Frage an Michael Paul von Walter L. bezüglich Finanzen
Die EU droht sich in eine schuldenbasierte Transferunion, eine Haftungsgemeinschaft zu verwandeln. Deutsche Steuern sollen für die Sünden aller europäischer Länder geradestehen. Wir sollen arbeiten, damit die Banken keine Verluste machen. Dem Steuerzahler wird Zwangssolidarität verordnet. Die Banken sind auf freiwilliger Basis dabei. Unfaßlich. Die Transferunion darf nicht kommen!
Ich fordere Sie deshalb auf, sich politisch für ein klares Bekenntnis gegen eine EU-Transferunion auszusprechen. Sie haben es in der Hand, dass der Steuerzahler nicht auch noch hier belastet wird. Denken Sie bitte an die kommenden Generationen, die unter einer verfehlten EU-Wirtschafts- und Finanzpolitik leiden werden.
Dies ist sicher nicht in Ihrem Sinn – daher legen Sie bitte Ihre Position zu dieser Frage offen. Sind Sie pro oder contra EU-Transferunion?
Meine politische Unterstützung mache ich stark von Ihrer Haltung in dieser wichtigen Zukunftsfrage abhängig.
Sehr geehrter Herr Lampersberger,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 17.07.2011, in dem Sie Kritik an vorgesehenen Maßnahmen zur Stabilisierung des Euro äußern. Ich kann Ihnen versichern, dass ich Ihre Sorgen über die Lage der gemeinsamen europäischen Währung nachvollziehen kann. Ich bin davon überzeugt, dass wir uns an einer Wegscheide in Bezug auf die Zukunft des Euro befinden.
Akut in Schwierigkeiten geratene Euro-Länder müssen kurzfristig von ihren Partnern unterstützt werden. Ein sonst möglicher „Flächenbrand“ hätte unabsehbare Folgen für ganz Europa und damit auch für die deutsche Wirtschaft und unsere öffentlichen Haushalte. Ziel aller jetzigen und zukünftigen Maßnahmen darf aber nur die zielgerichtete Krisenhilfe sein. Und genau dafür brauchen wir einen verlässlichen und transparenten Mechanismus zur Stabilisierung unserer gemeinsamen europäischen Währung.
Debatte um Eurobonds
Die wiederholt auch von der Opposition in diesem Zusammenhang gestellte Forderung nach Eurobonds unterläuft die Bemühungen der Bundesregierung auch in anderen europäischen Ländern mehr Verständnis für Haushaltsdisziplin und schuldenbremsende Politik zu erzielen. Würden wir die, insbesondere von der SPD geforderten, Eurobonds mit einem einheitlichen Zinssatz für alle EU-Staaten genehmigen, würden wir den Druck von Ländern wegnehmen stabile Haushalte vorzulegen. Die gemeinsamen europäischen Anleihen würden das Zinsniveau für Kredite in Deutschland dauerhaft in die Höhe treiben. Ein Gutachten geht von 47 Milliarden Euro jährlichen Mehrkosten für die deutschen Haushalte aus. Um Klartext zu sprechen: Solange es keine völlig übereinstimmende gemeinsame Finanz- und Wirtschaftspolitik gibt, solange keine Schuldenbremse in allen Euroländern installiert ist, und die Haushalte präzise überwacht werden – und so etwas dauert viele Jahre-, solange lehne ich gemeinsame Anleihen (Eurobonds) ab.
Rolle des Deutschen Bundestages
Gestatten Sie mir einige Bemerkungen zur gegenwärtig breit diskutierten Annahme, wonach im Prozess der Einsetzung europäischer Stabilitätsmechanismen („Euro-Rettungsschirm“ EFSF, der ab 2013 durch den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) abgelöst werden soll), das Haushaltsrecht und damit die Einflussnahme unseres Parlaments drastisch eingeschränkt werde. Das Haushaltsrecht ist und bleibt das Königsrecht des Parlaments. Die Beteiligung des Deutschen Bundestages ist allen Abgeordneten ein zentrales Anliegen. Ich lege sehr großen Wert darauf, dass der Deutsche Bundestag allen Vereinbarungen mit finanzieller Auswirkung zustimmen muss. Wenn für Deutschland der Haftungsrahmen des EFSF von solcher Art ausge-weitet wird, dass es sich um weitreichende Entscheidungen für unser Land handelt, genügt es nicht in dieser Frage lediglich Einvernehmen mit dem Haushaltsauschuss des Deutschen Bun-destages herzustellen, sondern dann muss das Parlament als Ganzes seine Zustimmung erteilen. Gegenwärtig wird darüber diskutiert ob und wie der Bundestag in der Lage sein muss zu ent-scheiden, wie die deutschen Vertreter in den europäischen Institutionen zur Euro-Stabilisierung abstimmen. Bei diesem Problem muss – das sage ich als Parlamentarier ganz deutlich – bedacht werden, dass Finanzmarktstabilisierungs-Maßnahmen oftmals schnelles Handeln erfordern. Nach meiner Auffassung muss deshalb ein abgestuftes Entscheidungsmodell entwickelt werden. Ich befürworte, dass der Haushaltsausschuss kurzfristige Maßnahmen bei der Durchführung laufender Programme überwacht, während der Bundestag der Vergabe von Krediten und dem Kauf von Anleihen überschuldeter Staaten zwingend zustimmen muss.
Staatsinsolvenz darf nicht ausgeschlossen sein – das gehört zur politischen Ehrlichkeit dazu
Im übrigen bin ich der Auffassung, dass künftig in den Fall, dass die Nehmerländer, wenn sie die Auflagen der Geberländer nicht erfüllen, in letzter Konsequenz aus der Eurozone ausscheiden müssen. Auch der Gang in eine geordnete Staatsinsolvenz darf nicht ausgeschlossen sein. Das muss Schuldnerstaaten und der Öffentlichkeit klar gesagt werden.
Der auf europäischer Ebene beschlossene ESM-Vertrag – über ihn wird der Bundestag voraus-sichtlich im Dezember 2011 entscheiden - ist aus meiner gegenwärtigen Sicht ein richtiger und wichtiger Baustein zur Sicherung der EU-Währungsunion. Sie kann nur funktionieren, wenn je-des Mitgliedsland aus eigener Kraft wettbewerbsfähig ist und solide wirtschaftet. Hilfen für notleidende Euro-Staaten wird es nur im Einzelfall und unter strikten Bedingungen und Auflagen geben, nicht zuletzt unter Beteiligung der privaten Gläubiger. Natürlich sind Belastungen für die Steuerzahler nicht ausgeschlossen. Ich glaube aber, dass das Risiko auf das notwendige Min-destmaß beschränkt bleibt und dass die Vorteile der Währungsunion für das Exportland Deutschland das Risiko überwiegen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Michael Paul