Frage an Michael Paul von Norbert P. bezüglich Familie
Sehr geehrter Herr Dr. Paul,
derzeit wird das sog. Betreuungsgeld vielfach diskutiert; wie stehen Sie dazu ? Kann es sein, dass die derzeitige Familienministerin aufgrund ihrer ach so großen Lebenserfahrung nicht weiß, für was sie sich da einsetzt? Ist es tatsächlich nur so, dass man einmal vor Jahren getroffene (gesetzliche) Vereinbarungen um jeden Preis umzusetzen hat und zwischenzeitlich erlangte Erfahrungen als Fakt ignorieren muss.
Woher kommt das Geld?
Ist es so, dass Herr Seehofer die treibende Kraft des Ganzen ist, da er die entsprechenden KiTa-Plätze in seinem so hoch gelobten Freistaat finanziell nicht auf die Beine bringt? Was ist mit der Integration im Allgemeinen? Ist es nicht so, dass sich gerade die Familien mit Migrationshintergrund überproportional vermehren? Wird es nicht so sein, dass gerade dort ein Anreiz geschaffen wird, die 3 - 4jährige nicht in die KiTa zu schicken und das Ergebnis bei der Einschulung heißt, dass die Deutschkenntnisse noch schlechter sind als je zuvor?
Wird hier nicht ein vorhandenes Problem zu einem noch größeren zukünftigen Problem ausgebaut?
Viele Grüße aus Köln
Norbert Priefert
Lieber Herr Priefert,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Es hat mich gefreut, wieder von Ihnen zu hören. Meine späte Beantwortung bitte ich mir nachzusehen.
Es ist unsere Politik, den Familien Wahlmöglichkeiten zu schaffen und in unserer Gesellschaft insgesamt ein Klima zu fördern, das auf Respekt für unterschiedliche Lebensmodelle fußt. Vor der Bundestagswahl 2009 haben wir den Bürgerinnen und Bürgern in dieser Frage unsere Position dargelegt. Wir sagten damals : “Wir wollen nicht, dass Eltern zu einem Lebensmodell gedrängt werden, das sie nicht wollen. Vielmehr sollen sie selbst entscheiden, wie sie ihre Kinder erziehen. Wir sorgen deshalb für mehr und bessere Betreuungsangebote. Für Kinder unter drei Jahren wird bis 2013 mit Unterstützung des Bundes durch Länder, Kommunen und freie Träger ein bedarfsgerechtes Angebot geschaffen. Danach gilt ein Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz ab dem ersten Lebensjahr. Wir werden die Zusage einlösen, dass Eltern ab 2013 ein Betreuungsgeld monatlich erhalten, wenn sie keinen Krippenplatz in Anspruch nehmen. Das Betreuungsgeld ist unbürokratisch auszugestalten.“ (CDU/CSU-Regierungsprogramm 2009-2013, S.29) Die FDP hingegen lehnte die Einführung eines Betreuungsgeldes ab. (Vgl. FDP-Deutschlandprogramm von 2009, S. 34) Die Regierungskoalition aus CDU/CSU und FDP hat bereits im Oktober 2009 die Forderung der Union im Koalitionsvertrag verankert, um neben öffentlichen Angeboten und Leistungen auch die elterliche Kinderbetreuung zu ermöglichen. Deshalb wurde ab diesem Jahr (2013) ein Betreuungsgeld in Höhe von 100,- Euro, später 150,- Euro für Kinder unter drei Jahren als Bundesleistung eingeführt werden.
