Kremlsprecher Dmitri Peskow und Außenministerin Annalena Baerbock sehen uns im Krieg mit Russland (s. Links)! Halten Sie immer noch an Ihrer Einschätzung fest, Deutschland sei keine Kriegspartei?
Ich weiß, ich wiederhole mich, aber die beschlossene Lieferung von Kampfpanzern hat die Lage gefährlich eskaliert! Wann endlich werden von der einstigen Friedenspartei SPD (in memoriam Egon Bahr und Willy Brandt) Initiativen zur Deeskalation angestoßen?
https://www.welt.de/politik/ausland/article243437805/Russland-nennt-westliche-Panzerlieferung-an-die-Ukraine-direkte-Beteiligung-am-Konflikt.html
https://www.youtube.com/shorts/5Eh4o3TQ1n0
Sehr geehrter Herr S.,
für Ihre Frage danke ich Ihnen. Klar ist: Deutschland führt keinen Krieg gegen Russland, sondern wir unterstützen die Ukraine bei ihrem Freiheitskampf gegen den russischen Aggressor. Damit stehen wir mit beiden Beinen fest auf dem Boden des Völkerrechts Auch Waffenlieferungen an die Ukraine machen uns nicht zur Kriegspartei - das ist die Auffassung der gesamten Bundesregierung.
Ich habe die Aussage der Außenministerin als Plädoyer für fortgesetzte Geschlossenheit der Verbündeten gegenüber Putin verstanden. Denn das war doch bislang unsere größte Stärke. Den größten Gefallen, den wir Wladimir Putin tun können, ist, dass wir uns im westlichen Bündnis, in der deutschen Politik auseinanderdividieren lassen. Wir brauchen jetzt beides: Teamspiel mit unserem internationalen Partnern und Teamspiel in der Koalition.
Auch wenn wir die Ukraine militärisch bei ihrem Recht auf Selbstverteidigung unterstützen, laufen die diplomatischen Bemühungen im Hintergrund weiter: In Teilbereichen konnten in Gesprächen mit Russland auch Vereinbarungen erzielt werden, etwa bei dem unter UN-Vermittlung zustande gekommenen Abkommen über Getreidelieferungen oder der Inspektion im Atomkraftwerk Saporischschja durch ein Expertenteam der Internationalen Atomenergiebehörde. Das sind kleine Lichtblicke, die aber von einem Durchbruch zu einer friedlichen Lösung weit entfernt sind. Der Wunsch nach Verständigung mit Russland und Frieden in der Ukraine ist nur allzu verständlich, aber derzeit schlicht nicht realistisch. Putin zeigt keinerlei Interesse an einer friedlichen Lösung, er will die Ukraine weiterhin als unabhängigen Staat von der Landkarte löschen.
Auch wenn es aus nachvollziehbaren Gründen keinerlei Vertrauen mehr zur gegenwärtigen russischen Führung gibt, bleiben die Gesprächskanäle nach Moskau offen. Deshalb ist es auch richtig, dass Bundeskanzler Scholz - in enger Abstimmung mit der Ukraine und unseren internationalen Partnern - regelmäßig mit dem russischen Präsidenten Putin telefoniert, um ihn mit den Fakten und unseren klaren Erwartungen an einen gerechten Frieden zu konfrontieren. Auch die gemeinsame Abschlusserklärung des G20-Gipfels, die den Einsatz oder die Androhung des Einsatzes von Atomwaffen ablehnt, ist ein ganz konkretes Ergebnis von Diplomatie, von unzähligen Gesprächen und Reisen des Bundeskanzlers u.a. nach China oder zu neuen Partnern im Globalen Süden.
Richtig ist: Auch dieser Krieg wird nicht auf dem Schlachtfeld, sondern am Verhandlungstisch enden. Darüber, wann der richtige Zeitpunkt für ernsthafte Verhandlungen gekommen ist, entscheidet alleine die Ukraine. Aber auch wir haben ein Interesse daran, dass die Ukraine aus einer Position der Stärke an den Verhandlungstisch tritt. Ein "Frieden" auf Basis des Status quo würde dagegen schon bald zu einem neuen Krieg führen. Wenn die Ukraine auf 15 Prozent ihres Territoriums verzichten müsste, hätte Russland gewonnen. Der Aggressor Putin würde seine imperialistische Politik fortsetzen, gegenüber Moldau oder Georgien. Statt Frieden hätten wir neue Konflikte in Osteuropa – mit der Gefahr eines dramatischen militärischen Flächenbrands.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth