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Frage von Gerald G. •

Frage an Michael Paul von Gerald G. bezüglich Umwelt

Sehr geehrter Herr Dr Paul,

Sie sind der Vertreter der Kölner Bürgerinnen und Bürger (und damit auch von mir) im Bundestag. Daher möchte ich Ihnen Fragen zum Entwurf zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) stellen:

Stimmt es, dass der Entwurf zur Änderung des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) vorsieht, dass "Fracking" lediglich in Wasserschutzgebieten verboten wird und dass das Fracking-Verbot in Wasserschutzgebieten sich lediglich auf neue Bohrungen bezieht?

Stimmt es, dass der Gesetzentwurf keinerlei Beschränkungen in Bezug auf die beim Fracking eingesetzten Chemikalien enthält - nicht einmal die Pflicht zur Offenlegung der einzelnen Chemikalien und deren Mengen?

Stimmt es, dass in dem Gesetzentwurf nur unzureichend geregelt ist, wie das hochgradig mit Chemikalien, Schwermetallen und radioaktiven Stoffen belastete und in enormen Mengen anfallende Abwasser aus den Fracking-Bohrungen behandelt und entsorgt werden soll.

Herzlichen Dank für Ihre Antwort

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CDU

Sehr geehrter Herr Groh,

vielen Dank für Ihre Zuschrift, in der Sie sich mit dem Thema „Unkonventionelle Erdgasförderung“ und mit der Methode des „Hydraulic Fracturing“, oder kurz: „Fracking“, auseinandersetzen.

Wie Sie richtigerweise beschreiben, birgt diese Technologie Gefahren: So besteht bei unsachgemäßer Anwendung die Gefahr von Trinkwasserverunreinigungen. Das bei der Gasförderung aus Schiefergestein zu Tage geförderte Tiefenwasser ist, da es Benzol, Schwermetalle oder radioaktive Bestandteile enthalten kann, als gefährlich anzusehen. Auch wird befürchtet, dass Fracking die Ursache von Erdbeben sein kann.

Allerdings wurde auch auf deutschen Erdgasfeldern im Anschluss an die konventionelle Gasförderung in den letzten 30 Jahren schon über 300 Mal „gefrackt“, ohne dass es dabei wegen des Frackings zu Umweltverschmutzungen gekommen ist.

Ich kann Ihnen versichern, dass wir, die christlich-liberale Koalition und meine Kolleginnen und Kollegen im Umweltausschuss des Deutschen Bundestages, in dem ich als Berichterstatter meiner Fraktion für dieses Thema zuständig bin und an der Gesetzgebung dazu mitarbeiten darf, uns dieser Gefahren bewusst sind und wir die Aufgabe, Mensch und Umwelt davor zu schützen, sehr ernst nehmen.

Daher befassen wir uns seit etwa zwei Jahren in einem sehr gründlichen Diskussionsprozess mit der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen die Anwendung der Fracking-Technologie zur Gasförderung aus Schiefergestein verantwortbar ist und welche Anforderungen über die bisher geltenden Rechtsgrundlagen hinaus gegebenenfalls an ihre Zulassung gestellt werden müssen. Nach geltender Rechtslage gibt es nämlich keine Sonderregelungen oder Sonderanforderungen für den Einsatz der Fracking-Technologie.

Inzwischen liegen eine Reihe von Gutachten zu diesen Fragen vor, die von unterschiedlichen Institutionen veranlasst und erarbeitet wurden:

- von der Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe - BGR im
Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums,
- im Rahmen des ExxonMobil-Dialogprozess
- vom Umweltbundesamt im Auftrag des Bundesumweltministeriums
- von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens beauftragt
- von der Europäische Kommission veranlasst.

Alle diese Gutachten haben bestätigt, dass Fracking Gefahren mit sich bringt, die aber durch entsprechende technische Vorkehrungen beherrschbar sind, wenn strenge Maßstäbe an die Zulassung und Beaufsichtigung der Technologie angelegt werden.