Mit der Entscheidung, das Betreuungsgeld einzuführen hat die Koalition ein Zeichen für alle Familien gesetzt. Sie hat deutlich gemacht, dass sich Familien nicht einem staatlich vorgegebenen Leitbild anpassen müssen (nämlich dem, das Kind ab dem vollendeten ersten Lebensjahr in die Krippenbetreuung zu geben), um finanzielle Unterstützung zu finden, sondern dass der Staat akzeptiert, dass Familien selbst entscheiden, wie sie ihr Leben gestalten wollen. Familien organisieren sich heute so vielfältig, so dass allein mit dem Ausbau der Krippenplätze nicht allen Wünschen von Eltern Sorge getragen wird. Viele Eltern wollen ihr Kind erst mit drei Jahren in den Kindergarten geben und sich vorher selbst um die Erziehung ihrer Kinder kümmern oder eine familiennahe Betreuung organisieren. Während der Staat jeden Krippenplatz mit circa 1.000 Euro pro Monat subventioniert, bekommen diese Eltern keine zusätzliche materielle Hilfe.
Das Betreuungsgeld zwingt Frauen nicht, ihre Erwerbsarbeit aufzugeben, denn es wird auch gezahlt, wenn sie in Voll- oder Teilzeit erwerbstätig sind. Die einzige Bedingung ist, dass Eltern für ihre Kinder keinen öffentlichen Krippenplatz in Anspruch nehmen, sondern eine familiäre oder familiennahe Betreuung organisieren. Wenn Eltern für ihre Kinder eine Betreuung durch eine Nanny oder ein Au-Pair organisieren, kostet diese Lösung sicher mehr als der Elternbeitrag für einen Krippenplatz. Hier ist das Betreuungsgeld eine Hilfe, um Alternativen zur Krippenbetreuung zu ermöglichen.
Das Betreuungsgeld verhindert keine Bildungschancen. Es geht bei dieser neuen Familienleistung um eine Leistung an Eltern von Ein und Zweijährigen! In diesem Alter steht bei Kindern nicht das Bedürfnis nach Bildung im Vordergrund, sondern nach verlässlicher Bindung. In der Wissenschaft ist unbestritten, dass Bindung der Bildung vorausgeht. Die kognitive und emotionale Entwicklung und damit die Grundlage für spätere Bildung kann nur gelingen, wenn das Bedürfnis des Kleinkindes nach Sicherheit durch verlässliche Bindung befriedigt wird. Und die erste Bindung eines Kindes ist die an seine Eltern oder eben an die eine, feste Bezugsperson. Für die kleinen Kinder ist die familiäre oder familiennahe Betreuung der institutionellen zumindest gleichwertig, wenn nicht gar überlegen. Kinder brauchen gerade in ihrer ersten Lebensphase feste Bezugspersonen und liebevolle Zuwendung, damit sie ihre Talente entfalten können. Was in den ersten Lebensjahren versäumt, vernachlässigt und falsch gemacht wird, ist durch ein noch so gutes Bildungssystem später kaum wettzumachen.
Deshalb haben wir auch in unserem aktuellen Regierungsprogramm an unserer Position festgehalten: „Diejenigen Eltern, die für ihre Kinder auch im zweiten und dritten Lebensjahr keine öffentlich geförderte Kinderbetreuung in Anspruch nehmen wollen, unterstützen wir mit dem Betreuungsgeld und leisten damit einen wichtigen Beitrag zur Wahlfreiheit.“ (CDU/CSU Regierungsprogramm 2013 - 2017, S.62)
Kinderbetreuungseinrichtungen können eine wichtige Ergänzung zum Bildungsort Familie sein. Doch die in den meisten deutschen Kitas übliche Gruppengröße kann von vielen Ein- und Zweijährigen als Stress empfunden werden. Wenn Eltern daher eine individuellere Betreuung vorziehen, müssen wir das ebenso unterstützen.
Wir verschließen nicht die Augen davor, dass es einige wenige Eltern gibt, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind. Die Lösung dieses Probelems aber kann nicht sein, allen Eltern die Verantwortung für ihre Kinder nicht zuzutrauen. Vielmehr müssen wir durch aufsuchende Hilfen den überforderten Eltern Unterstützung anbieten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michael Paul MdB