indien noch ein Wertepartner des Westens ist.

Sorge bereitet mir auch die aktuelle Positionierung Indiens zum Krieg in der Ukraine. Indien hat den völkerrechtswidrigen russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine bisher nicht offiziell verurteilt. Bei UN-Abstimmungen zur Verurteilung von Moskaus Vorgehen enthielt sich Neu Delhi.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen meine Standpunkte näher bringen konnte.

Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth

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