S.g. Hr. MdB Roth, Nancy Pelosi wurde persönlich durch die VR China sanktioniert! Würden Sie auch solidarisch nach Taiwan fahren (wenn eingeladen) und auch kommunistische China-Sanktionen riskieren ?
Sehr geschätzter Herr SPD MdB Michael Roth
Sie haben öffentlich, wie auch Frau Außenministerin Annalena Baerbock, gezielt die VR China wegen der militärischen Überreaktion kritisiert und nicht Frau US-Speakerin des Repräsentantenhaus in Washington Nancy Pelosi für Ihre doch demonstrative Solidaritätsreise (Stichwort : DEMOKRATISCHE GRUNDWERTE) auf Einladung nach Taipe. China hat nicht nur Ihre militärische Fratze gezeigt, sondern auch persönlich Nancy Pelosi nicht nur scharf kritisiert sondern auch sie als "persona non grata" für die VR China grundsätzlich erklärt was - wegen der offener Beleidigung - sicher eine symmetrische Reaktion der USA bringen wird (sie ist ja protokollarisch die Nummer 3 in Amerika). Meine Frage zielt auf eine demonstrative Solidarität mit einem Land mit der - obwohl Deutschland keine Botschaft in Taipe hat -mit dem unser Land demokratische Werte teilt und mehr noch offiziell "freundliche Beziehungen" unterhält durch ein Deutsches Kultur&Handels Institut dort!
Sehr geehrter Herr I.,
für Ihre Frage vom 5. August 2022 danke ich Ihnen herzlich und nehme gerne Stellung hierzu.
Besuche sind aus meiner Sicht grundsätzlich weder aggressiv noch provokativ. Auch diplomatische Besuche des demokratischen Taiwan wie jüngst durch die Sprecherin des US-Repräsentantenhauses Nancy Pelosi, stellen keine Bedrohung für Chinas territoriale Integrität dar und sind kein Grund für eine einseitige militärische Reaktion. Der Besuch reiht sich in eine lange Reihe von US-amerikanischen und europäischen Parlamentarierinnen und Parlamentariern ein, die Taiwan bereits besucht haben. Sie ist auch nicht die erste Sprecherin, die Taiwan besucht.
Taiwan ist für uns sowohl Werte- als auch Wirtschaftspartner: Einerseits ist Taiwan eine gefestigte Demokratie mit hohen Menschenrechtsstandards, uneingeschränkt gewährtem Minderheitenschutz, sowie Versammlungs-, Meinungs- und Pressefreiheit. Andererseits unterhält Deutschland im Rahmen seiner Ein-China-Politik auch enge Beziehungen zu Taiwan in den Bereichen Wirtschaft, Kultur, Bildung, Wissenschaft und Forschung. Der Besuch von Nancy Pelosi ändert nichts an der Ein-China-Politik der Bundesrepublik, wonach die Volksrepublik China als einziger souveräner Staat in China anerkannt wird.
Die Spannungen rund um den Besuch zeigen jedoch die Gefahr auf, die von einer Eskalation für die internationale Ordnung und unseren Wohlstand ausgeht. China beobachtet derzeit sehr genau, wie ge- und entschlossen wir die Ukraine gegen die russische Aggression unterstützen. Die Narrative autoritärer Regime dürfen wir uns nicht zu eigen machen, denn das Säbelrasseln geht in diesem Fall von Peking aus. Chinas militärische Drohgebärden und insbesondere Drohungen mit scharfer Munition sind inakzeptabel und gefährden den Frieden und die Stabilität in der Region. Wie bei Russland sollten wir nicht darauf vertrauen, dass China nicht bereit ist, wirtschaftliche Kosten in Kauf zu nehmen, um eigene geopolitische Ziele zu erreichen. Das Ziel der „Wiedervereinigung“ mit Taiwan hat für Peking nämlich höchste Priorität.
Unsere gegenwärtige wirtschaftliche Abhängigkeit von China ist immens, gerade in Krisenzeiten kann uns das wie ein Boomerang schwer treffen. Wir müssen unsere Abhängigkeiten von China schnellstmöglich vermindern und Produktions- und Lieferketten diversifizieren. Das gilt ganz besonders für kritische, technologische Bereiche. Bei einer Eskalation des Konflikts wären aktuell so gut wie alle unsere Lieferketten betroffen. Wir müssen sie generell unabhängiger von autoritären Regimen und damit krisenfester machen. China ist zwar ein wichtiger Partner, jedoch auch ein Systemrivale, dessen autoritäres und staatskapitalistisches System im Wettbewerb mit den westlichen Demokratien steht. Die jüngsten Spannungen sind deshalb auch ein Weckruf für Deutschland und die Europäische Union: Wir leben in unsicheren, unberechenbaren Zeiten, die neue Antworten und Strategien erfordern.
Entsprechend haben die Regierungsparteien von SPD, Grünen und FDP im Koalitionsvertrag die Vorlage einer für Deutschland erstmaligen und umfassenden „Nationalen Sicherheitsstrategie“ verabredet und mit der Erarbeitung begonnen. Ein wichtiger Baustein wird auch eine angepasste China-Strategie sein. Die Europäische Union hat ihrerseits damit begonnen eigene Strategien und Initiativen auf den Weg zu bringen, um europäische Interessen und demokratische Werte im geopolitischen Wettbewerb besser durchsetzen zu können. Ein Beispiel hierfür ist die ehrgeizige Initiative „Global Gateway“ als Antwort auf Chinas „Neue Seidenstraße“. Mit den hiermit verbundenen Infrastrukturinvestitionen in Höhe von bis zu 300 Milliarden Euro wirft die Europäische Union sowohl ihre wirtschaftliche Stärke als auch ihre politische Attraktivität in die Waagschale. Dabei sind die Themen Nachhaltigkeit, gute Regierungsführung und Demokratie von zentraler Bedeutung. Die Europäische Union bietet den Ländern Afrikas, Asiens und Lateinamerikas mit dieser wertebasierten, hochwertigen und transparenten Infrastrukturpartnerschaft eine attraktive Alternative zu chinesischen Investitionen in Infrastruktur.
Ich hoffe, dass ich Ihnen mit diesen Informationen behilflich sein konnte.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth