Sehr geehrter Herr Roth, wie beurteilen sie als Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses den Einsatz Deutschlands in Mali hinsichtlich militärischer und auch humanitärer Erfolge und Fortschritte?
Ähnlich wie bei Afghanistan hört man in Bezug auf Mali ja oft die Kritik, das der Bundeswehr-Einsatz in Rahmen der MINUSMA im Endeffekt nun doch zweck- und erfolglos war. Aber vernachlässigt man, wenn man nur den gescheiterten Versuch der Demokratisierung und Stabilisierung Malis in Betracht zieht, nicht die Perspektive der malischen Bevölkerung und die vielen kleinen Erfolge in der Entwicklungszusammenarbeit sowie die immerhin zehn Jahre in relativer Sicherheit?
Sehr geehrter Herr L.,
für Ihre Frage zum Bundeswehreinsatz in Mali danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung.
Die Bundeswehr hat ihren Auslandseinsatz in Mali im Rahmen der UN-Stabilisierungsmission MINUSMA nach zehn Jahren beendet. Am 15. Dezember 2023 wurden die letzten 142 deutschen Angehörigen des Einsatzkontingentes in Wunstorf begrüßt. Damit endete die umfangreichste deutsche Beteiligung an einem UN-Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr. Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hatte am 30. Juni 2023 beschlossen, das Mandat MINUSMA zum 31. Dezember 2023 zu beenden. Die malische Regierung, die 2020 nach einem Militärputsch die Macht übernommen hatte, hatte es den Friedenstruppen der Vereinten Nationen und der Bundeswehr am Ende immer schwerer gemacht, ihren Auftrag zu erfüllen.
Dass diese Mission in Mali dieses Ende nimmt, ist ganz sicher kein Versagen der deutschen Soldatinnen und Soldaten, die dort unter schwierigsten Bedingungen in einem gefährlichen Einsatz waren. Es ist den dramatisch veränderten Bedingungen in Mali geschuldet, die so vor zehn Jahren niemand vorhersehen konnte. Leider haben sich weder die Sicherheitslage noch die Politik so entwickelt, wie wir uns das erhofft hatten. Bis heute ist das Land nach zwei Militärputschen nicht zur verfassungsgemäßen Ordnung zurückgekehrt. Die malische Übergangsregierung setzt ganz offenkundig lieber auf eine Zusammenarbeit mit autoritären Regimen wie Russland als mit liberalen Demokratien. Das ist bitter, aber vor diesem Hintergrund war es völlig richtig, unser militärisches Engagement in enger Abstimmung mit unseren Partnern zurückzufahren.
Auch nach dem geordneten Rückzug der Bundeswehr aus Mali bleibt Deutschland aber in der Sahel-Region engagiert und unterstützt die Bevölkerung mit zivilen Mitteln. Die Sahel-Plus-Initiative ist die entwicklungspolitische Komponente der strategischen Neuausrichtung des Sahel-Engagements der Bundesregierung. Das „Plus“ steht dabei für die Einbeziehung der westafrikanischen Küstenländer, die ebenfalls in den Blick genommen werden, um durch Jobs und sichere Lebensperspektiven Konflikte zu entschärfen und terroristischen Gruppen den Nährboden zu entziehen.
Mali bleibt eines der ärmsten Länder der Welt. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit mit Mali konzentriert sich auf Projekte, die die Lebensbedingungen der Menschen direkt und nachhaltig verbessern, vor allem die Sicherung der Ernährung und Landwirtschaft, die Versorgung mit Trinkwasser sowie der Aufbau handlungsfähiger kommunaler Strukturen. Seit den Militärputschen arbeitet die deutsche Entwicklungszusammenarbeit regierungsfern und zielgruppennah – die laufenden Programme werden nicht direkt mit der Übergangsregierung, sondern mit nachgeordneten zivilen Behörden, privaten Firmen, der Bevölkerung vor Ort und lokalen Partnern abgewickelt. Es wird sich zeigen, ob die brüchige Sicherheitslage weiterhin die Durchführung von Projekten der Entwicklungszusammenarbeit zulässt, zumal jetzt die militärische Absicherung durch MINUSMA entfällt.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth