Warum wundert sich die SPD, dass Herr Steinmeier nicht in Ukraine willkommen ist?
Sehr geehrter Herr Roth,
Als deutscher Staatsbürger mit ukrainischen Wurzeln kann ich nicht nachvollziehen, warum es für die SPD eine Überraschung ist, dass Herr Steinmeier nicht in Kyiv willkommen ist? Es geht ja nicht um irgendeinen abstrakten Bundespräsidenten, sondern um Herrn Steinmeier und seine russland-freundliche Politik, die enorm viel zur Putins Gefühl der Straflosigkeit beigetragen hat. Er ist in diesem Sinne ein wahrer Nachfolger vom Herrn Schröder und für den Krieg mitverantwortlich.
Meine zweite Frage and Sie und die SPD: wann wird die SPD die Mitverantwortung an dem heutigen blutigen Krieg akzeptieren und sich dafür vor dem Ukrainischen Volk entschuldigen? Seit Jahren hat man (unter anderem) bei SPD den ukrainischen Aufschrei zum thema russischer Chauvinismus ignoriert und stattdessen ruhig und zufrieden Deals (Waffen, Gas, etc.) mit dem Putin-Regime gemacht. Heute muss man Mut finden und diese Verantwortung akzeptieren.
Mit freundlichen Grüßen
Dmytro B.
Sehr geehrter Herr B.,
für Ihre Fragen danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung.
Die Nachricht, dass unser Bundespräsident derzeit in der Ukraine nicht willkommen ist, hat mich sehr enttäuscht. Ich halte diese Ausladung gegenüber unserem Staatsoberhaupt nicht für gerechtfertigt. Der Bundespräsident steht ja nicht nur für sich, sondern er repräsentiert die Bundesrepublik Deutschland als Ganzes. Frank-Walter Steinmeier hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine von Beginn an scharf verurteilt. Und es verdient Respekt, wie selbstkritisch er sich mit seiner Rolle als früherer Kanzleramtschef und Außenminister auseinandergesetzt und auch Fehler im Umgang mit Russland eingeräumt hat. Wenn man auf ukrainischer Seite die nachvollziehbare Hoffnung hegt, dass Deutschland künftig noch mehr zur Unterstützung der Ukraine tun muss, dann sollte man das miteinander besprechen. Gerade in diesen Zeiten kann doch kein Telefonat, keine Videokonferenz die persönliche Begegnung ersetzen. Insofern hoffe ich, dass dadurch kein größerer diplomatischer Schaden entstanden ist.
Sie fragen zudem nach der Aufarbeitung der Fehler in der Russland-Politik der vergangenen Jahre. Aus heutiger Sicht war es ein Fehler, dass wir aus vermeintlich übergeordnetem Interesse, nämlich Frieden und Stabilität mit Russland zu erreichen, bereit waren, die Souveränität und Freiheit anderer osteuropäischer Staaten wie der Ukraine zu relativieren. Das werfe ich auch mir selbst vor, gleichwohl ich stets einen sehr kritischen Blick auf die Herrschaft Putins hatte. Ich habe vorgeschlagen, die Fehler in der deutschen Russland-Politik im Rahmen einer Enquete-Kommission im Deutschen Bundestag aufzuarbeiten und daraus die richtigen Lehren für die Zukunft zu ziehen.
Um es aber ganz klar zu sagen: Ich sehe hier nicht nur die SPD, sondern die gesamte deutsche Politik in der Verantwortung. Oft wird vergessen, dass es eine CDU-Bundeskanzlerin war, die seit 2005 die deutsche Russland-Politik maßgeblich mitgeprägt hat. Und auch gesellschaftlich gibt es einiges zu besprechen: Wir müssen uns fragen, wieso wir in Deutschland so viele Putin-Versteher hatten. Die deutsche Bevölkerung war ja bis zum Schluss mehrheitlich der Auffassung, dass wir Nachsicht mit Putin üben müssen, um den Frieden um jeden Preis zu wahren. Insofern ist die SPD – wie alle anderen Parteien – sicher auch ein Spiegelbild unserer Gesellschaft, in der um den richtigen Umgang mit Russland gerungen wird.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth