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Michael Roth
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Frage von Andreas K. •

Ist Diplomatie nicht davon angetrieben, einen fairen Interessenausgleich zwischen Ländern und Blöcken herzustellen?

Sehr geehrter Herr Roth,

Warum wird das Interesse von Rußland nicht mit einbezogen, dass die Ukraine nicht NATO-Mitglied wird?
Finnland ist ja auch ein neutrales Land. Das ist laut dem aktuellen Buch von Klaus von Dohnanyi auch die Hauptidee von amerikanischen, deutschen und französischen Strategen für die Ukraine.
Peter Scholl-Latour hat bereits vor 15 Jahren in seinem Buch "Rußland im Zangengriff" auf die historischen Verknüpfungen mit der Ukraine hingewiesen.
Warum werden diese russischen Interessen und die der Menschen im Osten der Ukraine nicht stärker mit einbezogen?

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr. K.,

Russland hat aktuell rund 130.000 gefechtsbereite Soldaten an der ukrainischen Grenze stationiert. Die Lage ist brandgefährlich. Die Verantwortung für diese militärische Zuspitzung liegt alleine in Moskau. Was mich weiter hoffen lässt, sind die Gespräche, die derzeit auf allen Ebenen geführt werden. Endlich reden wir wieder miteinander statt nur übereinander. Deshalb ist es gut, dass Bundeskanzler Scholz in dieser Woche zu Gesprächen nach Kiew und Moskau reist.

Wir führen diese Gespräche mit einem konkreten Ziel – nämlich dass Präsident Putin seine Truppen zurückzieht, dass wir wieder zu einer friedlichen Koexistenz im östlichen Europa kommen. Die NATO und die USA haben Vorschläge unterbreitet im Hinblick auf Vertrauensbildung und engere Zusammenarbeit. Dem sollten weitere konkrete Angebote folgen, etwa im Bereich der Rüstungskontrolle und der Abrüstung. Wir sollten auch darüber reden, wie wir die vorhandenen Dialogformate mit Russland stärken, beispielsweise die OSZE oder den Nato-Russland-Rat.

Dazu kommt, dass sich beide Seiten wieder klar zu dem bekennen, was wir schon vor Jahren miteinander verabredet haben: zur NATO-Russland-Grundakte von 1997. Für die NATO bedeutet das, dass wir keine Atomwaffen im Osten stationieren und dort auch nicht dauerhaft NATO-Soldaten stationieren. Für Russland bedeutet das, die Souveränität, die territoriale Integrität sowie die freie Bündniswahl von Staaten anzuerkennen. Klar ist: Das östliche Europa ist nicht der Vorhof der Macht von Herrn Putin. Über die Zukunft von Bündnissen wird nicht in Moskau entschieden, sondern in der NATO und von den Beitrittskandidaten selbst. Genau das hat Präsident Putin auch bereits vor Jahren zugestanden.

Doch seine Aggressionspolitik ist faktisch eine Frischzellenkur für die NATO. Die Staaten und Gesellschaften im östlichen Europa – und im Übrigen auch Länder wie Finnland und Schweden – fühlen sich derart bedroht, dass die Nato zuletzt massiv an Attraktivität gewonnen hat. Und die eigentliche Gefahr geht aus russischer Sicht doch nicht von NATO-Waffen aus, sondern von der großen Anziehungskraft unserer westlichen Werte in den Ländern Osteuropas. Viele Menschen im Osten Europas streben nach Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für sie ist Europa ein Sehnsuchtsort. Davor fürchtet sich Wladimir Putin viel mehr als vor Waffen.

Wir dürfen nicht das Narrativ von Herrn Putin von den russischen Interessenssphären übernehmen. Eine Annäherung an den Westen bedeutet doch nicht, dass man seine traditionellen Beziehungen zu Russland aufgeben muss. Es erwartet schließlich auch niemand von unserem EU-Partner Finnland mit einer über 1.300 Kilometer langen Grenze zu Russland, dass es auf Distanz zu seinem größten Nachbarn geht.

Mit freundlichen Grüßen

Michael Roth

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