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Michael Roth
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Frage von Ralf D. •

Frage an Michael Roth von Ralf D. bezüglich Europapolitik und Europäische Union

Sehr geehrter Herr Roth,

der Presse entnehme ich, dass Rechtsstaatlichkeit und Wertegemeinschaft in der EU eine schwere Niederlage hinnehmen mussten, ausgelöst durch Polen und Ungarn, die den EU Haushalt blockiert haben, um eigene Interessen durchzusetzen (Erpressung). Diese Staaten feiern sich jetzt selbst als die großen Gewinner.
Ihren Tweets entnehme ich, dass auch sie von dem geschlossenen Abkommen überzeugt sind.
Mich würde jetzt natürlich interessieren wie sie Rechtsstaatlichkeit und Wertegemeinschaft definieren.
Die EU Mittel dürfen nur gekürzt werden, wenn wenn der Verstoß gegen die Rechtsstaatlichkeit auch aus EU Mitteln bezahlt würde, das wäre wohl nicht der Fall bei Beschneidung der freien Presse oder der Unabhängigkeit der Gerichte.
Die humanitären und christlichen Werte so wie der Schutz vor Diskriminierung von Minderheiten ist in den osteuropäischen Ländern nicht besonders ausgeprägt.
Wie oder warum kommen Sie zur Auffassung, dass das Abkommen ein Fortschritt sei?

Mit freundlichen Grüßen
R. D.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Drischel-Kubasek,

vielen Dank für Ihre Nachricht und die enthaltenen Fragen, die ich gerne beantworte.
Zunächst einmal wundere ich mich, welchen Presseberichten Sie eine schwere Niederlage für Rechtsstaatlichkeit und Wertegemeinschaft entnehmen konnten. Drastische Darstellungen dieser Art konnte ich nirgendwo lesen. Sie wären auch schlicht nicht zutreffend.

Am Text der ursprünglichen und bereits beschlossenen Verordnung zur Rechtsstaatskonditionalität hat sich nämlich rein gar nichts geändert. Es wurde lediglich eine zusätzliche Erklärung formuliert, die den Mechanismus selbst aber nicht betrifft. Der Europäische Rat, also die Staats- und Regierungschefinnen und -chefs, konnte daran nicht rütteln und nichts verändern - auch nicht Polen und Ungarn.
Verstöße gegen die Rechtsstaatlichkeit werden darüber hinaus nicht nur dann geahndet, wenn sie aus EU-Mitteln bezahlt werden. Sie werden geahndet, wenn sie EU-Mittel betreffen. Das war bereits in der ursprünglichen Vereinbarung enthalten und wurde ebenfalls nicht auf Druck einzelner Staaten abgeändert. Diese Verbindung herzustellen, dürfte gerade in Ländern, wo bis zu 80% der Strukturmittel aus dem EU-Haushalt stammen, herzustellen sein. Auch in Hinsicht auf Pressefreiheit oder die Unabhängigkeit der Justiz.

Rechtsstaatlichkeit bedeutet für mich einen Staat, in dem Regierung und Verwaltung sich genauso an Regeln und Gesetze halten müssen, wie Bürgerinnen und Bürger. In dem echte Gewaltenteilung existiert, Grundrechte wie Presse- und Meinungsfreiheit, Freizügigkeit oder Freiheit der Person garantiert werden, und niemand durch Gesetze und staatliches Handeln benachteiligt wird. Rechtstaatlichkeit ist nicht nur ein Wert unter vielen - sie ist die Garantie für all unsere Grundwerte und Freiheiten. Demokratie und Rechtsstaat lassen sich nicht voneinander trennen. Das ist der Wesenskern Europas, der uns zu einer Wertegemeinschaft macht. Ihn zu verteidigen hilft das Instrument der Rechtstaatskonditionalität. Es ist nach wie vor ein scharfes Schwert und wurde nicht durch Erpressung abgestumpft. Das ist gut so, denn ohne Zweifel ist die Rechtsstaatlichkeit vielerorts auch in Europa unter Beschuss.

Wir dürfen Europa nicht in Wahlperioden denken, sondern langfristig. Deshalb gilt das Instrument auch auf Jahrzehnte hinaus. Zusätzlich ist es nicht das einzige Mittel, sondern eines aus einer ganzen Werkzeugkiste. Zum Beispiel haben wir im Ministerrat den Rechtsstaatscheck eingeführt, dem sich alle Mitgliedstaaten regelmäßig unterziehen müssen. Dieser Dialog soll die Rechtstaatlichkeit ebenfalls stärken und wir wollen damit zurück zu einem gemeinsamen Verständnis von dem kommen, was die EU in ihrer Substanz ausmacht.

Herzliche Grüße
Ihr Michael Roth

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