Frage an Michael Roth von Sara S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Roth,
Entschuldigung, ich habe das nicht verstanden, Sie Schreiben auf die eingereichten Fragen vom 20.01. und 21.01.2018 exakt die gleichen Amtworten. Stimmt, Sie betreffen ja auch den selben Sachverhalt.
Aber, Ihre Antwort lautet: „Lassen Sie mich eines klarstellen: Grundsätzlich ist die Beschlussfähigkeit des Bundestages solange gegeben, sofern sie nicht von einer Fraktion ausdrücklich angezweifelt wird.“
Frage meinerseits:
1. Wieviel Abgeordnete müssen bei einer Abstimmung im Bundestag anwesend sein?
2. 2. Kann auch ein Beschluss gefasst werden, wenn weniger als die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist und niemand Einwände über die Abstimmung hat?
Sie werden übrigens bei Anne Will in den Kommentaren mehrfach erwähnt – schicke rosa Sochen haben Sie!
Mit freundlichem Gruß
S. S.
Sehr geehrte Frau S.,
für Ihre Frage danke ich Ihnen. In unserem Grundgesetz findet sich keine ausdrückliche Regelung der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Bundestag beschlussfähig ist. Nach Art. 42 Abs. 2 des Grundgesetzes ist für einen „wirksamen Beschluss des Bundestages die Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich“.
Die genauen Bestimmungen zur Beschlussfähigkeit sind in Paragraph 45 der Geschäftsordnung des Bundestages geregelt:
"(1) Der Bundestag ist beschlussfähig, wenn mehr als die Hälfte seiner Mitglieder im Sitzungssaal anwesend ist.
(2) Wird vor Beginn einer Abstimmung die Beschlussfähigkeit von einer Fraktion oder von anwesenden fünf vom Hundert der Mitglieder des Bundestages bezweifelt und auch vom Sitzungsvorstand nicht einmütig bejaht oder wird die Beschlussfähigkeit vom Sitzungsvorstand im Einvernehmen mit den Fraktionen bezweifelt, so ist in Verbindung mit der Abstimmung die Beschlussfähigkeit durch Zählung der Stimmen nach §51, im Laufe einer Kernzeit-Debatte im Verfahren nach §52 festzustellen. Der Präsident kann die Abstimmung auf kurze Zeit aussetzen.
(3) Nach Feststellung der Beschlussunfähigkeit hebt der Präsident die Sitzung sofort auf. §20 Abs. 5 findet Anwendung. Ein Verlangen auf namentliche Abstimmung bleibt dabei in Kraft. Stimmenthaltungen und ungültige Stimmen zählen bei der Feststellung der Beschlussfähigkeit mit.
(4) Unabhängig von dem Verfahren nach den Absätzen 1 bis 3 kann der Präsident bei Kernzeit-Debatten im Einvernehmen mit den Fraktionen die Sitzung unterbrechen, wenn der Sitzungsvorstand bezweifelt, daß 25 vom Hundert der Mitglieder des Bundestages anwesend sind. Die Feststellung der Anwesenheit erfolgt im Verfahren nach §52."
Voraussetzung für einen Sitzungsabbruch ist demnach, dass die Beschlussfähigkeit des Bundestages von einer Fraktion ausdrücklich angezweifelt und von der Sitzungsleitung formal festgestellt wird. Geschieht dies nicht, so wird die Beschlussfähigkeit des Bundestages vermutet. Mit der Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung hat sich das Bundesverfassungsgericht bereits 1977 (BVerfGE 44, 308 ff.) beschäftigt. In seinem Urteil hat das Bundesverfassungsgericht damals bestätigt, dass der Bundestag „ohne Rücksicht auf die Zahl seiner anwesenden Mitglieder als beschlussfähig [gilt], solange nicht seine Beschlussunfähigkeit in dem in jener Bestimmung vorgeschriebenen Verfahren festgestellt wird. Diese Regelung begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.“
Mit freundlichen Grüßen
Michael Roth