Ich habe mich deshalb für einen Vorschlag der Koalition eingesetzt, der neben einer umfassenden und transparenten Beteiligung der Öffentlichkeit, erstmals die folgenden verschärfenden Anforderungen an die Zulassung der Erdgasförderung mit Hilfe von Fracking vorsieht:

- in umweltsensiblen Bereichen darf Fracking überhaupt nicht eingesetzt
werden: Wasserschutzgebiete und Gewinnungsgebiete von Mineral- und
Heilwässern müssen deshalb tabu sein - der Schutz des Trinkwassers geht
immer vor;
- Genehmigungen dürfen nur im Einvernehmen mit den vor Ort zuständigen
Wasserbehörden erfolgen - die Wasserbehörden haben also ein „Veto-Recht“;
- Sobald Fracking eingesetzt wird, muss eine Umweltverträglichkeitsprüfung
mit umfassender Beteiligung der Öffentlichkeit und den beteiligten Kommunen
erfolgen. Dabei müssen alle Umweltauswirkungen geprüft werden, also
beispielsweise nicht nur die Gefahr einer Grundwasserverunreinigung durch
die verwendeten Fracking-Fluide, sondern auch mögliche Erdbeben und die
sichere Behandlung des mitgeförderten Tiefenwassers.

Dies würde aus meiner Sicht die geltende Rechtslage deutlich verbessern: So ist ein solches „Veto-Recht“ der Wasserbehörde bisher nicht festgeschrieben. Auch muss derzeit bei der überwiegenden Zahl der Förderprojekte bislang keine Umweltverträglichkeitsprüfung - also auch keine derart umfangreiche Prüfung von Auswirkungen auf mögliche Umweltschäden und keine so transparente Beteiligung der Öffentlichkeit - stattfinden. Schließlich muss berücksichtigt werden, dass ohne eine Veränderung der Rechtslage - bei Vorliegende aller Voraussetzungen - derzeit in den meisten Fällen ein Rechtsanspruch der gasfördernden Industrie zur Aufsuchung und Förderung von Gas aus Schiefergestein bestünde, der auch einklagbar ist. Der Vorschlag der christlich-liberalen Koalition würde daher die Anforderungen an den Schutz der Menschen und der Natur deutlich verschärfen.

Ich halte es grundsätzlich für richtig, bei der Zulassung einer neuen Technologie die wesentlichen Risiken zu betrachten. Nur so kann ausgeschlossen werden, dass es bei der Anwendung zu Schäden kommt. Gleichwohl halte ich es nicht für richtig, jede Technologie, die Risiken beinhaltet, pauschal und von Vornherein abzulehnen oder gar zu verbieten. Wäre in der Vergangenheit in unserem Land so verfahren worden, wäre der Wohlstand unserer Gesellschaft, der in weiten Teilen auf industrieller Produktion beruht, nicht vorstellbar. Denn jede Anwendung von Technologien beinhaltet bestimmte Risiken - ob Straßenverkehr, chemische Industrie oder Stromerzeugung. Die Antwort darauf kann nicht das Verbot von Kraftfahrzeugen, der Verzicht auf Kunststoffe oder elektrischen Strom sein. Vielmehr ist entscheidend, für die Anwendung der Technologie einen rechtlichen Rahmen zu schaffen, durch den der Nutzen der Anwendung ermöglicht wird, ohne dass sich unerwünschte Gefahren realisieren können.

Auch wenn ich es für richtig halte, den Bedenken der Menschen durch strenge gesetzliche Anforderungen an die Zulassung jeder neuen Technologie Rechnung zu tragen, dürfen dennoch ihre Chancen für den Wohlstand und den Lebensstandard in unserem Land bei dieser Betrachtung nicht ausgeblendet werden.

