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Michael Roth
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Frage von Bernd H. •

Steht Deutschland in der Schuld der Palästinenser, weil Deutschland nach dem Holocaust den Holocaustüberlebenden kein Territorium für eine sichere Heimstätte zur Verfügung gestellt hat ?

Sehr geehrter Herr Roth,

ich stelle obige Frage an Sie, da Sie laut Internet Mitglied im Stiftungsrat der "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" sind und somit in besagter Sache besonders kompetent sein dürften.

Leider wurde das Territorium für die sichere Heimstätte des jüdischen Volkes nicht von Deutschland, also der Nation die den Holocaust verschuldet hat, freiwillig zur Verfügung gestellt;
stattdessen wurde besagte Heimstätte auf dem Territorium des palästinensischen Volkes errichtet.
Sehen Sie vor diesem historischen Hintergrund eine Solidaritätsverpflichtung Deutschlands gegenüber den Palästinensern ?

Mit freundlichen Grüßen

Bernd H.

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr H.,

für Ihre Frage danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung.

Eine persönliche Anmerkung vorweg: Seit dem Ende meiner Amtszeit als Europa-Staatsminister im Auswärtigen Amt im Dezember 2021 bin ich nicht mehr Mitglied des Stiftungsrates der Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung.

Deutschland trägt Verantwortung für die furchtbaren Verbrechen, die Menschen jüdischen Glaubens im Rahmen der Shoa angetan wurden. Für den industriellen Massenmord, dem mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden zu Opfer gefallen sind. Der Staat Israel ist heute auf dieser Welt der einzige Schutzraum für jüdisches Leben. Dieser Schutzraum wurde durch die grausamen Hamas-Terrorattacken vom 7. Oktober 2023 angegriffen und damit das Sicherheitsgefühl der Israelis massiv erschüttert. Klar ist: Frieden und Sicherheit im Nahen Osten kann es nur geben, wenn Israelis und Palästinenser im Rahmen einer Zwei-Staatenlösung Seite an Seite leben.

Sie erwecken mit Ihrer Frage den Eindruck, als wäre eine Abtretung deutscher Gebiete zur Errichtung einer Heimstätte für Jüdinnen und Juden nach dem Ende des Zeiten Weltkriegs eine realistische Option gewesen. Das war mitnichten der Fall, wenn man die damaligen politischen Rahmenbedingungen betrachtet:

Die Wurzeln der Idee zur Gründung eines modernen jüdischen Staates reichen bis in das späte 19. Jahrhundert zurück, also weit vor den furchtbaren Verbrechen des Holocaust. Angesichts des wachsenden Antisemitismus in Europa wuchs damals insbesondere unter jüdischen Intellektuellen der Zuspruch für die Idee einer eigenen „Heimstätte“ für Jüdinnen und Juden. Im Jahr 1896 veröffentlichte Theodor Herzl das Buch "Der Judenstaat", in dem er mögliche Grundlagen für die Gründung eines jüdischen Staates darlegt. Eine der denkbaren Optionen war für Herzl schon damals das Gebiet von Palästina. Zwei Jahre später, im Jahr 1897, initiierte er in Basel den ersten Zionistenkongress, auf dem die Zionistische Weltorganisation gegründet wurde. Auf dem Kongress wurde das Baseler Programm beschlossen, in dem bereits die "Schaffung einer öffentlich-rechtlich gesicherten Heimstätte in Palästina" als Ziel definiert wurde. Bereits im November 1917 erklärte der britische Außenminister James Balfour nach der Niederlage des Osmanischen Reichs die Zustimmung Großbritannien zur Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk in Palästina.

Am 29. November 1947 beschloss die Generalversammlung der Vereinten Nationen mit 33 zu 13 Stimmen bei zehn Stimmenthaltungen die Resolution 181. Sie sah die Teilung des britischen Mandatsgebiets Palästina in einen jüdischen und einen arabischen Staat vor. Deutschland wurde erst 1973 Mitglied der Vereinten Nationen und war somit an dem politischen Prozess, der der Staatsgründung Israels vorausging, nicht beteiligt.

Als der Staat Israel schließlich am 14. Mai 1948 gegründet wurde, gab es die Bundesrepublik noch gar nicht. Deutschland war zu diesem Zeitpunkt ein besetzter Staat unter der Kontrolle der vier alliierten Siegermächte. Insofern hätte Deutschland in der Zeit nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und vor der Gründung des israelischen Staates gar nicht die souveräne Entscheidung treffen können, eigene Gebiete als sichere Heimstäte für Jüdinnen und Juden abzutreten. Diese Entscheidung hätte durch die Besatzungsmächte erfolgen müssen.

Herzliche Grüße
Michael Roth

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