Hi, inwiefern ist Frau Lambrechts Übergangsgeld mit dem Gleichheitssatz im Grundgesetz vereinbar?
Ein normaler Arbeitnehmer der seine Arbeit unzufriedenstellend verrichtet und die fristlose Kündigung bekommt, was vergleichbar ist mit einem Rücktritt mit sofortiger Wirkung, bekommt er was? 3 Monate Sperre von Arbeitslosengeld. Frau Lambrecht hat nichts erreicht und die Position von Anfang an unzufriedenstellend ausgeführt, bezieht aber dennoch ein Übergangsgeld von über €200.000. Wie ist das im Anbetracht des Gleichheitprinzip zu rechtfertigen?
Sehr geehrte Frau M.,
für Ihre Frage vom 18. Januar 2023 zum Übergangsgeld für die ehemalige Justiz-, Familien- und Verteidigungsministerin Christine Lambrecht danke ich Ihnen und nehme hierzu gerne Stellung.
Es steht Ihnen völlig frei, Kritik in dieser Sache und auch an der Arbeit von Christine Lambrecht zu äußern. Zwischen einer fristlosen Kündigung und einem Rücktritt von einem politischen Amt besteht jedoch ein Unterschied: Christine Lambrecht ist nicht gekündigt worden, sondern von ihrem Amt als Verteidigungsministerin zurückgetreten. Für ihr Übergangsgeld spielt diese Unterscheidung im Übrigen auch keine Rolle. Denn welche Leistungen ehemaligen Bundesministerinnen und -ministern nach Ende der Amtszeit zustehen, wird durch das sogenannte Bundesministergesetz (BMinG) geregelt.
Das von Ihnen kritisierte Übergangsgeld steht der ehemaligen Verteidigungsministerin übrigens nicht exklusiv zu, sondern kann von allen Amtsträgerinnen und Amtsträgern in Anspruch genommen werden – dies sind zum Beispiel auch Mandatsträgerinnen und -träger des EU-Parlaments, der Länderparlamente oder ganz „gewöhnliche“ Beamtinnen und Beamten. Folglich galt dieser Anspruch auch schon für die Vorgängerinnen und Vorgänger von Christine Lambrecht: von Annegret Kramp-Karrenbauer, über Ursula von der Leyen und Karl-Theodor zu Guttenberg bis hin zu Thomas de Maizière.
Dass es das Übergangsgeld gibt, hat gute Gründe. Denn so heißt es in Artikel 5 des Bundesministergesetzes: „Mitglieder der Bundesregierung dürfen neben ihrem Amt kein anderes besoldetes Amt, kein Gewerbe und keinen Beruf ausüben. Sie dürfen während ihrer Amtszeit auch nicht dem Vorstand, Aufsichtsrat oder Verwaltungsrat eines auf Erwerb gerichteten Unternehmens angehören oder gegen Entgelt als Schiedsrichter tätig sein oder außergerichtliche Gutachten abgeben.“ Mit dem Übergangsgeld soll folglich der Zeitraum nach dem Ausscheiden unterstützt werden – bereits ab dem zweiten Monat werden auf den Bezug des Übergangsgeldes jedoch private Einkünfte angerechnet. Das heißt, das Übergangsgeld reduziert sich automatisch, sobald andere Einkünfte (etwa durch eine neue Beschäftigung) erzielt werden. In welchem Umfang und wie lange Christine Lambrecht das Übergangsgeld also in Anspruch nimmt, kann von ihr selbst bestimmt werden.
Die Bezugsdauer des Übergangsgeldes richtet sich letztlich danach, wie lange der Minister oder die Ministerin im Amt war. Anspruch auf Bezug über zwei Jahre bestehen ab entsprechender vierjähriger Tätigkeit als Ministerin oder Minister oder auch als Staatssekretärin oder Staatssekretär. Christine Lambrecht stehen bis zu 227.000 Euro als Übergangsgeld zu, weil sie von März 2018 bis Juni 2019 Parlamentarische Staatssekretärin für Finanzen, von Juni 2019 bis Mai 2021 Bundesministerin der Justiz und des Verbraucherschutzes, von Mai bis Dezember 2021 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend sowie von Dezember 2021 bis Mitte Januar 2023 Bundesverteidigungsministerin war.
Sehr geehrte Frau M.,
die Diskussion zum Übergangsgeld ist nicht neu: Sie wird nach nahezu jedem Ausscheiden einer Ministerin oder eines Ministers von Neuem geführt. Ich kann verstehen, dass die Diskussion gerade in Zeiten hoher Inflation und stark gestiegener Energiekosten ganz besonders emotional geführt wird. Das Gleichheitsprinzip wird in diesem Fall aber gerade dadurch aufrechterhalten, dass Christine Lambrecht dem Gesetz entsprechend behandelt wird. Das bedeutet allerdings nicht, dass über die Höhe und Dauer des Übergangsgeldes nicht diskutiert werden darf.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Michael Roth