Der Blick in die USA etwa zeigt eine regelrechte „Schiefergas-Revolution“. Ein Grund ist, dass mittlerweile neben dem Fracking, also dem Aufsprengen von Mikro-Rissen im Gestein durch hydraulischen Druck, auch Horizontalbohrungen, also das unterirdische Verzweigen von Bohrsträngen über Kilometer hinweg, großtechnisch möglich ist. Damit sinkt die Zahl der benötigten obertägigen Bohrplätze und damit die Kosten der Gewinnung auf einen Bruchteil. In den Vereinigten Staaten wird seit Ende der 1990er Jahre mit diesen Technologien Erdgas, in den letzten Jahren auch Erdöl, in größerem Umfang gefördert. 2011 lag der Schiefergasanteil am Gesamtgasaufkommen bereits bei 30%, Tendenz steigend. Die USA werden dadurch nicht mehr von Gaseinfuhren abhängig sein. Präsident Obama hat zum politischen Ziel erklärt, dass sein Land mit Hilfe von Schiefergas und -öl von Energieimporten unabhängig werden soll.

Die Folgen sind immens: Der Erdgaspreis in den Vereinigten Staaten, der früher das gleiche Niveau hatte wie in Europa, ist mittlerweile nur noch 1/3 so hoch wie hier. Gerade für energieintensive Unternehmen, wie die chemische Industrie, haben die USA zurzeit beste Standortbedingungen und damit werden auch Arbeitsplätze mittelfristig aus anderen Teilen der Welt nach Amerika verlagert.

Aber auch in Deutschland ist die Größenordnung des föderfähigen Erdgases aus Schiefergestein, anders als es in der Debatte häufig zu hören, keineswegs zu vernachlässigen. Das Potential von förderwürdigem Schiefergas in Deutschland schätzt die BGR auf rund 1 Billion m3, womit der bisherige einheimische Anteil von 14% am in Deutschland verbrauchten Gas auf Jahrzehnte stabilisiert werden könnte. Ansonsten würde die Abhängigkeit von Importen, insbesondere aus Russland, steigen, da die deutschen Erdgasfelder bald erschöpft sind. Denn trotz des zügigen Ausbaus der Erneuerbaren Energien werden wir noch längere Zeit auf die Verstromung fossiler Energieträger angewiesen sein, die derzeit, mit Ausnahme der Braunkohle, importiert werden müssen. Gerade Erdgas ist wegen der guten Steuerbarkeit von Gaskraftwerken für die Energieversorgung von zentraler Bedeutung.

Als Ergebnis des über zwei Jahre andauernden Beratungsprozesses und einer umfassenden, keineswegs übereilten Abwägung zwischen Risiken und Nutzen der Fracking-Technologie bin ich davon überzeugt, dass der hier dargestellte Vorschlag einen wirksamen Schutz von Mensch und Umwelt gewährleistet und gleichzeitig die Potentiale der Erdgasförderung in Deutschland bei höchsten Sicherheitsstandards nutzbar macht.

Dass wir als christlich-liberale Koalition im Sommer darauf verzichtet haben, den geschilderten Vorschlag ins Gesetzgebungsverfahren einzubringen, ist darauf zurückzuführen, dass es in der Vorwahlkampfzeit nicht möglich ist zu kommunizieren, dass wir eine deutliche Verschärfung der Auflagen gegenüber dem geltenden Recht erreichen wollen. In der Öffentlichkeit ist vielmehr der Eindruck verfestigt, die Koalition wolle ein „Fracking-Ermöglichungsgesetz“ schaffen , was nicht der Fall ist. Eine gesetzliche Regelung wird damit auf der Tagesordnung des neu zu wählenden Bundestages stehen.

Sofern Sie weitere Informationen zur Fracking-Technologie wünschen, empfehle ich Ihnen die Internet-Präsenz „Shale Gas Information Platform“ der Deutschen GeoForschungsZentrum - GFZ am Helmholtz-Zentrum Potsdam, die unter der Internetadresse http://www.shale-gas-information-platform.org/de zu erreichen ist.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Michael Paul