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Michael Roth
SPD
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Frage von Paul H. •

Warum geht Deutschland nicht den europäischen Coronaweg?

Sehr geehrter Herr Roth, aufgrund der bevorstehenden Coronamassnahmen bereue ich es immer weniger, dass ich im Ausland eine Stelle angetreten habe. Obwohl die Nachfrage in meinem Beruf hierzulande sehr gross ist. Eines der Gründe sind die stringenten Coronamassnahmen, die in keinem Vergleich zu einem anderen europäischen Land stehen. Deshalb mache ich mir ernsthaft Gedanken über den Sinn und Zweck von Masken in den Verkehrsmitteln und im Allgemeinen. Was mich sehr wundert, ist dass nahezu alle Fahrgäste bei einem Grenzübertritt nach oder aus D entsprechend die Masken aus- oder anziehen. Ergibt dass irgendeinen Sinn??? Schliesslich sind es die gleichen Fahrgäste. Falls es zu einer Maskenbefreiung für geboosterte vierfach Geimpfte, odgl. kommen sollte, halte ich dies für diskriminierend. Wie wollen Sie gegen diese Art von Diskriminierung bzw. Ungleichbehandlung beim Museums- oder Restaurantbesuch vorgehen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr H.,

für Ihre Frage zu den „Coronamaßnahmen in Deutschland im europäischen Vergleich“ danke ich Ihnen und nehme gerne Stellung hierzu. 

Wir nehmen die Pandemie weiter ernst. Und vor allem nehmen wir die Grundrechte ernst. Das politische Handeln der Bundesregierung und der sie tragenden Fraktionen wird sich auch weiterhin an diesen beiden Polen orientieren.

Aus meiner Sicht gab und gibt es den einen europäischen Weg bei der Bewältigung der Corona-Pandemie nicht. Beispielsweise haben Schweden oder die Schweiz andere bzw. weniger restriktive Maßnahmen ergriffen als etwa Deutschland, Italien, Spanien oder auch Norwegen. Die Regierungen von Frankreich, Österreich und Dänemark erklärten jüngst, sich situationsbedingt – wie im übrigen alle Länder der Europäischen Union – vorzubehalten, gegebenenfalls Schutzmaßnahmen zu ergreifen, wenn die Lage dies erforderlich machen sollte. Alles andere wäre auch verantwortungslos. Denn im Herbst und Winter ist allgemein mit einem saisonalen Anstieg der COVID-19-Fälle in Europa zu rechnen. Wobei ich mir durchaus eine noch bessere Koordination der Maßnahmen und einen Austausch darüber in der EU wünsche.

Mit dem Anfang August von Bundesgesundheitsminister Lauterbach und Bundesjustizminister Buschmann vorgestellten Vorschlag zur Fortentwicklung des Infektionsschutzgesetzes rüstet sich Deutschland mit Augenmaß für alle Eventualitäten im kommenden Herbst und Winter. Der Vorschlag sieht ein mehrstufiges, lagebezogenes Schutzkonzept vor, das sich am Motto „Vorbereitet sein – Verhältnismäßigkeit wahren – vulnerable Personen schützen“ orientiert. Freiheitseinschränkungen darf es demnach nur geben, wenn sie zwingend erforderlich sind. Stattdessen setzen wir – vorbehaltlich der Zustimmung des Deutschen Bundestages – befristet bis Ostern 2023 auf Schutzmaßnahmen, die zugleich wirksam und zumutbar sind – beispielsweise das Tragen von (FFP2-)Masken. Denn Masken schützen – das weiß ich aus eigener Erfahrung mit meinen vielen beruflichen Kontakten. Und in bestimmten Situationen ist eine Maskenpflicht auch zumutbar. Deshalb soll es in Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen sowie im Flug- und Fernverkehr eine Maskenpflicht geben. Eine weitere wichtige Ergänzung wird die (Booster-)Impfung sein. Hierbei setzen wir künftig auf die an die derzeit vorherrschenden Omikron-Varianten angepassten Impfstoffe, die aller Voraussicht nach in den kommenden Wochen zur Verfügung stehen werden. Ziel der Impfungen war es immer, symptomatische, schwere und tödliche Krankheitsverläufe zu verhindern. Und das tun die Impfstoffe auch gegenwärtig recht gut.

Je nach Pandemiegeschehen haben die Bundesländer darüber hinaus die Möglichkeit, für weitere Bereiche des öffentlichen Lebens in Innenräumen eine Maskenpflicht anzuordnen. In Kultur, Freizeit, Sport und Gastronomie soll es allerdings Ausnahmen für getestete, frischgeimpfte und frischgenesene Personen geben. Das halte ich für richtig. Die Vorlage eines tagesaktuellen Antigenschnelltests, beispielsweise für den Besuch von Großveranstaltungen, halte ich für zumutbar. Schließlich wollen wir als Gesellschaft aufeinander Acht geben, vulnerable Personen besonders schützen und sie auch am gesellschaftlichen Leben teilhaben lassen. 

Sehr geehrter Herr H.,

wie Sie sehen, setzen auch wir in Deutschland mit dem mehrstufigen, lagebezogenen Ansatz durchaus mehr auf Eigenverantwortung – so wie es die meisten anderen europäischen Staaten tun.

Ich hoffe, dass ich Ihnen mit meinen Ausführungen weiterhelfen konnte. 

Geben Sie gut auf sich Acht und bleiben Sie gesund!

Mit freundlichen Grüßen

Michael Roth

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