Habeck wirft Israel Bruch des Völkerrechts vor, welche wirksamen Schritte sollte und muss Deutschland jetzt konkret einleiten? https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-nahost-samstag-138.html
Sehr geehrter Herr Roth,
Deutschland hat den Internationalen Gerichtshof in Den Haag formell anerkannt.
Ob es moralisch unklug war, Haftbefehl gegen Netanjahu und die Hamas Chefs geleichzeitig zu erteilen möchte ich bewusst nicht hinterfragen.
Meine Fragen zielen auf den rein juristischen Part.
Wir bekannten klar den Haftbefehl des IStG gegen Putin zu vollziehen, wenn er deutschen Boden betritt.
1. Eindeutige Frage, respektieren wir den Haftbefehl des IStG, den wir ja anerkennen, ebenso konsequent gegen Netanjau, solle er deutschen Boden betreten? Oder akzeptieren wir Entscheidungen des IStG nur dann, wenn sie in unserem geopolitischen Interesse liegen?
2. Der IGH, den wir auch anerkennen, verlangt dien sofortigen Stopp der Rafah-offensive.
https://www.tagesschau.de/ausland/igh-israel-rafah-100.html
Habeck wirft Israel Bruch des Völkerrechts vor
https://www.tagesschau.de/newsticker/liveblog-nahost-samstag-138.html
Darf sich Deutschland noch weiter vor Israel, sanktionlos, abducken?
Sehr geehrte Frau F.
für Ihre Frage danke ich Ihnen und nehme gerne dazu Stellung.
In den vergangenen Wochen habe ich mitnichten den Eindruck gewonnen, dass es in Deutschland eine unkritische Debatte über das militärische Vorgehen Israels gegen die Terrororganisation Hamas im Gazastreifen gibt. Im Gegenteil: Ich nehme die deutsche Debatte inzwischen sogar als einseitig wahr, da kaum noch über die eigentliche Ursache dieses Krieges geredet wird: das Massaker vom 7. Oktober, das in Israel tiefe Wunden geschlagen und zu einer großen Traumatisierung geführt hat. Es gibt einen völlig losgelösten Blick auf das Leid der Palästinenserinnen und Palästinenser, die per se und ausschließlich Opfer sind. Gleichzeitig gibt es ein tief sitzendes Misstrauen gegenüber Israel.
Klar ist: Nach den barbarischen Terroranschlägen von Hamas am 7. Oktober hat Israel das Recht, sich zu verteidigen und die Sicherheit für alle Israelis wiederherzustellen. Die israelische Armee steht dabei vor einem schweren und herzzerreißenden Dilemma. Der Gazastreifen ist der Lebensort von rund zwei Millionen Menschen auf engstem Raum. Gleichzeitig ist er aber das größte Terrorcamp der Welt. Die Hamas missbraucht Moscheen, Krankenhäuser, Wohnungen, Schulen als Terrorzentralen und Waffenlager. Das macht es so schwer, die Zerschlagung der Terrorinfrastruktur und den Schutz von Zivilisten klar voneinander abzugrenzen. Selbstverständlich trägt Israel die Verantwortung, bei seiner Kriegsführung das humanitäre Völkerrecht zu beachten, die palästinensische Zivilbevölkerung bestmöglich zu schützen und humanitäre Hilfe nicht zu behindern. Jedes zivile Opfer ist eines zu viel.
Eine regelbasierte und auf dem Völkerrecht fußende internationale Ordnung ist eines der Kerninteressen der deutschen Außenpolitik. Es ist unerlässlich, dass niemand - keine Einzelperson und keine Macht - sich über das Recht erheben darf. Obwohl wir dieses Ideal bei weitem nicht erreicht haben, bleibt der Internationale Strafgerichtshof eine bedeutende Errungenschaft, die unsere Unterstützung verdient. Der IStGH ist besonders dort von zentraler Bedeutung, wo es an rechtsstaatlichen Strukturen mangelt. Das sehe ich in Israel aber dezidiert nicht: Der demokratische Staat Israel verfügt über eine funktionierende und unabhängige Justiz, was Anfang Januar erneut durch das israelische Oberste Gericht bestätigt wurde, als es wesentliche Teile der antidemokratischen Justizreform der Netanjahu-Regierung aufhob. Sogar Klagen gegen Netanjahu hat es vor israelischen Gerichten wiederholt gegeben.
Die Entscheidung des Chefanklägers des Internationalen Strafgerichtshofs, Haftbefehl gegen den israelischen Premierminister und den israelischen Verteidigungsminister sowie gegen die drei ranghöchsten Hamas-Führer zu beantragen, sehe ich kritisch. Der Chefankläger hat durch diese Gleichzeitigkeit den Eindruck erweckt, nicht zwischen einer grausamen Terrororganisation und einem liberalen Rechtsstaat zu unterscheiden. Zur hypothetischen Frage, ob Deutschland im Falle eine Verurteilung den Haftbefehl vollstrecken würde, hat sich die Bundesregierung über ihren Sprecher positioniert: „Grundsätzlich sind wir Unterstützer des Internationalen Strafgerichtshofes, und dabei bleibt es auch. […] Wir halten uns an Recht und Gesetz.“
Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth